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Noch bis zum 14.6.2015 ist die Ausstellung „EINBLICKE“ von Monika Oberberg im Erzhammer (Treppenhaus und Musikzimmer) zu sehen. Dr. Gabriele Lorenz konnte am Sonntag in einem übervoll besetzten Musikzimmer – bei wunderbarem Harfenklang und Geigenspiel - die sehenswerte Ausstellung eröffnen. Die von Eveline Schicker-Figura gesprochene Laudatio kann hier nachgelesen werden.
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AW-Foto:  Monika Oberberg, Heidlore Staub, Eveline Schicker-Figura (v.r.n.l.)
 

Laudatio von Eveline Schicker-Figura für Monika Oberbergs Ausstellung „Einblicke“- Filz-Pappe-Papier-Plastiken im Kulturzentrum „Erzhammer“ Annaberg-Buchholz anlässlich des 20jährigen Jubiläums ihrer Umsiedlung ins Erzgebirge (12.4.2015)

Liebe Erzgebirger, die Ihr Leben weitgehend hier verbrachten, liebe weit angereisten Gäste, die wegen unserer schönen Stadt und Umgebung oder sogar wegen der heutigen Vernissage hierher kamen, liebe Erzgebirger, die früher hier aufwuchsen, dann weit  weggegangen waren und die es stets zurückzieht,  für gelegentliche Kurzbesuche oder sogar wieder für immer und schließlich alle Neuerzgebirger, die erst seit Kurzem, oder  wie unsere heute ausstellende Künstlerin Monika Oberberg, nun schon fast 20 Jahre hier leben,  - liebe künstlerisch Tätige aus all diesen Kategorien!

All diese Gruppen von Menschen erlangen ständig die unterschiedlichsten Einblicke in unsere hiesige Welt und äußern sich darüber in Gesprächen, geben ihre Meinungen am runden – oder eckigen - Kneipentisch kund, publizieren manchmal in Medien, nehmen an Festen teil oder an Demos, um sich zu informieren und mitzuteilen. Vieles davon ist sehr flüchtig, provisorisch, oft spontan oder gar kontrovers. Ob4

Und so gibt es glücklicherweise unter uns welche, die ihr Verhältnis zur Umwelt in prägenden künstlerischen Formen festhalten, sich dabei von der lauten Welt in überlegtere, ruhigere Situationen bringen, die Natur und die Mitmenschen betrachten und spiegeln wollen:
- damit etwas in Erinnerung bleibt,
- im Bewusstsein gehalten wird,
- sich vergegenständlicht und wie heute hier auch
-  anderen gezeigt werden kann,
- die sich selbst dazu in Beziehung setzen
- ihre Meinung sagen
- anregen lassen, auch zum selbst Gestalten aufgerufen sind
- vielleicht ihre Heimat mit den Augen anderer kennenlernen
- hinschauen, wo sie Jahre- oder Jahrzehntelang einfach vorbei liefen.

So konnten Sie beim Eintreten in die Räume des Erzhammers, im Treppenhaus bis in den vierten Stock und hier im Musikzimmer schon erste „Einblicke“ , so der Titel der neuen Ausstellung, in die Vielfarbigkeit und Vielseitigkeit der Bilder, Kollagen und Plastiken der heute ausstellenden Monika Oberberg gewinnen.

Monika Oberberg darf sich wohl nach 20 Jahren gut gefüllten Lebens bei uns als Erzgebirgerin  bekennen. Ihr Sohn hat sich bei uns verwurzelt und ein Enkel ist entstanden. So ist man angekommen, ja eingemeindet.  Bereits von Angebinn ihres Hierseins hat Frau Oberberg gleich auch durch viele künstlerische Aktivitäten und daraus resultierende Freundschaften selbst Wurzeln geschlagen.
Geboren in Castrop-Rauxel, im sogenannten Ruhrpott, ist sie vertraut mit Menschen, die im Bergwerk arbeiteten, dort auch massenhaft ihre Arbeit verloren und gezwungen waren, in einer Großregion Strukturwandel über sich ergehen zu lassen. Gleichzeitig weiß sie aber auch alle Aktivitäten zu schätzen, die die Heimatregion nicht veröden lässt und wie Kultur Hoffnung vermitteln kann. Sie passte also gut zu uns und in unsere Bergbauregion als sie mit ihrem Mann, einem Rechtsanwalt, 1995 hierher kam. Während des Berufslebens als Chemielaborantin,  der Familiengründung und seit 1992 sogar als Altentherapeutin, war oft wenig Zeit, sich künstlerisch zu betätigen, dennoch tat sie es immer schon seit der Kindheit. Ob5
Ab 1981 begann sie sich dann verstärkt mit Aktzeichnen, Aquarellieren und Modellieren in Ton zu beschäftigen und war nicht zufrieden mit sich allein. Kunst ist ein soziales Medium, und so lernte sie in der Volkshochschule und in Kursen und Gastsemestern an der Universität Bochum  Gestaltungstechniken und auch Kunstgeschichte. Es ist eben schon wichtig, etwas über Ikonographie, das Lesen in den versteckten Zeichen der Meister zu wissen und auch anwenden zu können. Es überrascht deshalb nicht, dass sie in der alten Heimat in Herne, Bochum, Castrop-Rauxel, Dortmund, Wanne-Eickel und Recklinghausen bald ausstellte und auch schnell nach ihrem Hierherkommen in Annaberg, Scheibenberg und Jöhstadt Präsenz zeigte. Schon 1999 wurde sie Gründungsmitglied des Kunstkellers Annaberg. Weitere Ausstellungen- und Beteiligungen in der Tschechischen Republik folgten, dann auch wieder im Ruhrgebiet, auf dem Fichtelberg und in Olbernhau - und gegenwärtig auch im Atrium der Katholischen Pfarrei in Annaberg.

Der Titel ihrer heutigen Ausstellung stapelt ziemlich tief, nennt sich „Filz-Pappe-Papier-Plastiken“! - Aber warum sollten die Leute in eine Ausstellung gehen, um sich solche Materialien anzuschauen?Ob6

Für Monika Oberberg wurden die Untergünde ihrer Gemälde, die Materialien ihres Tuns zu anregenden Stoffen der Gestaltung, ihre gefilzten Bilder zu besonders eindringlichen Farberlebnissen mit „Wärmegarantie“. Der Stoff wird zum Inhalt! So z.B. bei den Arbeiten mit Wellpappe , - eigentlich eine billige Verpackung – dabei wird das Material beim Wiederaufleben in neuem Aggregatzustand plötzlich in chanchierende Erlebnisse verwandelt oder gar als charakterisierender Untergrund für den Portrait-Typus eines Peter Rehr !

Ja,  die Oberberg kann auch Porträt! Und wie! Sie hat sich als vorrangig realistisch bleibende Malerin beachtliche Fähigkeiten des Porträtierens erarbeitet. Neben der Ähnlichkeit entstanden überraschenden Einblicke in jeweilige Persönlichkeits-Merkmale. Viel Hintersinn steckt in den fertigen und den auch skizzenhaft verbleibenden Werken. Sicher erkennen Sie einige der Abgebildeten, meist künstlerisch Tätigen aus unserer Region wie die Maler Karl-Heinz Westenburger, Gottfried Rothe, Kulturschaffende wie  Heidelore Staub, den Leiter des Kunstkellers  Jörg Seifert und dessen Vater sowie den kürzlich pensionierten 1. Konzertmeister der Erzgebirgsphilharmonie, Peter Bechler. Letztere Bilder sind jüngsten Datums!

Besonderen Reiz haben aber unzweifelhaft Monika Oberbergs  „Einblicke“ in unsere Gebirgslandschaft, Gesteins-und Felsgebilde. Sie bekennt, dass sie erst hier im Erzgebirge richtig mit Landschaftsmalerei begonnen hat. Ihre „Einblicke“ suggerieren die in jeder wirklich künstlerischen subjektiven Widerspiegelung der Welt enthaltene Einmaligkeit der Blickrichtung des gestaltenden Individuums. Und so sehen wir unser Butterfässer (Wer von uns hat sie so genau eigentlich schon angesehen?) wie sie Porträts werden, sich die Steine gegenseitig anschauen, uns ansehen und zurück „guggen“ (mit drei G)!
Das subjektiv gestaltete Objekt bekommt selbst ein „Ich“, wird Subjekt, und das mit viel Humor! Die Malerin hat sich die Felsformationen mit dem Fotoapparat heran gezogen und quasi studiert.
Probieren Sie es beim nächsten Spaziergang am Pöhlberg-Rundgang mal mit ihren Kindern aus, Gesichter, Figuren darin zu erkennen. Phantasie ist nicht an ein Alter gebunden. Und unser großer Unvollendeter, Carlfriedrich Claus, hat diese Butterfässer sogar angeschrien und die Echos zeichnerisch verarbeitet. Auch eine Gesprächsform!Ob7

Für mich, - und jeder Besucher der Ausstellung darf und sollte das für sich tun!, - gibt es aber hier auch Favoriten. Da sind die vielen Gestalten, die unter Monika Oberbergs Pinsel und Spachtel meist in Pastell oder Acryl, aus unserer Landschaft hervortreten: Blicke auf die Waldhufendörfer durch die Jahreszeiten vom Pöhlberg aus. Ein Busch im Frost wird da zum wahrhaftigen Feuerwerk!

Oder ihre Ostsee-Bilder! Ahrenshoop, - einmal als Binnenseite mit  kraftstrotzenden Feldern und Ortskern, und dann, im Platt: „butten“ genannt, die Strandlandschaft in aufatmender Luftigkeit, wundervoll frei und Möwen als dominierende Strandhocker!

Unsere Malerin wird, wie jeder kreativ Tätige auch, stets eine Lernende bleiben, einmal von der Natur lernen, dann vom Material, manchmal von Kollegen.
Dabei entstand schönes Unfertiges neben wahrlich Vollendetem. Überraschendes steht neben auch Konventionellem. Das ist dann aber für Ausstellungsbesucher wie ein Wiedererkennen.

Manchmal wurde Aktmalerei auch zur Skulptur und steht hier nebeneinander. Verständliche Formgebung, die man nachempfinden darf; „schön“ empfindet, weil „Schön-Sein“ auch oft Einfaches enthält.

Das heißt jedoch nicht, dass jeder Gegenstand schnell in einen Rahmen gepresst oder jeder Kringel auf Papier schon Kunst darstellt! Zu einer solchen wird es erst dann, wenn das Besondere auch überraschend widergespiegelt wird, eine gewisse Wertevermittlung stattfindet, - oder zumindest zum Nachdenken anregt...
Es lohnt sich aber auch hier, die sogenannten kleinen Sujet zu würdigen:
Die Leichtigkeit der Tänzer in Filz, eigentlich ein schweres Material.
Oder ihre verrückten, Federn sprühende Hähne, kommunizierenden Masken in bemalter Wellpappe sowie ihre kräftigen weiblichen Kleinskulpturen.

In Monika Oberbergs Werken steckt viel Kreativität und Temperament. Sie spart weder mit Anmut noch Mühe...

Ich wünsche Ihnen nun aufschlussreiche Einblicke in das reiche Schaffen von Monika Oberberg und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Eveline Schicker-Figura


Annaberg-Buchholz, 12. April 2015