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Sachsen kann auch anders!

Mit dem Stück „Metropolis“ stellt das Schauspiel Leipzig Fragen nach dem Verhältnis von Mensch und Maschine,
- oder danach, wie künstlich Menschen sein müssen, um friedlich und gerecht miteinander weltweit umzugehen?
Das Aufzeigen der Kluft zwischen politischen Verantwortungsträgern und dem Rest der Gesellschaft wird zwar zeitlos, aber dadurch um so aktueller thematisiert. Eine enorm berührende, mitunter verstörende und überaus nachhaltige Inszenierung.
Leipzig 1 (Andere)
Als die “besorgten” Kleinbürger gemeinsam mit dem primitivsten Mob unseres sächsischen Gemeinwesens in erzgebirgischen Orten gegen Ausländer mobil machten, die für sie vorgesehene Bleiben anzündeten sowie den Brandstiftern biedermännisch und unverholen applaudierten, ging fast zeitgleich in Leipzig ein überaus nachdenkliches Stück über die Bühne, das in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts erst als Buch und dann als weltberühmter Film von Fritz Lang international Geschichte geschrieben hat.
In der großartigen Regie von Claudia Bauer wurde es nun für die Bühne am Schauspiel Leipzig inszeniert und vom überwiegend jungen Publikum in stets ausverkauften Sälen mit begeisterter Betroffenheit aufgenommen. Leipzig 2 (Andere)1
Die Widersprüche in der kapitalistischen Gesellschaft zwischen oben und unten, reich und arm, der Luxus der Oberschicht und das Schuften des Prekariats zum Erhalt des Reichtums für ganz wenige, werden in fiktiven Szenen, in Entfremdungszenarien, aber auch in berührenden Liebes- und generativen Abhängigkeitsszenen dargestellt.
Den hervorragend agierenden Darstellern wie Florian Steffens (Freder Fredersen), Michael Pempelforth (Joh Fredersen), Julia Preuß (Maria/Futura), Markus Lerch (Rotwang) oder Roman Kanonik als Georgi sowie einer großen Anzahl Kleindarstellern (Arbeiter/Kinder) gelingt es, die Entfremdung des Menschen von der Arbeitswelt und die damit auch einhergehende Kluft zwischen Politik und Gesellschaft deutlich zu machen.
Die visuellen Vorgaben des Films vom 1925 auf die Bühne zu übertragen, war eine enorme Herausforderung für die gesamte Technik des Hauses, die durch unmittelbare Videoeinspielungen, Musikeinblendungen, Computeranimationen sowie einem multifunktionales Bühnenbild mit futuristischen Kostümen (Bühne: Andreas Auerbach, Kostüme: Patricia Talecko) das konzentrierte Geschehen auf der Bühne kongenial zur emotionalen und nachhaltigen Wirkung brachte.
Eine überaus empfehlenswerte Inszenierung, die mit der Aufdeckung von Widersprüchen in einer scheinbar zeitlosen Metapher vielfach die Ursache und die Wurzel für aktuelles Verhalten von größeren Menschengruppen – auch im Bezug auf die aktuellsten Ereignisse im Sachsenland – bloßlegt und zur Aufklärung per Diskussion beiträgt. Leipzig Schauspiel (Andere)

Am Portal des Leipziger Schauspielhauses bezieht das Ensemble Position, indem es ein Zitat aus Goethes „West-östlicher Divan“ auf einem Transparent zeigt, das unmittelbaren Bezug zum Geschehen auf der Bühne und in unserem Land herstellt, obwohl es über zweihundert Jahre alt ist und von einem stammt, der eben nicht nur den mit aufgeklärtem Gedankengut durchsetzten, aber von so manchem bis heute nicht so verstandenen „Osterspaziergang“ geschrieben hat: „Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.“ Und weiter heißt es bei Goethe 1819: „Sei ein Freund der Fremden und Reisenden, denn sie sind als Mittel eines guten Rufs zu betrachten; sei gastfrei, schätze die Vorüberziehenden, hüte dich, ungerecht gegen sie zu sein. Wer diesen Rat des Gesandten befolgt, wird gewiß Vorteil davon ziehen.“
Das Stück „Metropolis“ ist somit auch im Goetschen Sinne zutiefst dem Humanismus verpflichtet. Einem Gut, das derzeit – nicht nur in Sachsen, aber dort besonders – in bestimmten Kreisen Mangelware zu sein scheint. Bei Menschen also, die dieses Stück vermutlich nie erreichen wird. Die jüngere, nachfolgende, gescheitere, lernfähigere Generation, wie sie nicht nur das Schauspielhaus in Leipzig bevölkert, aber schon. Der Besuch von „Metropolis“ im Leipziger Schauspiel hat auch diesbezüglich Hoffnung angereichert... - und gezeigt, dass Sachsen auch ganz anders kann.

g.b.s.