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Der 17. Juni 1953 im ehemaligen Bezirk Karl-Marx-Stadt

Eine Dokumentensammlung auf der Basis von Recherchen (Deutsche Volkspolizei und SED-Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt an ZK) der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Zentrum für Zeithistorische Forschungen Potsdam.17. Juni 3

Den offiziellen Berichten der SED zufolge gibt es am 17. Juni 1953 im traditionellen Arbeiterbezirk Chemnitz/Karl-Marx-Stadt erstaunlich wenig Demonstrationen und Streiks.
In Chemnitz selbst, das 1953 in Karl-Marx-Stadt umbenannt wurde, werden demnach lediglich in einigen wenigen Betrieben Streiks angekündigt. Gleiches geschieht in Betrieben in Burgstädt, Glauchau und Hohenstein-Ernstthal. Freilich wird überall diskutiert, gestritten und gedroht. Es gibt Flugblattaktionen, Vorratskäufe, Parteiaustritte und Austritte von Bauern aus den LPG. Zu richtigen Arbeitsniederlegungen kommt es den Berichten der SED-Bezirksleitung zufolge an diesem Tag lediglich in verschiedenen Textilwerken im Kreis Werdau bei Zwickau. Meldungen über große Demonstrationszüge, vergleichbar mit denen in Halle oder Leipzig, sind in den Lageberichten der SED, des MfS und der Polizei des Bezirkes nicht überliefert. Wie im Norden meldet man allgemeine Ruhe nach Berlin weiter.
Der Text eines Flugblattes, das in der Nacht vom 17. zum 18. Juni 1953 geklebt wurde, liefert zumindest eine mögliche Erklärung für die geringen Aktivitäten im Bezirk. Darin heißt es: "Dadurch, daß die Wismut vorhanden ist, leidet die Schönheit des Erzgebirges. Seit die Wismut da ist, gibt es nur Unheil."
Der sowjetisch kontrollierte Uranbergbau dominiert die industriellen und sozialen Strukturen des Bezirkes. Als "Staat im Staate" funktioniert die Wismut nach eigenen Gesetzen und Spielregeln. Neben den vielen Gruben für den Uranabbau fungieren zahlreiche Betriebe des Bezirkes als Zulieferer. Die Wismut beherrscht das Geschehen in den meisten Städten und Kreisen: In Karl-Marx-Stadt, Zwickau, Schneeberg, Stollberg, Aue, Auerbach, Annaberg, Johanngeorgenstadt, Schwarzenberg, Plauen, Oelsnitz, Marienberg, Brand-Erbisdorf und Freiberg.
Aufgrund der sowjetischen Sonderrechte und der langanhaltenden Unzugänglichkeit der russischen Archivmaterialien blieb die Lage in den "Wismut"-Kreisen des Bezirkes bis heute recht undurchsichtig. Im Gegensatz zu den Entwicklungen im Bezirk Gera scheint es auch bei der "Wismut" im Bezirk Karl-Marx-Stadt weitgehend ruhig geblieben zu sein.

* * *

Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei
Karl-Marx-Stadt

Dresdner Str. 126
Karl-Marx-Stadt, den 29. Juni 1953
Fernruf 43251 / Hausapparat

An den
Chef der Deutschen Volkspolizei
Gen. Generalinspekteur M a r o n

Betr.:Auswertung der Ereignisse seit dem 16. Juni 1953
Bezug:FS-Nr. 581 der HVDVP vom 21.6.1953 Termin: 30.6.53

I. Einleitung des Polizeieinsatzes:

Am 17.6.53, gegen 2.30 Uhr, wurde der Stellvertr. Allgemein der BDVP Karl-Marx-Stadt, Gen. VP-Insp. Ende, welcher mich während der Dauer meines Urlaubes vertrat, von Gen. Gereralinspekteur Seifert fernmündlich mit der Einleitung von Sofortmaßnahmen, speziell die im Bezirk stationierten Wacheinheiten betreffend, beauftragt. 17. Juni 4

Um 3.15 Uhr erfolgte in der BDVP die Bildung einer Einsatzleitung, welcher der Stellvertr. Allgemein sowie die Leiter der Abt. S und des Operativstabes der BDVP angehörten.

Diese Einsatzleitung traf nachstehende Anordnungen zur Einleitung von Sofortmaßnahmen:
Auslösung der erhöhten Alarmbereitschaft für die Wacheinheiten Karl-Marx-Stadt, Aue und Plauen sowie Vollmotorisierung und Ausrüstung dieser WE mit Gummiknüppeln.
Alarmierung sämtlicher Abteilungsleiter der BDVP.
Fernschriftliche Anordnung an sämtliche nachgeordneten Dienststellen der BDVP über
a) Alarmauslösung,
b) Amtsleiter oder Vertreter im Amt,
c) Bildung motorisierter Einsatzreserven
d) Verstärkung der Sicherungsmaßnahmen in den Betrieben, Haftanstalten und wichtigen Objekten,
e) sofortige Meldung sämtlicher Vorkommnisse an die Einsatzleitung der BDVP,
f) umgehende Verbindungsaufnahme mit den Dienststellen der Partei, des MfS und der Trapo,
g) sämtliche Fahrzeuge in aufgetankten und einsatzbereiten Zustand versetzen.
Verbindungsaufnahme mit der Bezirksleitung der SED, dem MfS, der SKK und Kommandantur des Bezirkes, der Grenzbereitschaft Karl-Marx-Stadt, der BDVP (BS) Siegmar-Schönau, den VP-Ämtern (T) Karl-Marx-Stadt, Zwickau und Aue und den Dienststellen der KVP im Bezirk - Bärenstein und Frankenberg.
In den Vormittagsstunden des 17.6.1953 ließ Gen. Chefinspekteur Grünstein der Polizeiführung des Bezirkes fernmündlich übermitteln, daß auf keinen Fall Objekte und Dienststellen der Volkspolizei aufgegeben werden dürfen.
Die Schlußfolgerung aus dieser Durchsage und die mittlerweile vom demokratischen Rundfunk bekanntgegebenen Vorkommnisse im demokratischen Sektor von Berlin ließen erst voll den Ernst der Lage erkennen.
Ich brach sofort meinen Urlaub ab und übernahm am 17.6.53, 12.00 Uhr, die Leitung des gesamten Polizeieinsatzes im Bezirk.

II. Weiterführung des Polizeieinsatzes:

In einer sofort einberufenen Abteilungsleiterbesprechung wurden die Gen. Offiziere über die derzeitige Lage informiert und mit Aufgaben, ihre Sachgebiete betreffend, im Rahmen des Gesamteinsatzes beauftragt. Gleichzeitig erfolgte die Einteilung von leitenden Offizieren als Instrukteure.
Für sämtliche VP-Angehörige des Bezirkes Karl-Marx-Stadt wurde erhöhte Alarmbereitschaft angeordnet. Mit der Verpflegung der Einsatzkräfte und Bereitstellung von Schlafmöglichkeiten für diese wurde die Abt. Intendantur beauftragt.
Die VPKÄ erhielten Anweisung, die verfügbaren Einsatzkräfte zu zentralisieren und Pläne für Schutz- und Verteidigungsmaßnahmen für die Objekte der Volkspolizei und weitere wichtige Objekte wie Kreisleitung der Partei, Elektrizitäts-, Gas-, Wasser- und Umspannwerke, Telefonämter usw. zu erarbeiten. Gleichzeitig wurden Anordnungen über Einsatz von Wasserschläuchen, Gummiknüppel und Anwendung der Schußwaffen gegeben.
Als Instrukteur der HVDVP traf Gen. Chefinsp. Dick hier ein, der mit Einzelheiten der faschistischen Provokation vertraut war und der Polizeiführung wesentliche Hinweise in bezug auf den Polizeieinsatz durch Bekanntgabe der Arbeitsmethoden des Gegners gab.
Das Gebäude der BDVP Karl-Marx-Stadt wurde lückenlos verstärkt gesichert und das umliegende Gelände für den Fall eines Angriffes in Gefechtsabschnitte eingeteilt. In einem Einsatzbefehl waren die verantwortlichen Abschnittsleiter namentlich, die eingesetzten Einsatzkräfte zugweise eingesetzt.
Durch hier eingegangene Fahndungslisten wurden die stattgefundenen Gefangenenbefreiungen und die Waffenverluste seitens der Volkspolizei bekannt.
Durch dieses Bekanntwerden veranlaßte die Polizeiführung des Bezirkes sofortige verstärkte Kfz- und Ausweiskontrollen in allen Kreisen des Bezirkes unter Berücksichtigung des Sicherheitsfaktors (1 VP-Angeh. leistet den kontrollierenden VP-Angeh. bewaffneten Schutz). Ziel dieser Kontrolltätigkeit war die Wiederergreifung befreiter Strafgefangener und die Verhinderung des Einschleusens von Provokateuren und Aufwieglern aus anderen Bezirken. Zwei jugendliche Provokateure, welche bei den faschistischen Provokationen in Gera beteiligt waren, konnten u.a. beim Versuch des illegalen Grenzübertritts im Bereich des VPKA Plauen von der Grenzpolizei gestellt werden.
Da mit dem Absetzen von Spionen, Saboteuren und Provokateuren aus Flugzeugen zu rechnen war, wurden auf erhöhten Punkten der Kreise Beobachtungsposten eingerichtet. Die dort eingesetzten VP.-Angeh. hatten die Aufgabe, festgestellte Blink- und Lichtzeichen sowie wahrgenommene Flugzeuggeräusche den zuständigen Einsatzleitungen zu signalisieren, von wo aus Weitermeldung an die Einsatzleitung der BDVP erfolgte.
Die sowj. Dienststellen des Bezirkes erhielten von den diesbezüglichen Wahrnehmungen von der Einsatzleitung der BDVP Kenntnis.
Die Informationen der HVDVP über Störung des Eisenbahnverkehrs und geplante Sabotageakte des Gegners an Einrichtungen der Reichsbahn wurden umgehend ausgewertet. An Schwerpunkten der Reichsbahn wie Bahnhöfen, wichtigen Knotenpunkten, Basa-Vermittlungen, Bahnkraftwerken usw. wurde von der BDVP Karl-Marx-Stadt sofort der äußere Schutz eingeleitet. Das Bahngelände selbst mit seinen Objekten sicherte die Trapo mit Sowjet-Soldaten und Genossen der KVP. 17.Juni 1
Um die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu garantieren und den Gegnern auch auf diesem Gebiet die Möglichkeit der Unruhestiftung zu nehmen, erfolgte die Einbeziehung von Großbäckereien, Molkereien, Schlacht- und Viehhöfen usw. in die verstärkten Sicherungsmaßnahmen. Die Volkspolizei war den angeführten Betrieben bei der Organisierung eines wirksamen Selbstschutzes behilflich, gab die entsprechende Anleitung und bezog die angeführten Objekte in den verstärkten Streifendienst mit ein.
Als bekannt wurde, daß der Streikbeginn durch Aufheulen von Sirenen angezeigt werden sollte, wurden in Verbindung mit dem MfS die Sicherungen aus sämtlichen Sirenen des Bezirkes entfernt.
Den Schwerpunktämtern, in deren Bereich Arbeitsniederlegungen und Streiks stattfanden sowie Provokationen zur Durchführung kamen (Freiberg, Werdau und Zwickau), wurden zeitweilig Züge der in Reserve liegenden Wacheinheiten zugeteilt. Gleichzeitig erfolgte die Abordnung je eines leitenden Offiziers der BDVP in diese VPKÄ zur Unterstützung und Beratung der dortigen Gen. Amtsleiter.
In der Bezirksstadt Karl-Marx-Stadt wurde der Ausnahmezustand vom zuständigen Kommandanten am 17.6.53, ab 21.00 Uhr, verhängt.
Die Kommandanten der Kreise des Bezirkes verhängten den Ausnahmezustand für ihre Aufgabengebiete sehr unterschiedlich zwischen dem 17.6.53, 21.00 Uhr und dem 18.6.53, 12.00 Uhr.
Die Aufhebung des Ausnahmezustandes im Bezirk Karl-Marx-Stadt erfolgte von der Bezirkskommandantur für alle Kreise des Bezirkes einheitlich am 24.6.53, 24.00 Uhr.
Während der durch den Ausnahmezustand bedingten Sperrzeiten führten Volkspolizisten gemeinsam mit Sowjet-Soldaten Streifen durch. Die Sperrzeiten wurden von der Bevölkerung des Bezirkes, bis auf wenige Ausnahmen, äußerst diszipliniert eingehalten.
Am 24.6.53, 7.00 Uhr, erfolgte eine Diensterleichterung, indem zum Dreischichtdienst übergegangen wurde (1/3 Dienst, 1/3 Bereitschaft, 1/3 dienstfrei). Die bis dahin ständig in den Dienststellen verbliebenen Volkspolizisten hatten ab diesem Zeitpunkt Gelegenheit, regelmäßig ihre Familien aufzusuchen.
Am 27.6.53, gegen 15.00 Uhr, erfolgte für die Volkspolizei des gesamten Bezirkes Karl-Marx-Stadt die Aufhebung der erhöhten Alarmbereitschaft und der Übergang zum Normaldienst mit einigen Einschränkungen (Beibehaltung von motorisierten Einsatzreserven, Verstärkung der Operativstäbe, Amtsleiter oder Stellvertr. müssen ständig erreichbar sein, Haftanstalten wurden verpflichtet, stündlich die zuständigen Operativstäbe anzurufen usw.).

III. Instrukteurtätigkeit:

IV. Einsatz der Polizeikräfte:

Die Einsatzkräfte der Wacheinheiten Karl-Marx-Stadt, Plauen und Aue hielten sich abrufbereit, vollmotorisiert, in einsatzbereitem Zustand, in ihren Unterkünften auf. Züge dieser WE wurden den Brennpunktämtern im Rahmen des gesamten Polizeieinsatzes zugeteilt. Verstärkte Objektsicherung erfolgte durch eingeteilte Wachzüge.
Sämtliche Kräfte der BDVP waren in Kompanien, Züge und Gruppen eingeteilt, und ihre Einweisung in die Gefechtsabschnitte erfolgte rechtzeitig. Die Züge waren im Wechsel für die verstärkte Sicherung des gesamten Objektes, einschl. Geländes, der BDVP eingesetzt.
Den nachgeordneten Dienststellen standen insgesamt 5.220 Einsatzkräfte zur Verfügung. Davon waren durchschnittlich 2.251 Reservekräfte, welche zur Durchführung polizeitaktischer Maßnahmen zum Soforteinsatz kommen konnten.

2.969 Kräfte der Volkspolizei befanden sich durchschnittlich wie folgt im Einsatz:
761 VP-Angeh. zum Objektschutz,
800 VP-Angeh. zum verstärkten Streifendienst,
160 VP-Angeh. zur Durchführung von Verkehrskontrollen,
380 VP-Angeh. zur Sicherung von Objekten der Volkspolizei,
280 ABV in ihren Abschnitten,
588 VP-Angeh. für sonstige Dienstleistungen.
Den VPKÄ standen insgesamt 289 Fahrzeuge mit Transportmöglichkeiten für insgesamt 1.360 VP-Angehörigen während des Gesamteinsatzes zur Verfügung.
Diese Fahrzeuge unterteilen sich wie folgt:
50 Lastkraftwagen
78 Personenkraftwagen
161 Krafträder
In den VPKÄ des Bezirkes kamen durchschnittlich 300 freiw. Helfer der Volkspolizei und 2.400 Genossen der Partei zum Einsatz. Die Zahlen beziehen sich auf die Einsatzkräfte pro Tag.

V. Stimmung der Einsatzkräfte:

Durch laufende Polit-Informationen wurden sämtliche Einsatzkräfte von den faschistischen Provokationen unterrichtet und mit deren Zusammenhängen und Hintergründen eingehend vertraut gemacht. Die Leitartikel des „Neuen Deutschland" und weitere Veröffentlichungen in der Presse wurden dazu von der Polit-Abteilung der BDVP entsprechend ausgewertet.
Die ideologische Aufklärung sämtlicher Volkspolizisten führte dazu, daß alle Einsatzkräfte die Notwendigkeit des verstärkten Polizeieinsatzes einsahen und dieser Einsicht durch äußerst diszipliniertes Verhalten Ausdruck verliehen.
Ausgezeichnete Verpflegung, gute Unterbringung und eine ebensolche kulturelle Betreuung der Einsatzkräfte durch die Polit-Abt. der BDVP trug wesentlich zur allgemein bereits guten Stimmung bei. Als die Zuteilung von Zigaretten, Vitalade und die Verausgabung von Bohnenkaffee erfolgte, war die Freude bei den Gen. Volkspolizisten sehr groß.
Von der Abt. PA der BDVP wurden während des Polizei-Einsatzes insgesamt 35 Filmvorführungen in den Wacheinheiten, mehren VPKÄ des Bezirkes und der BDVP durchgeführt. Zu diesem Zweck waren sieben Spielfilme, welche der damaligen Situation sowie dem Polizeieinsatz entsprachen, geliehen worden, z.B. „Rotes Banner auf grünem Fels", „In friedlichen Tagen", Der wahre Mensch" und „Die Entführung".
Negative Stimmungen der Einsatzkräfte wurden der Einsatzleitung im Rahmen des Polizeieinsatzes nicht bekannt.

VI. Zusammenarbeit mit anderen Dienststellen: 17. Juni 1

Die laufende Verbindung und Zusammenarbeit mit den sowj. Dienststellen des Bezirkes, der Bezirksleitung der Partei, dem MfS des Bezirkes, der Grenzbereitschaft Karl-Marx-Stadt, der BDVP (BS) Siegmar-Schönau, den Dienststellen der KVP Bärenstein und Frankenberg sowie den Trapo-Ämtern Karl-Marx-Stadt, Zwickau und Aue waren sehr gut. Informationen wurden in jedem Falle gegenseitig ausgetauscht, gemeinsam ausgewertet und koordinierte Soforteinsätze eingeleitet und durchgeführt.
Der gemeinsame Einsatz von Sowjet-Soldaten und Volkspolizisten hat nicht nur zur Vertiefung der Freundschaft geführt, sondern gleichzeitig unseren Einsatzkräften wertvolle Erfahrungen und Hinweise über Verhalten im Einsatz und in Fragen der Disziplin übermittelt. Speziell dieser Polizeieinsatz hat die Notwendigkeit einer guten Zusammenarbeit mit der zuständigen Grenzbereitschaft gezeigt. Diese Erkenntnis wird dazu führen, für die Zukunft die Verbindung zwischen BDVP Karl-Marx-Stadt und Grenzbereitschaft Karl-Marx-Stadt wesentlich enger als bisher zu gestalten.
Die Signale durch die Bezirksleitung der Partei erreichten die Einsatzleitung der BDVP oft eher als die unserer nachgeordneten Dienststellen, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, daß ein Großteil dieser eingegangenen Meldungen stark übertrieben, teilweise sehr entstellt und in einigen Fällen sich als Falschmeldungen erwiesen.

VII. Vorkommnisse:

Im Bezirk Karl-Marx-Stadt kam es in acht Betrieben zu kurzfristigen Arbeitsniederlegungen und in zwei Betrieben (Schwerpunktbetrieb der DDR Nr. 5, Wälzlagerfabrik Fraureuth, Kr. Werdau, und VEB Bau-Union Dresden, Baustelle Zinkhütte Freiberg) fanden Streiks von längerer Zeitdauer statt.
O.a. Arbeitsniederlegungen bzw. Streiks waren in den Kreisen Freiberg, Werdau, Karl-Marx-Stadt, Glauchau, Hohenstein-E. und Reichenbach/Vgtl. zu verzeichnen.
Als Schwerpunkte sind dabei die Kreise Freiberg und Werdau, wo Streiks stattfanden, und der Kreis Zwickau, wo sich jugendliche Bergarbeiter während der Sperrzeit des Ausnahmezustandes zusammenrotteten und beabsichtigten, eine Demonstration zum Bahnhof durchzuführen, zu benennen.
Bezeichnend ist, daß die angeführten Kreise schon seit längerer Zeit zu den Brennpunktkreisen antidemokratischer Umtriebe im Bezirk zählen.
Während des Polizeieinsatzes wurden von VP-Angehörigen fünf Festnahmen im Bezirk durchgeführt. Weitere Provokateure und Aufwiegler in den Betrieben, wo gestreikt wurde, nahmen Angehörige des MfS sowie Angehörige sowj. Dienststellen fest.
Einem Anruf der BDVP BS (Siegmar) zufolge sollten sich am 18.6.53 ca. 40 Fahrzeuge der Wismut AG, besetzt mit streikenden Bergarbeitern, von Katzendorf Kr. Gera in Richtung Bezirk Karl-Marx-Stadt bewegen. Das VPKA Werdau wurde von der BDVP angewiesen, sich mit der zuständigen Kommandantur in Verbindung zu setzen, um Sofortmaßnahmen zur Verhinderung der geplanten Beeinflussung weiterer Arbeiter zu veranlassen. Nach Meldung des im VPKA Werdau eingesetzt gewesenen Instrukteurs der BDVP wurden die Fahrzeuge an der Bezirksgrenze von motorisierten Sowjet-Soldaten angehalten, und die streikenden Bergarbeiter in Abständen zum Verlassen der Fahrzeuge veranlaßt. Durch diese Sofortmaßnahme gelang es, Provokateure und Aufwiegler von Betrieben des Bezirkes Karl-Marx-Stadt fernzuhalten und eine Konzentrierung derartiger Elemente zu verhindern.
Besonders gute Arbeit leisteten die Instrukteure der Partei, die es in Betrieben, wo es zu Arbeitsniederlegungen und Streiks kam, verstanden, die Arbeiter von der Richtigkeit des neuen Kurses der Partei und Regierung zu überzeugen und selbige zur Arbeitsaufnahme zu bewegen. Dabei ist die vorbeugende Tätigkeit derartiger Instrukteure in fast allen größeren Betrieben des Bezirkes besonders zu erwähnen.
Im positiven Sinne ist das Verhalten der Wismut-Kumpel hervorzuheben, welche in mehreren Schächten an den Tagen der faschistischen Provokationen besonders hohe Förderleistungen vollbrachten.
Desgleichen wurden in vielen Betrieben des Bezirkes durch Arbeiter Brigaden zum Selbstschutz ihrer Betriebe und Werke organisiert.
Neben den bereits geschilderten Streiks und Arbeitsniederlegungen trat der Gegner durch Verstreuen und Ankleben von Hetzschriften sowie Anschreiben von Hetzparolen besonders in Erscheinung.
Die Hetzschriften und Klebezettel waren vorwiegend mit Schreibmaschine geschrieben, bzw. Handdruckkasten gedruckt und beinhalteten gegnerische Losungen, welche sich auf die faschistischen Provokationen bezogen. Die Gleichheit der Losungen läßt nicht nur auf eine organisierte Tätigkeit des Gegners, sondern auch auf eine längere Vorbereitung des Tages „X" durch den Gegner schließen.
Als Brennpunkte in Bezug auf antidemokratische Umtriebe traten während des Putschversuches im Bezirk Karl-Marx-Stadt die Kreise Freiberg, Zwickau, Aue und Marienberg besonders in Erscheinung.
Nach Bekanntwerden der faschistischen Provokation in Berlin und weiteren Städten der DDR waren im Bezirk Karl-Marx-Stadt Anzeichen von Angsteinkäufen vorhanden. Durch eine sofort eingeleitete Aufklärungskampagne konnte binnen kürzester Zeit dieser Mißstand behoben werden.
Im gesamten Bezirk verlief der Verkehr sowie der gesamte Wirtschaftsablauf ohne Unterbrechung normal. Lediglich durch die Sperrzeiten des verhängten Ausnahmezustandes waren geringe Beschränkungen auferlegt worden.

VIII. Stimmung der Bevölkerung des Bezirkes:

Die Stimmung der Bevölkerung im Bezirk Karl-Marx-Stadt war nach Bekanntwerden der Ereignisse in Berlin und anderen Städten der DDR äußerst bedrückt. Der überwiegende Teil verhielt sich sehr abwartend und mit Bekanntwerden des Leitartikels des „Neuen Deutschland" über die Ursachen und Hintergründe der faschistischen Provokationen am Tage „X", war eine allgemeine Stimmungsänderung im positiven Sinne zu bemerken. Der angeführte Leitartikel des Zentralorgans der SED fand großen Anklang unter der Bevölkerung und trug wesentlich zur Aufklärung der Massen bei.

Aus den von den VPKÄ eingereichten Stimmungsberichten ging hervor, daß große Teile der Bevölkerung Arbeitsniederlegungen und Streiks zu Senkung der Normen, Verbesserung der sozialen Einrichtungen usw. zustimmten, jedoch die faschistischen Provokationen, wie sie in Berlin und anderen Städten zu verzeichnen waren, ganz entschieden ablehnten.

Dem durch die Kommandanturen verhängten Ausnahmezustand wurde seitens der Bevölkerung des Bezirkes anfangs sehr wenig Verständnis entgegengebracht, da allgemein die Meinung vertreten wurde, daß die Notwendigkeit des Ausnahmezustandes im Bezirk Karl-Marx-Stadt nicht vorhanden sei.

Nach Bekanntwerden der enormen Auswirkung der faschistischen Provokationen in anderen Bezirken, wovon die Bevölkerung und deren Einrichtungen nicht unbetroffen blieben, schlug diese anfängliche Meinung in das Gegenteil um. Die Bevölkerung erkannte und brachte in Diskussionen zum Ausdruck, daß durch die Verhängung des Ausnahmezustandes sowie dem sofortigen Einsatz von Sowjetsoldaten die faschistischen Provokation scheiterten, ein größeres Blutvergießen vermieden wurde und der Frieden erhalten blieb.

IX. Schlußfolgerungen:

Die Hauptursache, daß die faschistischen Provokationen im Bezirk Karl-Marx-Stadt nicht zur Auswirkung kamen, dürfte darin begründet sein, daß bereits am 17.6.53, bei Arbeitsbeginn, Instrukteure der Partei in alle größeren Betriebe entsandt wurden und dort agitierten.

Die enge und ständige Nachrichtenverbindung zwischen BDVP, MfS des Bezirkes und Bezirksleitung der Partei schuf die Voraussetzungen, daß die Partei auf die geringsten Anzeichen der Unzufriedenheiten im Betrieb reagieren konnte und weitere Instrukteure zum Einsatz brachte. Durch das schnelle Reagieren und der auf diesem Gebiet geleisteten vorbeugenden Arbeit gelang es, die Wühlarbeit der Provokateure und Aufwiegler im Keime zu ersticken.

Die im Bericht aufgezeigten Schwächen und Mängel zeigen der Polizeiführung des Bezirkes die Notwendigkeit der Verstärkung sofortiger Instrukteureinsätze seitens der BDVP in den VPKÄ und durch die VPKÄ in ihren nachgeordneten Dienststellen.

Das Verhalten der gesamten Bevölkerung des Bezirkes Karl-Marx-Stadt hat bewiesen, daß dieser Bezirk mit Recht den Namen des größten Sohnes des deutschen Volkes trägt.

Chef der BDVP Karl-Marx-Stadt
(Schwager)
VP-Inspekteur

[Quelle: BArch, DO-1/11.0/305, Bl. 182-190 (Auszüge); - Namen von den Hg. anonymisiert; vollständig veröffentlicht in: Torsten Diedrich/Hans-Hermann Hertle (Hrsg.), Alarmstufe „Hornisse". Die geheimen Chef-Berichte der Volkspolizei über den 17. Juni 1953, Berlin 2003.]



Telefonische Meldungen und Durchsagen der SED im Bezirk Karl-Marx-Stadt
am 17. Juni 1953 an das ZK der SED (Auszüge) 17. Juni 5

Quelleneditorische Anmerkung: Es handelt sich bei den vorliegenden Meldungen um telefonische Durchsagen. Vielfach fehlen in den Dokumenten Satzzeichen; es wurden Ortsnamen falsch geschrieben bzw. keine ganzen Sätze formuliert. Die Texte wurden deshalb vorsichtig orthographisch und grammatikalisch verbessert (neue Rechtschreibung), soweit es die Lesbarkeit und Verständlichkeit der Meldungen erforderte. Es fand eine Angleichung bei den Eigen- und Ortsnamen statt. Auslassungen bzw. Nichtlesbarkeit des Textes werden mit (...) und Ergänzungen bzw. Einfügungen mit [...] gekennzeichnet.

19.37 Uhr, 17.6.53, SED-BL Karl-Marx-Stadt

Bericht 7:


Grosse Teile der Bevölkerung hören den Rias. Die Hetze des Rias wird stark verbreitet, dadurch wird die Bevölkerung beunruhigt. Die Diskussionen der Arbeiter, dass man diejenigen Genossen im ZK und der Regierung, die diese Fehler begangen haben, zur Rechenschaft ziehen soll, wird stark. In den Betrieben, die jetzt in Treuhand-Verwaltung stehen, Beispiel - Gästel, Limbach-Oberfrohna bei Karl-Marx-Stadt, Zwirnerei Schellenberg, Kreis Flöha, freuen sich, wenn die alten Besitzer wieder zurückkehren und wollen sie mit Blumen empfangen. In den Betrieben Trikotagenwerk I und II, je 500 Arbeiter, Kreis Werdau, im Posenwerk Crimmitschau Kreis Werdau und im Beinstrumpfwerk Sachsenring, Bernsburg, 250 bis 300 Arbeiter, wurde die Arbeit heute niedergelegt. Forderung der Arbeiter: Senkung der Normen, Rücktritt der Regierung. In den Betrieben Spinnerei- und Zwirnereimaschinenbau - Karl-Marx-Stadt, im VEB Drimmerei - Feinspinnerei - Burgstedt und Möbelstoffwerk II - Hohenstein-Ernstthal, VEB Wirkmaschinenbau Hohenstein-Ernstthal, bestehen Bestrebungen, die Arbeit niederzulegen.

In Glauchau wurden Flugblätter gefunden - Aufforderung - Sturz der Regierung. Der Betrieb Wolle und Seide wurde angerufen und aufgefordert, die Arbeit niederzulegen. Unseren Genossen fehlen schlagkräftige Argumente, viele weichen vor Diskussionen zurück. Es wird immer stärker eine eingehende Stellungnahme zu vielen mit dem Kommunique in Zusammenhang aufgetretenen Massnahmen verlangt. Austritte aus der Partei vermehren sich besonders bei Lehrern.

Stimmung der Bauern: In vielen Orten des Bezirkes veranstalteten Großbauern Freudenfeste und feiern dort die "Niederlage der DDR" und "Ihren Sieg". Die LPG-Bauern sind verängstigt. Vereinzelte wollen schon Flächen oder Land an die Großbauern zurückgeben. Ganz vereinzelt wollen LPG-Bauern ihre Wohnungen verlassen und ihre Arbeitsplätze aufgeben.

In Rochlitz hat ein Großbauer das Vieh von der LPG zurückverlangt. Im Kreis Annaberg wollten 2 Vorsitzende von LPG's ihre Funktionen niederlegen und 3 Mitglieder wollten ihren Austritt erklären, weil "es sehr schwarz aussehen würde". Im Kreis Rochlitz sprechen täglich Großbauern bei der Bauernbank vor und fordern die Kontenrückführung an die BHG. Die LPG Gellenberg Kreis Hohenstein hat für heute abend eine Vollversammlung angesetzt, betreffs "Auflösung der LPG".

Durchführung der Beschlüsse vom 11.6. - Handel und Versorgung - die bisherige Einschränkung der Lebensmittelkarten für Handwerker usw. betrug 6 % von der Gesamtbevölkerung. Härtefälle wurden bereits ausgeglichen. Es ist ein Anziehen der Kauftätigkeit zu verzeichnen und zwar in zuckerhaltigen Waren von ca. 10-15 %. Zur Zeit sind nicht die notwendigen Mengen an Fett und Backwaren vorhanden. Schwierigkeiten bereitet die Versorgung mit Getreideerzeugnissen. Die Versorgung damit ist bis zum 26.6. gesichert. Nach diesem Termin fehlen im Bezirk 2.200 to. In fleischverarbeitenden Betrieben fehlt es besonders an Gewürzen.

Ehemalige Besitzer von privaten Geschäften haben ihre Geschäfte von der HO zurückverlangt.

Nachmeldung:

In Berka, Kreis Plauen, ist eine Wismut-Verladestelle. Eine Berliner Firma bekommt dort Baustoffe angeliefert. Heute, 10.00 Uhr, legten dort 240 Bauarbeiter die Arbeit nieder.

17.35 Uhr, 18.6.53, SED-BL Karl-Marx-Stadt

Die Situation ist so, daß sich die Bevölkerung im allgemeinen beruhigt hat. In einzelnen Betrieben ist es noch zu Arbeitsniederlegungen gekommen.

Feindtätigkeit ist immer noch in der Nacht vom 17. zum 18., vor allem im Kleben von Flugzetteln und Verstreuen von Flugblättern zu verzeichnen.

Inhalt der Flugblätter:

"Deutsche Freunde, der Nationalbund der schaffenden NTS wendet sich an Euch, alle die Ihr noch unter der Tyrannei des Kommunismus lebt. Der NTS ist seit langem eine russische, antikommunistische Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, das kommunistische Regime auf revolutionärem Weg zu stürzen. In Rußland sind seit langem Kräfte am Werk, die gegen die Kommunismus kämpfen, der überwiegende Teil aus der Bevölkerung, vor allem aus der Sowjetarmee, ist dem Regime feindlich gesinnt. Diesen, gegen das Terror-Regime gerichteten Kräften, muß geholfen werden. Es gibt keine Sonderbefreiung des deutschen Ostens und anderer osteuropäischer Gebiete. Es gibt nur eine gemeinsame Befreiung aller vom Kommunismus unterjochten Völker. Die stalinistischen Marionetten in Berlin-Pankow verschwinden von selbst, wenn die Macht des Kommunismus im Kreml gebrochen ist. Der Kommunismus hat sich in Rußland eingenistet, hat dieses große Land unterjocht und die Sowjetarmee zum Werkzeug seiner Machtbestrebungen gemacht. Wenn sich aber diese Armee zusammen mit den russischen, deutschen und anderen Völkern erhebt, wird diese geballte Russenfaust auch Stalins Epigonen zerschlagen und es gelingt keiner Macht und es gibt keine Macht, weder m.W. noch die Partei, die einen solchen vernichtenden Schlag abwenden könnte. Was werden der Sowjetmacht Hunderttausende von Panzern nützen, wenn die Panzerbesatzungen ihre Waffen nicht auf die friedliche Welt, sondern gegen die Unterdrücker selbst richten. Diese Soldaten, Söhne der geknechteten russischen Bauern und Arbeiter, stehen heute als Besatzungsmacht in Eurem Vaterlande.
Der heißeste Wunsch nach Stalins Nachfolger ist es, daß Deutsche und Russen sich ewig verfeindet gegenüberstehen.
Deutsche, wir rufen Euch zu: Wer selbst von der Last der schweren Erinnerungen sich erdrücken läßt, ist zum Freiheitskampf nicht fähig. Im Namen unseres gemeinsamen Freiheitskampfes laßt uns zusammengehen. Starke Herzen lassen sich von negativen Gefühlen nicht irreführen, denn sie schauen in die Zukunft, welche uns die gemeinsame Freiheit bringen wird.  Zeigt einem jedem Russen, der eine menschliche Haltung an den Tag legt, daß Ihr bereit seid, ihn als Freund und Bundesgenossen im gemeinsamen Freiheitskampf zu betrachten. Für diesen Befreiungskampf brauchen wir nicht nur Euer Verständnis, sondern auch Eure Hilfe und aktive Mitarbeit.  Die Flugblätter des NTS erkennt Ihr an den Buchstaben "TC" (NTS) und an der Heugabel, dem Symbol des Volksaufstandes. Jedes Flugblatt des NTS gibt klare und konkrete Richtlinien für unzählige russische Antikommunisten und Patrioten, wie man den organisierten Kampf gegen den Kommunismus aufnehmen muß.
Jedes Flugblatt des NTS klärt über die wahren Gründe des künstlich geschürten Hasses zwischen Deutschen und Russen auf und zeigt, wer die eigentlichen Nutznießer sind.
Jedes Flugblatt des NTS in der Hand von Sowjetsoldaten und Offizieren bringt uns den Tag der Freiheit näher, darum trennt den russischen Text dieses Blattes ab und laßt ihn mit weiteren antikommunistischen Flugblättern in russische Hände gleiten. Ihr könnt solche Flugblätter auch in die für den Abtransport nach der Sowjetunion bestimmten Güter stecken, damit sich die antikommunistischen Kräfte auch in Rußland mehren. Leitet freiheitliche Russen, die gezwungen sind, nach dem Westen zu gehen, an die russische Freiheitsquelle in Westberlin, Berlin-Grunewald, Hohenzollerndamm 60, Telefon: 8775.
Hört den Sender "Freies Rußland" täglich in der Zeit von 13.30-14.30 MEZ auf Kurzwelle 45,3 und 47 m in russischer und deutscher Sprache.
Tod den Tyrannen! Freiheit den Schaffenden!"
Wie wir soeben erfahren, haben in Freiberg ca. 1.000 Bauarbeiter auf den Großbaustellen "Albert-Funk-Schacht" kurz vor Mittag die Arbeit niedergelegt. Genossen der Bezirksleitung sind auf dem Wege nach dort.”


Kreis Werdau:

Im VEB Wälzlagerfabrik Frauenreuth schlossen sich die Arbeiter der Frühschicht an den Streik an. (ca. 400 Arbeiter). Wie wir soeben erfahren, hat sich auch die Mittagsschicht dem Streik angeschlossen.

Jetzt streiken 1.200-1.500 Arbeiter.

Eine Brigade der Bezirksleitung ist im Betrieb. Die Arbeiter fordern: Herabsetzung der Normen und beabsichtigen, in einem gemeinsamen Marsch zum Stadtkommandanten zu gehen und die Aufhebung des Ausnahmezustandes zu erzwingen.

Kreis Rochlitz:

VEB Wema, ca. 250-300 Arbeiter, verlangten heute morgen Aufklärung über den Ausnahmezustand. Die Arbeit wurde nicht aufgenommen. Zur Zeit findet eine Belegschaftsversammlung statt. Ab 9.00 Uhr wurde die Arbeit fortgesetzt.

Hetzmaterial wurde per Post an den VEB Groma, Maklersdorf bei Karl-Marx-Stadt, gesandt. Dort wurde beabsichtigt, dieses Material in Kisten zu packen, die in die Sowjetunion versandt wurden.

Weiter wurden Schreiben versandt und zwar mit Kopfbogen des ZK, an verschiedene Parteiorganisationen. Das wesentliche des Inhaltes: Alle Portraits und Bilder des Genossen Malenkow an den sichtbarsten Stellen, an Arbeitsstellen, in Kulturstätten anbringen. Die Grundorganisationen sollen Mitgliederversammlungen durchführen und die Frage behandeln:

Warum ist das Anbringen der Bilder des Genossen Malenkow eine ideologische klare Einstellung zur revolutionären Linie unserer Partei.

Weiter wurde darauf hingewiesen, daß der Genosse Malenkow als führende Persönlichkeit nicht hinter dem Genossen Stalin, sondern mit ihm gleichgestellt werden muß.

Mit Maschine unterschrieben: Hermann Axen

Nummer des Drucks: 140/1200/50 1267 II 62

Text des Flugblattes: (erwähnt im Bericht FDJ-BL Wismut)

Es treten zwei verschiedene Flugblätter in Erscheinung. In dem einen heißt es: "Dadurch, daß die Wismut vorhanden ist, leidet die Schönheit des Erzgebirges. Seit die Wismut da ist, gibt es nur Unheil."

Im zweiten Flugblatt wurde zum Streik aufgerufen. Es wurde dazu aufgerufen, daß die Normen sowieso nicht bleiben. Die Arbeiter sollten noch verharren, alles kommt sowieso anders.

Das im Bericht Karl-Marx-Stadt erwähnte Flugblatt der NTS hat einen großen Umfang (großes Format) "Prawda" und ist in russischer Schrift.

[Quelle: SAPMO-BArch, NY 4062/94, Bl. 150-155.]

Gesamt-Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung
und Zentrum für Zeithistorische Forschungen Potsdam.


 

 

 

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