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Dramatische Klänge

Das 9. Philharmonische Konzert am vergangenen Montag im Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz stand unter der Leitung von Fabian Enders, dem ein dramatischer und berührender Abend mit Werken von Beethoven und Schumann unter Mitwirkung der Erzgebirgischen Philharmonie Aue und dem Sächsischen Kammerchor gelang.

Fabian Enders
ist dem Theater- und Konzertpublikum in Annaberg-Buchholz kein Unbekannter, war er doch hier als Repetitor und Kapellmeister engagiert. Und so zieht es ihn auch immer mal wieder in jenes Haus das mit dazu beitrug, dass er hier 2013 sein Dirigenten-Diplom erwerben konnte.
Diesmal brachte er den Sächsischen Kammerchor mit, der Goethes Gedichte „Meeresstille und glückliche Fahrt“ in Beethovens Komposition sehr differenziert, weil mit der notwendigen Kontrastierung interpretierte. Davor stand die „Weihe des Hauses“ auf dem Programm. Eine gewaltige Musik, eines der letzten Werke des schwerhörigen Beethoven.
9. Konzert 2017 (Andere)

Er hatte es bereits 1812 unter dem Titel „Die Ruinen von Athen“ für die Einweihung des Deutschen Theaters in Pest (heute Budapest) komponiert und gemeinsam mit dem Werk „König Stephan - Ungarns Wohltäter“ dort zur Aufführung gebracht. Als nun 1822 in Wien das Josephstädter Theater eröffnet wurde, besann sich Beethoven auf diese Komposition aus dem Jahre 1812, überarbeitete sie geringfügig und brachte sie unter neuem Titel zur Aufführung.
Vor der Pause erklang noch Robert Schumanns einsätzige Sinfonie in d-moll, die zwar durchaus die üblichen Sätze aufweist, die erwartbaren Schlüsse aber ignoriert und somit den Zuhörer am Ende eines jeden Satzes damit überrascht. Trotz dieses offenen Formenprinzips, kommt die Komposition dennoch zu einem Ganzen, das die einzelnen Teile in einer bis dahin neuartigen Verknüpfung im Finale jubilieren läßt.
Fabian Enders
(*1986) dirigierte die ausgezeichnet aufspielende Erzgebirgische Philharmonie Aue souverän, einfühlsam und unaufgeregt – aber dennoch mit Leidenschaft, wenn es die Komposition verlangte.

Diese Leidenschaft des Dirigenten Enders überzeugte dann nach der Pause in gesteigerter Form bei Robert Schumanns „Requiem“ op. 148, das so gar nicht als eine Totenmesse daher kommt. Robert Schumann hat dieses Requiem noch vor seinem psychischen Zusammenbruch vollendet. In einer Aufführung gehört hat er es nie.
Dazu kommt es erst Jahre nach seinem Tod. Seine Frau Clara schreibt darüber 1865: „Am 15. März ließ mir Livia von ihrem Vereine Roberts Requiem vorsingen; und ich war über das Werk ganz überrascht, denn ich hatte es mir nicht von so schöner Wirkung vorgestellt.“ Clara Schumann sieht sich in ihrem ersten Eindruck von damals, mehr als 10 Jahre zuvor, bestätigt. Fast alle Freunde waren aber dagegen – vermutlich weil sie die anderen Requien im Ohr hatten. Musikerkollegen, u.a. Brahms, beurteilen das späte Werk als eher schwach – ein Urteil, das sich bis in die jüngste Zeit gehalten hat. der-sächsische-kammerchor-in-der-thomaskirche-leipzig (Andere)
Die Aufführung durch Fabian Enders, den Philharmonikern und dem Sächsischen Kammerchor (Sitz Leipzig) konnten nahezu vom Gegenteil überzeugen. Es handelt sich insgesamt um ein dramatisches Werk, das darüber hinaus so gar nicht in moll daher kommt, sondern ein strahlendes Des-Dur bevorzugt. Das schließt ein, dass auch dieses Requiem zarte, nachdenkliche und sehr berührende musikalische Momente aufweist. Die Dramatik überwiegt aber in der Interpretation von Enders derart, dass selbst die jungen, frischen und vermutlich auch kräftigen Stimmen des Kammerchores mitunter kaum gegen die Orchestergewalten ansingen können.
Der Chor überzeugt nicht durchweg mit einem homogenen Klang, ab und an kommen die Soprane zu spitz und schrill (meist ab „f“ aufwärts) über die Rampe. Hier könnte ein wenig zusätzliche Stimmbildung im Hinblick auf Tonabrundungen in der Höhe von Vorteil sein.
Auch von den Männerstimmen kann an manchen Stellen etwas weniger akademischer Gesang, dafür mehr voluminöser Stimmklang erwartet werden. Hervorragend der Stimmsitz, das Volumen, die Tragfähigkeit und die Ausstrahlung des Solo-Soprans von Viktoria Wilson, ebenso die mehr Mezzo- statt Alt-Stimme von Estelle Haussner, die anrührende und fein differenzierte Töne erklingen lies. Nicht überzeugen konnte am Abend des 15. Mai 2017 der Tenor von Christian Pohler, der offenbar zu sehr an der akademischen Tenor-Lyrik geschult worden zu sein scheint. Vom Bass Meinhardt Möbius hörte man nur ganz vereinzelt ein paar zurückhaltende Töne im Quartett.
Die großartigen stimmlichen und berührenden Leistungen, wie sie im ersten Teil des Konzertes in Beethovens op. 112 vom Sächsischen Kammerchor – dessen Künstlerischer Leiter auch Fabian Enders ist – geboten wurden, konnten hinter dem Klangvorhang der dramatischen Schumann-Musik nicht in gleichem Maße erbracht werden.

Dennoch war der Konzert-Abend insgesamt ein musikalisches Erlebnis auf hohem künstlerischen Niveau, das in erster Linie dem ausgezeichnet studierten Orchester sowie dem künstlerisch sehr gereiften Mann am Pult zu verdanken ist, mit dem ein Wiedersehen in Annaberg-Buchholz stets auch ein musik-ästhetisches Ereignis bedeutet.

red.
Fotos: Linda Straumer/HP Chor (1), AW (1)

Nächstes Konzert: 12. Juni 2017 um 20 Uhr in der St. Annenkirche,
Studenten der Musikhochschule Dresden spielen Werke von Beethoven, Busoni und Tschaikowski.

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