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Köselitz in Brasilien

Prof. Fernando Rodrigues de M. Barros von der Universität São Paulo (Universidade de São Paulo, República Federativa do Brasil) weilte auf private Einladung des Autors zu einem Studienaufenthalt in Annaberg, um sich vom Geburtsort Heinrich Köselitz (Peter Gast) für seine weiteren Forschungen und eine umfangreiche Arbeit inspirieren zu lassen sowie sich über die hiesige Köselitz-Rezeption zu informieren.Prof. Fernando (Andere)

Der Philosophie-Professor aus der größten Stadt Brasiliens São Paulo (11 Millionen Einwohner) hat dort einen Lehrstuhl für Deutsche Philosophiegeschichte des 19. Jahrhunderts inne. Seine Spezialdisziplin ist dabei Friedrich Nietzsche und dessen Umfeld. Da bekanntlich Heinrich Köselitz (alias Peter Gast) der Schriftsteller und Komponist aus Annaberg über Jahrzehnte quasi die „rechte Hand“ des bedeutenden deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche war, hat sich der brasilianische Wissenschaftler auch mit Peter Gast beschäftigt.
Über das Internet wurde er mit bisher unbekannten Texten und Einschätzungen zu Peter Gast im ANNABERGER WOCHENBLATT bekannt und erfuhr dort auch vom „Köselitz-Projekt“, jener umfangreichen Biographie über die gesamte Familie Köselitz, die im Auftrag der Stadt von Gotthard B. Schicker derzeit geschrieben wird.
In zahlreichen Gesprächen mit dem Autor konnte dem Gast aus Brasilien, der derzeit zu einem Studienaufenthalt an der Freiburger Universität weilt, der aktuelle Forschungsstand in Deutschland und der Schweiz zu Köselitz vermittelt werden. Dabei wurde auch deutlich, dass das Interesse an der Familie Köselitz, insbesondere an Peter Gast, in Lateinamerika überraschend groß ist. Das dürfte auch daran liegen, dass allein in Brasilien an die zwei Millionen Menschen in der deutschen Sprache kommunizieren und in zahlreichen Orten Deutsch als zweite Amtssprache gilt. Uni Brasil 1 (Andere)
Auch an der Universität von São Paulo (Foto, Teilansicht) werden Vorlesungen und Seminare in deutscher Sprache gegeben. Prof. Fernando Rodrigues de M. Barros (Foto: Am Köselitz-Haus) hat aber auch zahlreiche Texte und Briefe sowohl von Friedrich Nietzsche als auch von Peter Gast in das Portugiesische übersetzt und somit unseren ziemlich vergessenen Annaberger in Brasilien und darüber hinaus durch zahlreiche internationale Vorlesungen und Veröffentlichungen bekannt gemacht. Er trägt sich auch jetzt schon mit dem Gedanken, die hoffentlich 2016 vorliegende Köselitz-Familien-Biographie in die portugiesische Sprache zu übersetzen.
Seine Eindrücke von der Heimatstadt des Peter Gast waren insgesamt sehr positiv. Er bedauerte es allerdings, dass das ehemalige Wohnhaus der Familie am Köselitz-Platz nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und dort auch keine Gedenkstätte oder ein kleines Museum (mit Archiv) für den „international berühmten Sohn der Stadt“ - wie er sich ausdrückte – eingerichtet wurde.

Auch das erste Köselitz-Haus am Markt/Ecke Kleine Kirchgasse (ehem. Redaktion vom TAW) wird er in seinen Forschungsbericht über die Köselitz-Rezeption in Annaberg mit einbeziehen. Sehr angetan war er von der hölzernen Figur des Vaters von Peter Gast – Stadtrat Hermann Köselitz – die er in der Bergkirche fotografieren konnte (gesponsert von Johannes Proescholdt aus Offenbach, geschnitzt von Ronny Tschierske aus Frohnau).
Auch der Hinweis auf das verrenovierte ehemalige Café Central (dem heutigen „Schokoguschl“), in dem etliche Werke von Peter Gast entstanden sind bzw. Texte von Nietzsche bearbeitet wurden, stimmte nicht nur ihn recht nachdenklich.
Versöhnt hat dann wieder den weitgereisten Professor das bequeme Quartier und das typisch erzgebirgische Essen im Gasthaus „Zum Türmer“, wo er am Morgen mit der Häuerglocke geweckt wurde, die Peter Gast in einem langen Essay unter dem Pseudonym Peter Schlemihl 1890 im ANNABERGER WOCHENBLATT veröffentlicht hatte.
Dieser locus authenticus war für den einen dann nachhaltig beeindruckend, und für den anderen bleiben nachdenkliche Gedanken darüber zurück, warum man in Brasilien über diese Köselitze mehr weiß und von dort aus verbreitet, als das in seiner Heimatstadt geschieht...
Fernando versuchte damit zu relativieren indem er meinte: In Lateinamerika weiß man auch weniger über eine gewisse „Evita“, als das in Annaberg der Fall ist, wie er so vielen (Theater)-Plakaten entnehmen konnte... - und den Denkspruch vom „Propheten, der im eigenen Land nichts gilt“ hatte er auch in reinstem Deutsch parat!
Und Annaberg will er ab 3. August in seine Vorlesungen im fernen Brasilien umgehend einarbeiten und die „anheimelnd-gemütliche Stadt“ (Zitat) auf alle Fälle wieder besuchen.

P.S.: Der Autor der Köselitz-Familien-Biographie wurde für Anfang 2016 zu einer Tagung über das Thema "Der Fall Wagner" in die Universität von Fortaleza (Brasilien) eingeladen, um in Vorlesungen über den Forschungsstand Friedrich Nietzsche - Peter Gast zu referieren.

G.B.S.