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Den Leuten hat´s gefallen...

Kurzkritik zur Premiere von „Charlys Tante“
am Annaberger Winterstein-Theater

Am Sonntag, 9.10.2016, fand um 19 Uhr die Charly-Premiere statt – und nicht erst
20 Uhr, wie in der Presse und in der hauseigenen Presseinformation verkündet wurde. Ob dadurch - oder aus anderen Gründen - einige Plätze frei blieben, wer kann es sagen...
Die in über 100 Sprachen übersetzte, tausendfach auf dem Theater gespielte, mehrfach stumm und mit Ton verfilmte, 1892 uraufgeführte Komödie von Brandon Thomas wurde nun auch mal wieder in Annaberg gezeigt.
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Handlung:

Die Studenten Charley und Jack brauchen für eine Verabredung mit ihren Freundinnen Amy und Kitty dringend eine Anstandsdame. Da die dafür vorgesehene Donna Lucia d’ Alvadorez, Charleys Tante und Witwe aus Brasilien, nicht rechtzeitig eintrifft, überreden die beiden ihren Freund und Butler Lord Fancourt Babberly, als Frau verkleidet in die Rolle zu schlüpfen. Nicht nur diese Komödie lebt dann über zwei Stunden von der aus Travestie resultierenden Situationskomik, die mitunter Leute zum Lachen bringen kann... - Männer in Frauenkleidern sind eben weltweit - immer noch - ein Brüller.

Regie:

Urs-Alexander Schleiff, der als Regisseur neben Freiberg und Döbeln auch in Annaberg unterwegs ist, hat hier schon sehr anständige Inszenierungen auf die Bretter gebracht, wie z.B. „Wirtshaus im Spessart“, „Olsenbande“, „Dolly“ oder jüngst die Greifenstein-„Sissy“. Auch die Tante von Charly kann er zumindest in der zweiten Hälfte seiner neuesten Inszenierung unter erfolgreich verbuchen. Im ersten Teil des Abends hat er offenbar zu wenig eines der wichtigsten Theater-Gebote beachtet: „Du sollst Dein Publikum nicht langweilen!“ Erst mit den lustigen und skurrilen Szenen beim „Dinner for seven“ nahm das Stück Fahrt auf und wurde zur Komödie.

Darsteller:

Hätte man den Schauspielerinnen und Schauspielern, besonders den jungen, neuen, mehr Probenzeit eingeräumt, wären sie möglicherweise fast so gut gewesen, wie ihre gestandenen Mimen. Die beiden jungen Buffo-Paare (wie schade, dass man sich nicht für das Musical-Version „Where’s Charley?“ entschieden hat) spielten frisch, aber mitunter zu zappelig, was wie temporeiches Spiel aussehen sollte.
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Christiane Schlott als zickig-charmante Kitty, der Neuzugang Isa Etienne Flaccus ebenso als Anny, aber mit angenehm sonorer Stimmgestaltung. Bei Sebastian Schlicht als Jack ist die Bühnenerfahrung hör- und schaubar, während sie bei dem anderen Neuengagement Philipp Adam noch Entwicklungsmöglichkeiten verspricht. Hätte der Regisseur gemeinsam mit seinen Protagonisten mehr Probenzeit zur Verfügung gehabt und wären die zwei jungen Männer nicht durch zusätzliche Rollen-übernahmen belastet gewesen, ihr achtenswerter Erfolg wäre möglicherweise noch etwas größer ausgefallen.
Frauen in Männerkleidern hatten es zu allen Zeiten nicht schwer, die Lacher auf sich zu ziehen. Doch bei Marvin Thiede waren es nicht nur die verschwuchtelten Klamotten, die ihm am Ende der Vorstellung – und dann noch mal in der Kantine – verdienten Applaus einbrachten, sondern in erster Linie seine souverän-komische Darstellung in zwei Rollen von unterschiedlichem Charakter: Diener Brassett und Charlys Tante – hin und zurück. Ihm zu Seite als großartig gespielten militanten Gentleman der Vater von Jack, Nenad Žanić, als Sir, Witwer und Colonel in Ruhe, der für wunderbare und sehr komische Unruhe auf der Bühne sorgte. Seine Sprechbehandlung, Einheit von Geste und Wort, könnte als Studienobjekt für so manch anderen Darsteller produktiv genutzt werden. Nicht für den Bühnen erfahrenen Komödianten Dennis Pfuhl, der als liebestoller, sprachgewaltiger, die Hosen herunterlassender Rechtsanwalt Spettiguet mehrere humorige Kabinettstückchen bis hin zu verwegenen Tanzeinlagen mit Slapstick liefert und den Abend gemeinsam mit Thiede und  Žanić zur Komödie - mit der notwendigen Klamottierung - werden lässt.
Viel Applaus für alle drei! Aber auch für die Grande Dame des Abends, für Gisa Kümmerling, die als die echte Tante von Charly, als Witwe und Millionärin Donna Lucia d´ Alvadorez in attraktiver Garderobe mit Florentiner die Blicke auf sich zieht und in ihren kurzen Szenen großes Theater erleben lässt (leider kein Pressefoto vorhanden!).

Kostüme:

Siehe das Kostüm von Gisa Kümmerling – edel, mondän, attraktiv, stimmig. Auch alle anderen von Erika Lust mit Sinn fürs Detail und in die Zeit passend ausgewählt und auf den jeweiligen Körper intelligent zugeschnitten. Bravo!
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Bühnenbild:

Überladen, zu bunt – aber bestimmt gut gemeint von Tilo Staude, der u.a. einst mit seiner Tanhäuser“-Ausstattung mehr überzeugen konnte. Mehr Klarheit in den Flächen wäre ratsam gewesen, auch, damit die Darsteller mit ihren farbigen Kostümen nicht in den reich bemalten Plafonds und Seitenstücken „verschwinden“.

Musik:

Das, was im zweiten Teil des Abends der Komödie ihren musikalischen Zusatzreiz vermittelte, fehlte im ersten Teil fast gänzlich (selbst aus einem alten Bühnen-Gramophon kann man technisch mehr herausholen). Möglicherweise hat die musikalische Zurückhaltung mit zum etwas langatmigen Entre beigetragen.
Wenn es schon nicht das Musical sein sollte, dann hätte dieses Schauspiel mit mehr Musik auch noch deutlicheren Anklang gefunden.
Markus Teichler (musikalische Einstudierung) kann das sehr gut; warum hier diese Zurückhaltung, wer hat ihn möglicherweise  gebremst?

Programmheft:

Innen ansprechend gestaltet (außen: naja?!), informativ, sehr lesbar – Dramaturgie: Silvia Giese

Kantine:


Versorgung - trotz zeitweiligen Personalmangels - gut bis sehr gut. Die Weinsorten (insbesondere der Rotwein) bedürfen eines Qualitätssprunges nach oben.


Publikum:

Den Leuten hat´s gefallen...! - Muss Theater eigentlich mehr leisten?!

red.

Fotos: Theater/Rückschloß

Nächste Vorstellungen: 12./14. und 29.10.2016 jeweils 19.30 Uhr

Karten unter: 03733/1407-131



 

 

 

 

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