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März 2018


Was kann Schubert dafür?
Premiere “Blossom Time” Theater Annaberg

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Der Chef-Ausgräber vergessener oder unbekannt gebliebener Musikwerke, Intendant Ingolf Huhn vom Annaberger Eduard-von-Winterstein-Theater, hat es wieder getan und sogar mit einer europäischen Erstaufführung am 18.03.2018: Diesmal steht Franz Schubert im Mittelpunkt von Sigmund Rombergs amerikanischer Operette „Blossom Time“ von 1921 nach Bertés Singspiel „Das Dreimäderlhaus“. Das hatte damals den Broadway verzuckert und außer Schubert, von dem die schönsten Melodien stammen, alle anderen Adaptoren steinreich gemacht.

Fotos: Eduard von Winterstein Theater
© Dirk Rückschloß, BUR-Werbung

„Blossom Time“ ist nach der „Fledermaus“ von Johann Strauß die am meisten gespielte Operette überhaupt, in Europa und Deutschland hingegen weitgehend unbekannt. Im Jahre des Todes von Kaiser Franz Joseph von Österreich 1916, also im auch von ihm mit inszenierten 1. Weltkrieg, besann man sich mit dem „Dreimäderlhaus“ am Raimundtheater in Wien für das frustrierte Publikum der guten alten Zeit bürgerlicher Romantik. Diese unterschied sich von der aristokratischen Ritter- und Gotikschwärmerei der Zeit auf volksliedhafte Texte und ebensolche Melodik. Einige von Franz Schuberts Kunstliedern waren bereits zu Volksliedern geworden und das tragische Schicksal des mit 31 Jahren verarmt und unverheiratet gestorbenen Genies waren eine nutzbare Basis verklärender Traumgebilde.

Weder im „Dreimäderlhaus“ noch in „Blossom Time“ ist außer Schuberts Melodien und den Namen seiner engsten Freunde irgendetwas Authentisches aus dem Leben der Hauptfigur nachweisbar. Sigmund Romberg, aus Ungarn stammend, hat sein feines Gespür für Themen aus Europa mit nach Amerika genommen und die dortige Sehnsucht nach der „alten Welt“ verzuckert, was in die Nachkriegsdepressionen 1921 wohl wunderbar einschlug.

Die Inszenierung von Ingolf Huhn schließt an seine Entdeckung von Rombergs „Studentenprinz von Heidelberg“ (2013) an, nutzt Teile des Bühnenbildes mit Holzbalkonen und diesmal- Durchblicken auf alte Gemälde Wiener Häuser. (Bühne: Thilo Staudte). André Riemer als Schubert vom Opernhaus in Chemnitz, der ein beachtliches Rollenkonto und renommierte Gastspielorte verweisen kann, gab nicht nur eine glaubhafte Figur ab, sondern sang mit schönem lyrischem Tenor - ohne Affekte und Forcierungen die Schubertschen Melodien.

Dazu passten die drei Maderln des Hofjuweliers Kranz (Matthias Stefan Hildebrandt), Mitzi (Madelaine Vogt), Kitzi (Bridgette Brothers) und Fritzi (Anna Bineta Diouf), die sich ihre Bräutigame, entgegen dem Willen des Vaters, nicht nur selbst suchen, sondern diesem gar noch von Schuberts Freunden untergeschoben werden. Stimmen und Figürlichkeiten der drei jungen Damen waren schön zu hören und anzusehen. Madelaine Vogt dominiert die holde Weiblichkeit reizvoll im Spiel und manchmal etwas zu laut im Gesang und bekommt am Schluss ihren Baron Schober (Frank Unger). Der hat tatsächlich fast originale Schubert-Musik zu singen, die er, wie im Lied „Die Ungeduld“ unversehrt schubertianisch wiedergibt.

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Schuberts Freundeskreis, Johann Michael Vogel (Leander de Marel), Joseph Kupelwieser (László Varga), Moritz von Schwindt (Jason-Nandor Tomory) gaben eine aufgekratzte, lebenslustige, wohltönende Kulisse und das Wiener Volk (Chöre: Jens Olaf Buhrow) gab „Volkslieder“ zum Besten und Ländler zum mittanzen. Die Regie hat die Darsteller in ihren Stärken gewähren lassen, dadurch aber manche Längen erzeugt.

La Bellabruna (Bettina Grothkopf) sang ausdrucksvoll die emporgestiegene, intrigante Gattin des Grafen Scharntoff (Michael Junge, auch als schwarzer Geheimagent), der sich für viel Geld von Schubert eine geheimes Liebeslied bestellte, a la mysteriöser Auftraggeber wie bei Mozarts Requiem. Kleine Rollen waren gut besetzt wie Bettina Corthy-Hildebrandt als Frau Kranz, Anne Wolff als Schuberts volkstümliche Wirtin Frau Coburg und Moritz Häußler als biegsamer Piccolo. Intrigen, Duelle, die Liebeshoffnungen Schubert lösen sich schließlich auf im 3. Akt.

Die Unvollendete (tatsächlich!) hört der Komponist von Ferne und seine Liebesqual wurde wirklich vom Ave Marie umorgelt. Fehlte nur noch die amerikanische Hymne. Nichts hätte verwundert, wurden doch als Hommage an das amerikanische Original einige Songs in etwas verklemmtem Englisch gesungen. Zum Glück schwelgte das Auge in lieblichen Biedermeierkostümen von Erika Lust. Der Orchestergraben tat, was er konnte, den flotten Volkstümeleien Klang und Schubert ein wenig von seinem Recht zu geben. Großen Anteil daran, dass die volle Bühne meistens im Takt und Wohlklang blieb, sogar angenehmen Überschwang produzierte, hatte der junge Studienleiter Karl Friedrich Winter. Er erhielt vom 1. Kapellmeister Dieter Klug, krankheitsbedingt, Einstudierung und Gesamtverantwortung übertragen und hat seine Chance gemeistert.

Das Publikum war angetan und am etwas schnellen Schluss doch recht begeistert. Hören wir am Ende Franz Schubert selbst, der die Gefahren des gefühligen Innenlebens der Bürger kannte: „Die höchste Begeisterung hat zum Lächerlichen nur einen Schritt !“ Er selbst ist ihn nicht gegangen.

Eveline Figura
Weitere Vorstellungen: 21.3.,19.30 Uhr; 25.3., 1.4., 19 Uhr; 7.4.,20.4., 19.30 Uhr.
www.winterstein-theater.de , Tel.: 03733 1407-131