LESERPOST
ÜBER UNS
IMPRESSUM
WERBEN

Gegründet 1807

www.annaberger.info

Wiedergegründet 2011

    POLITIK   WIRTSCHAFT   KULTUR   LOKALES   HISTORISCHES   STADTFÜHRER    WEIHNACHTEN im Erzgebirge

 

THEATER ABC

 

 


 

Musikfest Erzgebirge

Stehende Ovationen für „Paulus“ in Schneeberg

Die verkürzte Aufführung des Oratoriums „Paulus“ von Felix Mendelssohn Bartholdy unter der umsichtigen und engagierten Leitung von Helmuth Rilling gestaltet sich zu einem musikalischen Ereignis von internationalem Rang, für das am Sonnabend in der Schneeberger St. Wolfgangskirche mit stehenden Ovationen gedankt wurde.

Die Meinung des zahlreiche erschienen Publikums am Sonnabend in der Schneeberger St. Wolfgangskirche war zunächst geteilt: Die einen waren der Auffassung, dass es sehr informativ gewesen ist, wie Maestro Helmuth Rilling, der Gründer der weltberühmten Gäschinger Kantorei und der Leiter des Bach-Collegium Stuttgart, den ersten Teil des Mendelssohn-Oratoriums „Paulus“ mit persönlichen Worten und kurzen musikalischen Beispielen nahezu eine Stunde lang vom Pult aus erläuterte. Andere wiederum meinten, dass sie sich dabei vorkamen wie früher in einem Schulkonzert, wo die Instrument vorgestellt und die zu empfindenden Inhalte des Werkes vorgegeben wurden. Schließlich – so die Meinungen anderer – müsse man große Kunst nicht erklären!
Rilling 1
Und es handelte sich am Sonnabend um ein großartiges Kunstwerk des damals erst 27 jährigen Komponisten, das die Kantoreien und Chöre des Erzgebirges (u.a. Kantorei St. Annen - Leitung KMD Matthias Süß -, Annaberg- Buchholz, Schwarzenberg, Stollberg), kongenial begleitet von der Erzgebirgischen Philharmonie Aue sowie international gefragten Solisten im Bergmannsdom von Schneeberg unter der einfühlsamen Leitung eines Nestors der internationalen Musikkultur, Helmuth Rilling, zum erklingen brachten.
Der gesamte künstlerische Apparat war enorm gefordert und sang sich mitunter bis an seine Grenzen heran. Klangschön, voluminös und sehr differenziert die Chöre, insbesondere in den Chorälen sowie in den Fugen und Doppelfugen. Selbst die Tenöre waren hier angenehm zu vernehmen, was nicht immer der Fall ist und vermutlich auf Nachwuchsmangel und/oder fehlender Stimmbildung zurückzuführen sein dürfte. Die Frauenchöre, durchsetzt mit viel jungen Stimmen (u.a. Chor des Ev. Gymnasiums Annaberg-Buchholz, Leitung Dr. Zwiener), strahlten auch noch in den höchsten Tönen, mit denen Mendelssohn in seinem opernhaften Werk keineswegs sparsam umgeht.
20140913_200048

Bei den Solisten ragte Lothar Odinius in der Partie des Stephanus mit seiner elegant geführten, sehr modulationsfähigen Tenorstimme heraus. Er beherrschte in den Rezitativen sowohl die Piano-Töne als auch die geforderte stimmliche Aggression, ohne in der strahlend-metallischen Höhe zu forcieren.
Diese Strahlkraft, dieses „Metall“ in der Stimme, hätte man sich beim Bass-Bariton Tobias Bernd – insbesondere in seiner Arie „Gott, sei mir gnädig“ - auch gewünscht. Dass diese Stimme diesbezüglich noch Reserven besitzt, kam dann in der zweiten Paulus-Arie „Ich danke dir Herr, mein Gott“ mit anschließendem Chor hörbar zum Ausdruck. Auch die Sopran-Arien und Rezitative wurden von Letizia Scherrer mit angenehmer Tongebung und geschmeidiger Stimmkraft in der Höhe interpretiert. Leider wird durch ihre vokalise Stimmführung, die meist zu Ungunsten der Konsonanten ausgeht, die Textverständlichkeit erschwert. Eine stimmlich und sprechtechnisch wohltuende Überraschung bot Julia Böhme mit ihrem wundervoll-anrührend gesungenen Rezitativ und Alt-Arioso „Doch der Herr vergisst der Seinen nicht“. Leider wird der Alt vom jungen Mendelssohn in seinem „Paulus“ nur stiefmütterlich behandelt, so dass diese wohltönende Stimme nur einmal zu hören war...
Allerdings war zu erwarten, dass sich ein ausgewiesener Mendelssohn-Kenner wie Helmut Rilling das Finale aus dem zweiten Teil dieses lichtdurchfluteten Werkes, diesen Höhepunkt der Saulus- zur Paulus-Werdung, diesen anspruchsvollen musikalischen und inhaltlichen Schritt aus der Finsternis zum Licht nicht entgehen lassen wird.
Und so kam es dann auch, dass er nach dem Sopran-Rezitativ „Und wenn er gleich geopfert wird“ den phänomenalen Schlusschor mit strahlenden D-Dur-Ausklang folgen lies.
Ein großes, nachhaltiges und sehr lebendiges Werk in einer meisterlichen Interpretation war als zweites Konzert im Rahmen des diesjährigen Musikfest Erzgebirge hier im ansonsten recht verschlafenen Schneeberg zu erleben.
Eine überaus gelungene Veranstaltung, der man insgesamt durchaus auch stehend applaudieren kann.

red.

Programm des Musikfestes Erzgebirge