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THEATER ABC

 

 

Mai 2018

Pariser Flair auf dem englischen Lande

Die Premiere von Friedrich von Flotows „Martha“ geriet zu einem spritzigen
Höhepunkt am Ende der 125. Spielzeit des Eduard von Winterstein-Theater
Annaberg-Buchholz. Regie und Ensemble hatten offensichtlich gleichermaßen Spaß
an der schönen Musik und den fesch aufgemachten Handlungsläufen. Das Publikum
war amüsiert.

martha (Andere)Ein Mecklenburger Ritter von Flotow verortet sich in Paris und schreibt in der Atmosphäre von Henri de Toulous Lautrecs Moulin Rouge und Jaques Offenbachs Operetten komische Opern, die diesem Esprit standhalten! Die „Martha“ hatte 1847, einer Zeit, wo der Adel schon mal auf die Schippe genommen werden durfte, am Kärtnertor-Theater in Wien seine begeisternde Uraufführung. Da ist volksliedhafter Klang, Dramatik und Rhythmik, die dann sogar gelegentlich an die spätere verkaufte Braut von Smetana erinnern. Sollte dieser die „Martha“ gekannt haben?!

Die Regiesseurin Jasmin Solfahari aus Berlin hat gute Erfahrungen an großen Häusern und mit solchen Größen wie Harry Kupfer gesammelt. Man spürt die Stilsicherheit im Umgang mit der spätromantischen Materie. Sie beließ die Handlung in der Einheit von dem Ort Richmond in England, der damals aktuellen Zeit und entsprechender Ausstattung. Gerade deswegen gelang es, zusammen mit der Ausstattungsleiterin Christina Böcher, viel Heutiges zu platzieren.

Die unausgelasteten Landlady Harriett (Madelaine Vogt) und ihre
Vertraute ( Anna-Bineta Diouf) kommen auf die Idee, sich beim Mägdemark als solche zu
verdingen und das bindende Handgeld von dem reichen Pächter Plumkett (László Varga)
anzunehmen, bei dem sein Ziehbruder Lyonel (Frank Unger) lebt. Während sich beide
sofort in die kessen neuen Dienerinnen unsterblich verlieben, denken diese nicht an Pflicht
und Arbeit und verschwinden wieder unauffindbar.

martha2


Unterdessen erklingen die Vielzahl derbekannten wunderschönen Melodie, bei denen
es schon mal kräftig „pilchern“ darf. Die Sänger haben dennoch durchaus
fordernde Opernliteratur zu bewältigen. Madelaine Vogt
meistert ihre Kantilenen mit Inbrunst bis Todesverachtung und spielt die mal Spröde,
Überlegen, schließlich die Liebende mit gewohntem Esprit und bewegter Verrücktheit.
Anna-Bineta Diouf gelang die überzeugende Partnerin, ohne übertreffen zu wollen mit
schöner stimmlicher Beherrschung ihrer warmen Altstimme sowie sehenswerten
Körperlichkeiten. Die Herren waren eine Freude an sich. Frank Unger sang mit
wundervollen Tönen und toller Höhe die Partie des Lyonel. Auch wenn sich seine Stimme
mal kurz verabschiedete, tat das nichts seiner charmanten Ausstrahlung. László Varga
lebte sich mit kräftigen Material zwischen kräftiger Höhe bis in die Tiefen aus und fand
sich selbstverleugnend in seine leicht vertrottelte, gutmütige „Bauch“-Rolle hinein. Ebenso
Jason-Nandor Tomory als Lord Tristan, der hoffnungslos um die Gunst Harrietts buhlt.

Die Maske hatte ihm einen anderen Typ verpasst: grau und mit Bauch-Watteau sang er
schöne baritonale Weisen und charakterisierte die Figur überzeugend. Die Spielfreude der
Darsteller wurde herausgefordert durch originelle tänzerische Arrangement, z.B. des
Trinkliedes von Plumkett oder seines Duetts mit Nancy. Der Chor sang mit der
Verstärkung von Coruso e.V. kräftig (Leitung: Uwe Hanke) und ward ausgiebigst bewegt
und darstellerisch gefordert a la Felsensteinschen Musiktheaters. Dass dabei die
Aufmerksamkeit beim Mägdemarkt etwas vom Schöngesang Lyonels adsorbiert wurde, ist
Künstlerpech.

Das Orchester hatte wieder sehr viele Noten zu spielen. Der Beginn der
umfänglichen Ouvertüre war von GMD Naoshi Takahshi ausgefallen langsam
angegangen, mit manchmal sehr dünn klingenden Streicherpassagen,-wahrscheinlich sollte
die anschließende Langeweile auf dem englischen Lande illusstriert werden. Im zweiten
Teil wurde das schlafende Publikum jedoch dann von Donnerklängen geweckt.

Die Erzgebirgs Philharmonie hat jedoch danach ihre Wohlklänge entwickeln können und das
Publikum entdeckt, wie viele der Motive dieser Oper im Volke verwurzelt und bekannt
sind. Das alles spielte sich in einem multifunktionalem Bühnenbild ab. Eine sehr hohe,
geschwungene Treppe musste von den Stöckel-, Pantoffel- und Stiefel beschuhten Füßen
der Darsteller bewältigt werden und manch mitfühlende Seele im Zuschauerraum hätte
sich ein elegantes Geländer für diese halsbrecherischen Gänge gewünscht. Vielfarbige
Queen-Outfits, elegante Reitkostüme, dumpfe Bäuerlichkeit und verrückte Aussteiger-
Kleidchen brachten die Spielfreude zum Ende der Jubiläumssaison in Trapp. Der Abend
des 29.Mai 2018 bewies einmal mehr, dass die deutsche komische Oper viel zu bieten hat
und vielleicht auch bei von Flotow noch einiges aus der historischen Versenkung
gezaubert werden könnte. Allemal lohnend mit dieser Art einfallsreichem Regietheater.

Eveline Figura

Weiter Vorstellungen: 10.5.,19.30 Uhr; 6.5., 15 Uhr; 13.5., 19 Uhr.
Kontakt.: Tel.: 03733 1407 131,
www.winterstein-theater.de

Abb.: Theater Annaberg