LESERPOST
ÜBER UNS
IMPRESSUM
WERBEN

Gegründet 1807

www.annaberger.info

Wiedergegründet 2011

    POLITIK   WIRTSCHAFT   KULTUR   LOKALES   HISTORISCHES   STADTFÜHRER    WEIHNACHTEN    GASTRO

 

THEATER ABC

 

 

August 2018


Bühnenzigeuner und Strauß-Musik

Der letzte große Erfolg des Walzerkönigs Johann Strauß war „Der Zigeunerbaron“ und der hatte auf den Greifensteinen als letzte Premiere der Saison 2018 des Annaberger Theaters einen durchschlagenden Erfolg in der vollbesetzten Arena. Allerdings bekam das Publikum auch nicht den ursprünglichen Schmachtfetzen von 1885 vorgesetzt, der die Habsburger Monarchie verherrlichte, sondern eine klassische Operette, die wie auch die wirklichen Verhältnisse, einen logischen und historischen Läuterungsprozess durchmachen musste.

zigba6 (Andere)
Fotos: © Dirk Rückschloß/BUR-Werbung

Die ursprüngliche Erzählung stammte von Maurus (ung.: Mór) Jokái, der als patriotischer Ungar in seinen Romanen die Befreiungskriege gegen die Habsburger thematisierte, aber so, dass er selbst nicht in die Fänge der Zensur geriet. Im Verlauf der verschiedenen Aufführungspraxen von Wien über Budapest nach Berlin wurde die Handlung des „Zigeunerbarons“ nach dem 2. Weltkrieg als ungarische Nationaloperette etabliert und in Berlin, am Metropoltheater ab 1952, sogar noch 100 Jahre zurückversetzt in die Zeit des ungarischen Aufstandes gegen die Türken, der natürlich der österreichische Heerführer Prinz Eugen von Savoyen in der Schlacht von Belgrad vorstand. Damit wurde die Handlung nicht weniger rührselig, die Figuren aber volkstümlicher und der Spott konnte auf die Hofschranzen aus Wien abgewälzt werden, was der immer noch unterdrückten Volksseele Genugtuung verschaffte.

Zu allen Zeiten allerdings blieb das Bild der Zigeuner in der Doppelmonarchie und bis heute unwirklich romantisiert, moralisch überhöht und der Inhalt durch das Happyend als Wiener Schmachtfetzen präsent, der nur durch die Musik und die komischen Figurenzeichnung erträglich wurde. Zu Strauß ́Zeiten hatte allerdings die Zigeunermusik auch in Budapest und Wiens feinen Restaurants eine Strahlkraft entwickelt, die mit dem Csárdás auch dieseriöse Musik beeinflusste und erfasst hatte.

Das Ensemble unseres Theaters hat am Samstag, dem 11.8. 2018 wieder seine Qualität bewiesen. Die Handlung stellt den jungen, durch den langen Krieg verarmten Sándor Barinkay (Frank Unger) ins Zentrum. Er kehrt heim nach Ungarn und singt in höchsten Tönen vonseiner Weltenbummelei („Als flotter Geist hab ich die ganze Welt bereist...“), wo er als Gaukler sein Brot verdienen musste. Von der Kaiserin hat er seinen ruinierten Besitz zurück bekommen, nähert sich seinem reichen, dreisten Nachbarn und Schweinezüchter Zupán (László Varga) über die Verlobung mit dessen hübscher Tochter Arsena (Madelaine Vogt), die den Sohn ihrer Gouvernante (Marcus Sandmann) liebt und Barinkay ohne Adelstitel- nicht will.

zigbaron1


Die Zigeunerin Czipra (Anna Bineta Diouf, siehe Foto) hat ihr Volk zusammengehalten, liest aus der Hand Barinkays sein Glück und prophezeit, dass er hier seinen Schatz fände. Den gleich doppelt in Gestalt der hübschen Saffi (Bettina Grothkopf) und der vergrabenen Schätze seines Vaters. Die Zigeuner wählen Barinkay zu ihrem Wojwoden, doch als Zigeuner-Baron ist er von Zuppan, dessen Tochter und dem Wiener Sittenwächter Conte Canero (Michael Junge) nicht akzeptiert. Saffi stellt sich nun noch als Tochter des ehemaligen Paschas als Fürstenkind heraus, was Barinkay zurück weich lässt. Er geht mit anderen in die letzte Schlacht für König und Vaterland und kehrt natürlich siegreich, geadelt und belohnt zurück, um seine Saffi in die Arme zu schließen

Die herrliche Musik von Strauß zwischen ungarischen Klängen, Wiener Walzer und Märschen wie der bekannte, nach Rákóczi benannte, stellt hohe Ansprüche. Die Tonaufnahmen der Erzgebirgsphilharmonie Aue (Leitung und Abenddirigat: Dieter Klug) und die Choreinspielungen (Leitung: Jens Olaf Buhrow) waren von temperament- und kraftvoller Harmonik, wenn auch manchmal etwas zu laut für die Sänger eingespielt. Die besondere Rhythmik, gefühlvolle Arien, temperamentvolles Spiel fordern insbesondere die Sänger mindestens wie in einer Oper. Bettina Grothkopf gelang es wieder bis in die Höhen die Wärme des Klangs als Ausdruck von Emotionen zu gestalten. An der Seite unseres leidernach elf Jahren bald nach Freiberg scheidende Tenors Frank Unger gelang durch seine strahlende Höhe und Beweglichkeit eine überzeugende Paar-Leistung.

Viele Gefahren, die durch zuviel Schmalz in Handlung und Musik heute leicht lächerlich wirken, gelang es amüsant zu umschiffen. Daran beteiligt war durch robustes Spiel und kräftiges Organ László Varga als Zupán; ganz unerreicht dabei sein originaler „Akcentus“ insbesondere bei den herrlichen Kuplés mit Texten von Ignaz Schnitzer. „Ja, der Krieg war a Graus, gottseidank, das er aus...“!

Die bezaubernde Überraschung des Abends war das Spiel und die schöne warme Stimmführung unserer jungen Mezzosopranistin Anna Bineta Diouf als „alte“, viel zu jung gestylte Zigeunerin Csipra. Die Sängerin hat durch die vielen Rollen in ihrer ersten Spielzeit (zuletzt die Carmen auf den Greifensteinen) merklich an Sicherheit und stimmlicher Ausgeglichenheit gewonnen. Madelaine Vogt gab die verwöhnte Tochter des reichen Zupáns als reichlich zickiges Wesen, spiel- und kletterintensiv zusammen mit ihrem Schamstrich Ottokar (Marcus Sandmann), dem man seine Edelknödel im Halse mit Sympathiepunkten verzeiht. Beide als Buffo-Paar immer überzeugend, wobei manche Töne in Höhe und Exaktheit daran glauben mussten.

Der Spielkönig des Abends war der Canero von Michael Junge, der den königlichen Kommissär als frigide, unbelehrbare Hofschranze spielte und sang. Immerhin hörte man manchen Ton aus guten alten Zeiten! An seiner Seite: die nach 20 Jahren Krieg wieder gefundene Gattin Mirabella (Bettina Corthy-Hildebrandt) gewohnt passable Erscheinung, agil und angenehm singend. Den großen Auftritt ließ sich wiederum Jason-Nandor Tomory als spielentscheidende Figur des Grafen Homonay nicht nehmen. Ständig dominant, wurde dem Bariton aber manche Tanzfigur in der sängerischen Höhe zum Knick. Ja, manchmal muss man eben Prioritäten setzen und auch mal inne halten können.

zigba5 (Andere)


Olaf Kaden als unverzichtbarer Sommerkleindarsteller durfte singend zur Arbeit rufen. Dafür, dass er das nicht kann, hat er es sehr gut gemacht. Das Extraballett (Choreographie: Sigrun Kressmann) brachte die Bühne in Bewegung. Manche der Armverrenkungen erinnerten eher an Ägypten als an Zigeunertänze und aucham Csárdás muss noch gefeilt werden. Der Chor aus der Konserve klang nicht schlecht,aber das Playback ging im Spiel unter. Dafür waren die Kammerzofen sehr hübsch.

Tamara Korber hat als Regisseurin das Ensemble auf der Felsenbühne gut verteilt, dieHauptdarsteller sich entfalten lassen, hübsche Details inszeniert und die Buffos zu wenig gebremst. Robert Schrag (Ausstattung) hat viele Kostüme aus dem Fundus nehmen können; die reichen Damen waren für das Landleben dennoch overdressed, Zupáns Bauch hatte im Krieg zugenommen. Die Kammerkätzchen war eine Augenweide. Die beste Idee waren Zuppáns kleine, aufgeblasenen Schweinchen. Schlossruine und Kastell gaben ausreichende Situationszeichnung, dazu vom Reiterhof Kahl wieder Pferde und Kutsche. Das Wetter- ein Traum. Was will man mehr zur letzten Premiere auf der schönsten Felsenbühne?!

Eveline Figura

Nächste Vorstellungen: 15./22./26./29.8. und 1.9.2018, - alle 15 Uhr
Tel.: 03733 1407 131
www.winterstein-theater.de