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Er bekommt, was er verdient!

Die Premiere von „Don Pasquale“ am Annaberger Theater war als Pranger für alte Egos gedacht und gelang – mit wiedermal viel zu lauter Musik – als bitterböser Spaß weiblicher Dominanz mitten im bunten Altersschwachsinn.
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Warum eine Musiktheater-Premiere am 24. April 2016 nicht ganz ausverkauft war, kann viele Gründe haben. Zwei davon möglicherweise: Wegen der Winterstürme am Premierenabend oder auch wegen der kontraproduktiven Vorankündigung in der Regionalpresse, dass Donizettis opera buffa „Don Pasquale“ unter alten Leute in Rollstühlen spiele...?!
Wie auch immer: Die Aufführung unter der phantasievollen Regie der vielbeschäftigten jungen Susanne Knapp geriet zu einer effektvollen Persiflage der nur in kurzer Zeit (1842/UA1943) niedergeschriebenen Meisteroper Donizettis.
Das Thema war seinerzeit auch schon nicht mehr neu. Bereits bei Boccaccio und Molière war die Figur des alten, reichen, geizigen Grämlings ausgeschlachtet und belacht worden. László Varga spielt den Don Pasquale innerhalb der bekannten Klischees, aber dennoch so überzogen, dass es nicht selten zu tragisch-komischen Momenten kommt. Alle sind gegen ihn und das aus guten Gründen. Dem Liebespaar Norina (Madeleine Vogt) und Pasquales Neffen Ernesto (Frank Unger) verweigert er Heirat und Vermögen. „Freund“ und Arzt Malatesta (Jason-Nandor Tomory) verhilft der Situation zum Fortgang, indem er seine angebliche Schwester, natürlich die verkleidete Norina, dem Pasquale als junge, naive und lenkbare Braut vorstellt. Fingierter Ehevertrag (Leander de Marel als Notar). Heraus kommt ein unvergleichlich böswilliger Hausdrachen, der Pasquales Geld und letzte Lebenskraft zum Fenster heraus wirft, im wahrsten Sinne des Wortes. Regie und Bühnenbild/Ausstattung (endlich mal wieder: Wolfgang Clausnitzer) haben nicht nur in solchen Szenen enorm gut zusammen gearbeitet.Don_Pasquale_GP-118 (Andere)
Don Pasquale sitzt im Rollstuhl, aus dem er sich nach und nach herausarbeitet, in einem Altenheim voller lebenswütiger Alter, die den Jungen ihr Leben abschauen und nachahmen, aufschminken und nachtanzen. Spaßig Kleinszenen von Chor und Kleindarstellern (u.a. Annemarie Wolff, Monika Oberberg und Peter Wolf) „rauben“ den Sängern gar manchmal die volle Aufmerksamkeit. Das Bühnenbild ist ein graubetoniger Rundbau mit Schwingtür und für Rollatoren schwer zu überwindender Stufe. Fenster gibt es wie in einer Festung nur ganz oben, und so hat Ernesto es schwer, Norina zu sehen, seine Klamotten und Koffer zu ordern und dem Ganzen überhaupt beizukommen. Frank Unger erledigt das mit Angst machenden akrobatischen Überkopfverrenkungen und daneben, manchmal auch dabei, sehr anhörbaren höchsten Tönen in Kanzonen und Kanzonetten. Donizetti hat ihm und den anderen Sängern nämlich tolle Melodien komponiert, die im inszenierten Tohuwabohu auf der Bühne und dem viel zu oft „Tutti“ dirigiertem Orchester (Erzgebirgische Philharmonie Aue unter GMD Naoshi Takahashi) verklangen. Selbst im Finale vor der Pause sangen sich die kräftigen Stimmen der Solisten wund gegen den großen und wohl gestimmten Instrumentalkörper. Donizetti hat in seiner Zeit aufkommender Maschinisierung, Eisenbahn und tonstarker Konkurrenz auf der Opernbühne zwar musikalisch Vollgas gegeben, aber dennoch hat dabei das Orchester Wohlklang und Akzente - auch in dosierter Drosselung – beizubehalten. Und das auch im Interesse der zu begleitenden Sänger, des bewegten Chores (Uwe Hanke) - und vor allem des Publikums! So waren dann auch viel zu oft die Texte leider nicht nur wegen der mangelnden Konsonantenbeherrschung nicht zu verstehen, sondern auch wegen der unangepassten Lautstärke und mitunter zu raschen Tempi aus dem Orchestergraben.Don_Pasquale_GP-398 (Andere)
 
Das Publikum entschädigte sich dann gerne an dem optischen und spielerischen Feuerwerk, das Kostüme und Figurenzeichnung (z.B.: Nadin Dobbriner als schwarz-weiße alte Gouvernate) hervorbrachten. Die Norina/Sofronia der Madeleine Vogt schoss dabei so den Vogel ab, dass man sich fragte, warum Ernesto beim Happyend nicht ahnen kann, was ihm später blüht. Die agile Vogt stöckelt in reizvollen Kostümen auf Pasquales Nerven, Geldbeuteln, rollenden Tischlein und singt dabei beachtliche Koloraturen und wohlklingende Kadenzen, die manche Vereinfachungen und oben genannte Unhörbarkeiten auszuhalten hatten. Beim Duett Frank Unger mit Madelaine Vogt erlebte das Publikum dann, wie schön im „Fenster der zweiten Welt“ gesungene Liebe sein kann. László Varga gab seinem Don Pasquale eine verfallene Gestalt, ausgefallene Haare (Bravo der Maskenbildnerei!), unbegründeten Liebesoptimismus, aber immerhin so viel Kraft und Wut in der voluminösen Stimme, die man dem alten Zausel gar nicht zutrauen konnte. Tomorys spielfreudiger Arzt Malatesta ist der genießende Intrigant im Klischee des Schwestern (Juliane Roscher-Zücker) vernaschenden Dandys. Seine Des-Dur-Eingangsarie im 1. Akt „ Schön wie ein holder Engel...“ (Bella siccome un angelo), mit der er seine angebliche Schwester dem Pasquale anpreist, hätte er durchaus mit etwas mehr Empathie und Überzeugung geben könne, welche sich allerdings dann im Laufe des Abends erfreulicherweise wohlklingend einstellte. Im übervollen Einfallreichtum des Abends sind dem Publikum sicher nicht alle Verweise und Metaphern aufgegangen, nicht jede Todesahnung hat erschreckt, die meisten Frechheiten aber haben erheitert. Und so kann sich das Annaberger und auswärtige Publikum auf einen amüsanten Abend mit jungen spielfreudigen Sängern und alter Vergnügungssucht freuen. Das Leben hat viel zu bieten - und das Theater bleibt seine Schule!

Eine Überraschung hatte das Theater dann noch parat - allerdings nur für das Publikum: Auf Handzetteln waren im Foyer die „Vorstellungen für den Premierenring in der Spielzeit 2016/2017“ zu erfahren. Erfahren hatten von der offensichtlich schon beschlossenen Spielplan-Entscheidung des Hauses allerdings bis zu diesem Überraschungsabend weder das Schauspiel- noch Musiktheater-Ensemble, weder der Theaterförderverein und schon gar nicht die Presse – warum auch?!
So kann also aus „Der Schaubühne als moralische Anstalt“ (Schiller) mitgeteilt werden, dass sich Darsteller und Publikum u.a. auf folgende Inszenierungen freuen dürfen: „Chaleys Tante“, „Der Wildschütz“, „Die Physiker“, „Saison in Salzburg“, „Sonnenallee“, „Madame Butterfly“, „Das Ballhaus“ und „Ein Hauch von Venus“.

E. Figura

Weitere Vorstellungen: 27./30.4.19.30 Uhr; 15.5., 19 Uhr
und natürlich in der nächsten Spielzeit!
Fotos: Rückschloß/BUR/Theater