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Musikalisches Lebensgefühl

Erfolgreiche Premiere der dritten Schlager-Revue-Staffel „Lollipop forever“ am Annaberger Theater unterhielt ein die Generationen übergreifendes PublikumLollipop_HP2-011

Es ist die dritte „Staffel“ nach den Schlager-Revuen von 2007 und 2010, die das Schauspiel-Ensemble des Eduard von Winterstein Theaters am vergangenen Sonntag zur Premiere brachte. Aber diesmal wurde nicht nach einer vorhandene Vorlage gesungen, gebackroundet, getanzt und gespielt, sondern nach einer eigens fürs Haus kreierten Handlung, Song- und Hit-Zusammenstellung und musikalischen Arrangements unter der Leitung von Bandleader und Keyboarder Rudolf Hild neu geschöpft. Der musikalische Leiter steckt bereits so tief in der Geschichte der „Lollipops“, dass wohl auch diesmal deren Höhenflug geschafft werden konnte. Es wurde gleich atmosphärisch klar, und das anhand der Publikumsrekationen von Anfang an, dass generationsübergreifende Glückshormone mit ausgeschüttet wurden. Die Älteren hatten sogar die Texte zum Mitsingen im Kopf, die sie an ihre Kät-Zeiten an der Schlickerbahn erinnerten, an Flirts und an erste Lieben. Die Jungen im Publikum erkennen die Evergreens der ganz großen Stars, Revivals ihrer heutigen Bands und vor allem: Was doch ihre „Alten“ für tolle Musik hören und diese noch richtig tanzen können durften!
Alles das war durch die sparsame und wirkungsvolle Ausstattung von Wolfgang Clausnitzer und die technische Mitwirkung des Regisseurs Jan Mixsa auf die groß wirkende Bühne mit viel Beinfreiheit gestellt. Schwarz glänzende Bahnen aus Förderbändern unterstützten die Wirkung der Farbscheinwerfer und performten die auf zweidrittel Höhe sitzendes Band, zu deren Füßen die außer Rand und Band geratenen sieben Schauspieler und eine Rocksängerin agieren. Die allerdings müssen zu ihren Tanzkreationen und Gesängen auch noch Dekoteile aus gestückelten, farbig geschminkten Lüftungsschächten mitbewegen und ständig zu neuen Kulissen gruppieren. Dadurch entsteht bewegter Raum und witzige Situationen, in denen die Raumstation Enterprise, Bars, Balkons, sitz- und betanztbare Ebenen entstehen.Lollipop_HP2-057
Der rote Faden heißt wiedermal Udo Prucha, der sich in Träumen an Tänze, Reisen, an Italien und Filme erinnert. Sich dort wiederfindet und mit einer erotischen Stimme von oben (Marie-Louise von Gottberg) kommuniziert. Die Themen-Bilder werden durch eine abwechslungs- und einfallsreiche Regie von Jan Mixsa in Gang gesetzt. Im Fortgang des Abends singt und tanzt Prucha sich selbst, - sympathisch-bärig als Identifikationsfigur. Schnelligkeit, zügig wechselnde Gruppierungen und viel Witz in der Darstellung lassen das Schauspieler-Ensemble funkeln. Unwichtig, ob dabei jeder perfekt singen kann oder nicht.
Tanzen können alle, und manche der Protagonisten wurden so in die vielfarbigen Ideen der Choreographin Sigrun Kressmann hineingezogen, wobei man sich wunderte, dass nichts Schlimme(ere)s passierte. Lollipop_HP2-046
Den ersten Vogel schoss Nenad Žanić gleich mit schwarzer Lockenperücke als „Boney M“-Tänzer unter seinen flippigen Mädels ab. Klar, ohne Parodie, Ironie oder Spiel geht es nicht. Das sind auch die wirklichen Pfunde des Abends, denn die reine Imitation einer Nummern-Schlager-Revue würde nur Gähnen produzieren, genau wie die technisch durchstylten TV-Shows sogenannter Stars, die ohne Geist nur sinnlose Berieselung und Massengeschmack bedienen. Nenad Žanić spielt, tanzt und singt beachtlich, setzt er doch seine wirklich gut sitzende, sonore Stimme gekonnt ein. Ebenso der Musical erprobte Sven Zinkan mit Chanson-Qualität und Eleganz, dank auch seiner langbeinigen Schlacksigkeit. So brilliert er mit Marie-Louise von Gottberg im Arm beim Tango genau so gut wie einzeln beim Rock`n Roll. Frau Gottberg überraschte sowieso nicht nur mit äußerst hübscher Ausstrahlung, sozusagen vom Kopf bis Zeh, sondern auch durch schauspielerisch zelebrierte Textbeherrschung, modulationsfähige Stimme und viel weiblichen Charme. Marie-Luis Pühlhorn hat sowieso vor nichts Respekt und agiert am liebsten in komischen Posen. Sie beherrscht gekonnt den erotischen Unterton, und so macht es auch nichts, wenn ihr „tee-age“ die englischen Texte etwas verlispelt.
Helene Aderhold ist der Floh „im Zirkus“. Sie singt, was ihr unter die Zähne kommt, oft gelingt das erstaunlich gefühlig, dann wieder mädchenhaft naiv. Aber bewegen kann sie sich enorm geschmeidig und sicher. Ihr Part im Pas de deux aus „Dirty dancing“ war sehr wirkungsvoll.
Die Rock-Röhre des Abends ist Elisabeth Markstein a.G. (dem Publikum aus „Walpurgisnächte in Flammen“ noch in Erinnerung). Konzentrierte Stimmdynamik bei ihrer Version von Whitney Houstons „Bodyguard“-Song, viel Feeling in ihren anspruchsvollen Titeln.
Auch bei Robert Bittner dominiert der Spaß am Spiel gegenüber dem Ehrgeiz, die Originalstars übertreffen zu wollen. Oft erstaunlich wohlklingend gelangen die Backround- Chöre. Die Kostüme unterstützten reizvoll, farbig, stilsicher und bewegungsorientiert die Wirkung der Musik. Es klitzerte und funkelte figurbetont (Kostüme: ebenfalls Wolfgang Clausnitzer).
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Diese Revue ist durchaus auch eine Form des anspruchsvollen Musik-Theaters. Gerade durch das mitunter Unvollkommene mancher Elemente, kam Lockerheit über die Rampe mit viel Spaß am Detail. Die Persiflage feierte Urstände. Die Titel- und Bilderwechsel haben Pepp. Bravo dem Regisseur Jan Mixsa, der die Gruppen-Solo-Abwechslung, die Ruhepole, das Tempo sowie die Umbauaktionen lustvoll koordinierte.
Das Publikum war animiert und beklatschte kreuz und quer die in mehreren Sprachen gebotenen über 70 Titel (siehe Programmheft: Dramaturgie - Silvia Giese). Dass man dabei die Texte nicht vollständig versteht und auch im Zuschauerraum mitgesungen wird, reproduziert die alten Zeiten, das Sich-Jung-Fühlens, die Lebensfreude. Dazu haben wesentlich die Band unter Rudolf Hild und Peggy Einfeldt (Einstudierung) ihren Anteil.
Die Gitarren-Soli (Hans-Peter Marx/Andreas Gemeinhardt), die „Schießbude“ (Bob Korward), das Saxophon sowie Klarinette u.a. (Ronny Wiese) oder Hartmut Pohles Trompete seien nur stellvertretend für einen inspirierten musikalischen Abend der unterschiedlichsten Stilelemente hervorgehoben und gewürdigt.
Der Revue wird ihr gut unterhaltenes Publikum quer durch die Generationen finden.

Eveline Figura

Nächste Vorstellungen: 19.2.,19.30 Uhr, 23.2., 19 Uhr