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THEATER ABC

 

 


 

 
Sieg der leichten Muse

Leo Falls „Madame Pompadour“ verbindet weibliche List mit historischer Gesellschaftskritik und charmanter Darbietung in der erfolgreichen Premiere am Annaberger Theater.

Operette auf dem heutigen Spielplan wirkt oft verstaubt, weil seichte Handlung, bunte Kostüme und kitschige Musik die Vorurteile sind. Ein derart unterschätztes Medium kann also bei kreativer Handhabung nur Erfolg haben, weil die Stärken des Genres an dessen Anfangsgründe dann wieder hervor kommen. Die liegen im Paris des dritten Kaiserreiches Mitte des 19. Jahrhunderts. Jaques Offenbach hatte mit der Eröffnung seines Bouffes-Pariesienne, einem Holzleichtbau in der der Nähe des Boulveards Champs-Elydées, voll ins Schwarze getroffen. Die Pariser selber, die ausländischen Besucher der Weltausstellungen suchten Unterhaltung mit Esprit, Tanz, mitreisende Musik und Ballett. Dazu kam eine große Prise Frechheit in Chansons, die die politischen Verhältnisse aufs Korn nahmen. Eingepasst in eine spritzige Handlung war das gut verdauliche Kost für ein Publikum quer durch die Klassenschranken. Kein Wunder, dass ziemlich schnell dieses Genre in Berlin auftauchte, der prosperierenden Hauptstadt des dominant gewordenen Preußens.
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Unter den großen Namen dieser Zeit, zu denen die Garde der österreichisch ungarischen Komponisten wie Lehár, Kálmán, Abraham gehörten, gesellte sich nun auch Leo Fall, aus Olmütz stammend. Sein größter Erfolg wurde die „Madame Pompadour“, deren Name 150 Jahre nach wirklicher Existenz als Staatsmätresse Ludwig XV. immer noch genug Ausstrahlung hatte, um als Lustobjekt der Boulevardbühne zu glänzen. Dazu kam der Star der leichten musikalischen Unterhaltung, Fritzi Massary, die die Zuschauer einst geradezu hypnotisierte.
Also alles Zutaten für eine unterhaltsame Mischung auch auf der Bühne des Eduard von Winterstein Theaters am 1. März 2015, um das Publikum zu gewinnen.  Madame Pompadour (Bettina Grothkopf) will sich mit ihrer hübschen Kammerfrau Belotte (Madelaine Vogt) weg vom Versailler Hofe amüsieren und gelangt im Karneval genau in ein solches Etablissement voller Musik und tanzender Grisetten in Paris. Beide müssen die frechen (damals lebensbedrohlichen) Gesänge des Dichters Calicot (Markus Sandmann) anhören und überhören, weil sie ihn und den Grafen René (Frank Unger) erwählt haben, ihnen die Nächte zu versüßen.  Madame_Pompadour_HP2-375
Mit Charme und Verstand lässt die Pompadour mit „Heut´ könnt einer sein Glück bei mir machen, wenn er der Richtige wär“ ihre Absicht erklingen. Gestört vom eitel-dummen Polizeiminister Maurepas (Michael Junge) und seinem gewitzteren Spitzel (Matthias Stephan Hildebrandt) lassen die Frauen ihre Raffinesse aufblitzen und so gelangen die beiden favorisierten Männer ins Schloss, - der eine als Wache, der andere als Dichter. Dazwischen taucht noch die unbefriedigt junge Ehefrau  (Therese Fauser) des Grafen René auf und entpuppt sich glatt als Halbschwester der übermächtigen Staatsmätresse, die inzwischen zur verliebten Frau, hilfsbereiten Schwester, toleranten Dichterversteherin und Retterin  mutiert ist.
Die Zeit ist manchmal gnädig.
Fehlt nur noch der König, dann ist die Operette komplett: Leander de Marel spielt den gekrönten Galan als überschlanken Graumelierten, ohne Alonperücke, mit Gutmütigkeit und gelangweiltem Desinteresse an den Staatsgeschäften. Hier gelingen dann auch die komischen Situationen der Texte und die  tagesaktuellen Anspielungen. Beim Unterschreiben von Todesurteilen und Dokumenten stößt er z.B. auf vier Bürgermeisterkandidaten, “die das alles doch nicht könnten!“ - zum Jubel des Publikums! Hier ist die Operette wieder bei sich. Sie will unterhalten, aber auch provozieren. Das hätte ruhig noch ein wenig mehr und schärfer sein können...! Doch die Regie des „alten Theaterhasen“ Rainer Wenke hatte die „Pompadour“ leichtfüßig, schlagfertig und charmant inszeniert. Einen ganz großen Anteil daran hatte die bezaubernde Ausstattung durch Robert Schrag, der in Annaberg bereits den „Löwen von Venedig“(Peter Gast) luftig aus der Lagune gezaubert hatte. Madame_Pompadour_HP2-622
Sein erstes Bild adaptierte auch gleich den Offenbachschen Lattenverschlag am Pariser Boulevard. Und sein Ballsaal im Schlosse - mit Extraapplaus bedacht! - war eine frühlingshafte Luftigkeit in Pink und Lindgrün, die Platz hatte für einen Kronleuchter als Separée oder ein „Tischlein-deck-dich“ für den König. Die detailreichen Kostüme der Damen passten abgestimmt dazu und waren durchgestylt bis zu den Blumen in den schönen, diesmal gut passenden Perücken.
Das Ensemble, auch das des erweiterten Chores (Leitung: Uwe Hanke), der mit vielen kleinen Soloauftritten bedacht war, hatte endlich wieder einmal Platz zum Agieren. Und das taten sie denn auch abendfüllend engagiert.
Voran Bettina Grothkopf als sich souverän bewegende Titelheldin, die mit Lust intrigiert, ihr Kostüm in Schwung bringt, schließlich bedauernd verzichtet und sich dennoch einen jungen Soldaten greift! Stimmliche Leichtigkeit auch in der Höhe, augenzwinkernder Charme bei gutem Zusammenspiel brachten die Operette zum glänzen, auch wenn in manchem Cuplé wie z.B. „Joseph, ach Joseph“ die Texte hätten noch kräftiger zelebriert werden können. Madelaine Vogt hielt im Temperament stimmlich und darstellerisch fast durchweg sehr gut mit. Manche Textpassagen der Protagonisten (außer Leander de Marel) gingen leider im Spiel nach hinten etwas verloren. Therese Fausers Gräfin Madeleine war in Gestalt und bewusst naiver Darstellung besonders anziehend. Die komödiantischen Albernheiten zwischen dem König und seinem Minister amüsierten das Publikum köstlich. Frank Ungers Höhen, wie immer stahlend, könnten ein wenig kräftigere Untermauerung in der Mittellage und in der Tiefe vertragen. Marcus Sandmanns Calicot gefiel durch freches Spiel und Gesang mit dem Ensemble, manche Passage verkrampften etwas in der Höhe, was er als kabarettistische Überzeichnung nicht unklug tarnte. Da die Inszenierung in der historischen Zeit, Mitte des 18. Jahrhunderts angesiedelt blieb, waren die Tanzeinlagen der Grisetten mit Can-Can-Gewedel und -Gegacker doch ein wenig einfallslos (Choreographie: Sigrun Kressmann).
Die Musik hingegen aus dem Orchestergraben war - nach minimalen Schwächen zu Beginn - dann von sprühender Stimmung der zwanziger Jahre beseelt und von quirliger Charakterzeichnung und gassenhauerischer Verve getragen. Dieter Klug war als 1. Kapellmeister mit seinen Erzgebirgischen Philharmonikern Aue mit Spaß und Verantwortung für die Sänger aufmerksam und einfühlsam bei der Sache, gab ihnen Zeit, die witzigen Texte von Rudolph Schanzer und Ernst Welisch verständlich zum Publikum zu transportieren. Das Publikum dankte mit anhaltendem Applaus. Und man konnte es im vollbesetzten Theater vernehmen: Die Totgesagte, die Operette, lebt, und wie...!

Eveline Figura
Fotos: Rückschloss/BUR
 

Nächste Vorstellungen: 4./21.3. - 19.30; 8.3.  -19.00 Uhr