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THEATER ABC

 

 

Januar 2020


Der Rotwein war Schuld

Ein fulminate Opernpremiere stand am 19.1.2020 an. Der berühmte „Liebestrank“ von Gaetano Donizetti hatte am Winterstein-Theater in Annaberg umjubelte Premiere. Das Gesangsensemble zeigte Potenzen und Grenzen, aber auch, dass es in der Gesamtwirkung sogar mit großen Bühnen mitglänzen kann.

liebestrank (Andere)Endlich wieder einmal Oper. Singen können ja heutzutage fast alle, auch Schauspieler und die, die es nicht können, tun`s trotzdem; genauso selbstbewusst wie die mit Sprach- und Lispelfehlern Schauspieler werden. Also am Sonntag, dem 19.Januar 2020 hatte große Oper am Eduard-von Winterstein-Theater Premiere. Gaetano Donizettis Supererfolg über Zeiten und Bühnen „Der Liebestrank“, -uraufgeführt 1832 in Mailand – nicht an der Scala, dort aber sehr wohl als Übererfolg wahrgenommen, kam vor´s Publikum.

Als Komische Oper darf diese gut und gerne als Volksoper gelten, spielt sie doch seinerzeit auf der Bühne in einem italienischen Dorf, so wie es vor der Haustür von Mailand real zu finden war, genauso wie einfache Bauernburschen sich in reiche Erbinnen verguckten und diese höchst selten heiraten durften. Das Libretto von dem bewährten Donizetti-Partner Felice Romani (-auch u.a. „Anna Bolena“), hatte das heimatliche Milieu in sich und sein Werk verinnerlicht und mit Donizettis temperamentvoller Musik zu einem italienischem Heimspiel gemachte.

Fotos: Dirk Rückschloß, BUR-Werbung

Nicht so in Annaberg. Die Oper konnte auch auf dem Mond spielen, ohne dass man Kostüme und Bühnenbild (Ausstattung: Kristina Böcher)  hätte wechseln müssen. Dennoch oder deshalb boten beides viel Spielraum und hatte Versatzstücke für Tändeleien der Sänger-Darsteller und den bewegten Chor. Nach dem Eingangsakkord, den GMD Naoshi Takahashi als Kanonenschuss der Erzgebirgs Philharmonie Aue inszeniert hatte, wurden dann auch die Begrüßungsgespräche und der Gerüchte-Austausch des Publikums eingestellt und der Chor (Jens Olaf Buhrow) war davon so beeindruckt, dass er dem Orchester eine paar Takte lang hinterher kleckerte.

Das Orchester spielte die herrliche italienische Musik mit viel Esprit und Wohlklang, manchmal „mit zu vielen Noten“? „Nein, genausoviel wie hinein gehörten!“, darf man eine Mozart-Episode kolportieren. Die Lautstärke war oft eine solche und nur, wenn man die Sänger im Ensemble in den Finals mit großen Bewegungen rudern sah, war es wieder einmal etwas zu laut. Nicht für die Hauptpersonen der Oper, Nemorino (Jason Lee), ein armer, naiver Bauernbursche, der unglücklich in Adina (Madelaine Vogt) verliebt ist und mit Hilfe eines sich endlich als Rotwein entpuppenden Zaubertranks freischwimmt.

liebestrank2 (Andere)


Der große „Zampano“ ist Dulcamara (László Varga), ein reisender Quacksalber, Wunderdoktor, Heilpraktiker, der als gefallener Engel mit schwarzen Flügeln und Hörnern sein Geld macht und eigentlich zu liebenswürdig und charmant gegen sein Outfit anspielte. Gestört wird Nimorino bei seinen vorsichtigen Liebensglühn um Adina nur von Belcore (Jason-Nandor Tomory), dem äußerst aggressiv daher kommenden Sergeanten einer ominösen Militärtruppe .(Wo, um gotteswillen, hatten die ihre Stahlhelme her?).

Die Inszenierung (Birgit Eckenweber) folgt logisch der undefinierbaren Ausstattung. Die Regisseurin stilisiert die Typen so stark, dass von Logik und Gefühl, geschweige italienischem Dorf ! kaum die Rede mehr sein konnte. Belcore betatscht, bespringt, schleppt Adina durch die Gegend um seinem Besitzanspruch auch mittels Maschinenpistole deutlich zu machen. Und diese Kühle, Eitle, Undurchdringliche will ihn sogar heiraten. Nur Nimorino bleibt ein einfacher Mensch, der trotz allem sein Ziel weiter verfolgt, sehr naiv und auf den „Liebenstrank“ setzend. Aber Jason Lee hat mit dieser Rolle seiner steten gesangliche Entwicklung an unserem Theater die  vorläufige Krone aufgesetzt: Sein junger lyrischer Tenor fleht, leidet, schwankt und jubelt in den höchsten, und vor allem im Belcanto vorgetragenen Tönen. Und wer noch zweifelte an seiner Liebe zu Adina, konnte diese hören in der berühmtesten Arie „Una furtiva lagrima“, die der Meister Donizetti dramaturgisch als Höhepunkt einsetzte und die von unserem Tenor glänzend gestaltet als solcher interpretiert wurde,- unterstützt vom feinsinnig dirigierten und spielenden Klangkörper und von der Lichtregie. Der Sänger stand hier wirklich einmal im Mittelpunkt.

Den nächsten solchen nahm sich denn auch fast durch die ganze Handlung der Spielemacher des Abends, der Dulcamara des László Varga. Raum greifend quirlte er  mit einem gut gekühlten Rollkoffer durch Szene und Volk, überzeugend in Gestik und vor allem durch seine ausgeruhte Bassstimme, die es mühelos auch in schöne baritonale Höhe trieb. So überzeugend spielte er den durchtriebenen Dummenfänger genauso wie den verständnisvollen Kreditgeber für Nemorino, dem er einen Rotwein als Liebestrank andreht. Ja, der Glaube versetzt Berge. Die zu Recht beklatschten Schmankerl des Abends waren denn auch die exzellent artikulierten Duette zwischen den beiden in Schnellsprache  zwischen Nemorino-Lee (gebürtiger Amerikano-Koreaner) und  Dulcamar-Varga (gebürtiger Ungar). Man verstand trotz bewegtem Spiel jedes Wort der witzigen Texte. Bravo!

Daran anknüpfend gelang es Jason-Nandor Tomory als Belcore, den hyperaktiven Sergeanten, in seinem Übereifer zu geben. Seinem Rollen-Namen, der soviel wie „schöne Farbe“ bedeutet, gelang es ihm, stimmlich nur partiell gerecht zu werden. Schöne Baritontöne wechselten mit überanstrengten Forcierungen und Höhen ab. Ironisierender Feingesang, den er auch beherrschen dürfte, wäre vielleicht abwechslungsreiche Alternative gewesen. Die Adina der Madelaine Vogt war eine an Kraft intensive Abendleistung. Das nicht nur, weil sie durchgängig agieren musste, sondern auch wegen der gewohnten körperlichen Aktivität.

liebestrank3 (Andere)


Aber am meisten war das durch die Anstrengung in ihrem Gesang. Donizetti verlangt einen beweglichen, leicht ansprechenden Koloratursopran, der viele Höhen, Läufe, Kadenzen und vor allem viel Gefühl über die Rampe bringen muss. Frau Vogt meisterte die Aufgabe mit Selbstdisziplin und trainierter Schule. Die Leichtigkeit der Partie war nicht ihre Sache; mit Kraft zog sie Läufe in allzu spitze, ja wiederholt schrille Höhen, was in den Duetten und Ensembles zuweilen sogar störte. Die Überlegenheit, die Grazie der Figur gelang ihr im Spiel, dabei gekleidet wie ein schillerndes Püppchen;  in den Liebesbeteuerungen blieb vieles leider verbal. Der Chor, verstärkt durch die Freie Chorvereinigung Coruso und den Extrachor glich vieles aus mit männlicher Kraft und  insbesondere die Frauen gaben herrliche Bilder von Temperament, Geschwätzigkeit und Liebesbedürfnis. Wenn die Texte des Gesungenen noch besser verständlich sein würden, hätten die Zuschauer mehr Einblicke in die Volksseele des Stückes erfreut. Die Gianetta der Bridgette Brothers hatte stimmlich und spielerisch reizende Szene. Im Quartett mit den singenden Hauptakteuren wäre deren leichte Zurückhaltung, das Aufeinanderhören, eine musikalische Geste von Kollegialität und  Musikalität gewesen.

Auch ohne den allzu lauten Beifallsbekundungen durch spezielle Theaterfreunde und Kollegenwar das Publikum von Einzelleistungen und Gesamteindruck der Musik begeistert. Besuche an großen Bühnen in Sachsen in letzter Zeit, AW“ berichtete von „Fledermäusen“  und „Verkauften Bräuten“ in Chemnitz und Dresden und dem z.T. ´dünnen Wassern´, mit dem diese Bühnen zuweilen ihren Kaffee kochen.

Möge die Theaterleitung in nächster Zeit ein feines Händchen für Neuengagements aus dem Fundus junger Sänger beweisen. Darauf darf man dann auch einen guten Rotwein trinken.

Eveline Figura


Nächste Termine: 22.1.; 8.2.2020, 19.30 Uhr; 23.2., 15 Uhr; 1./8.3., 19 Uhr; 20.3., 19.30 Uhr;
Kontakte: www.winterstein-theater.de; service@winterstein-theater.de;
Tel.: 03733-1407 130