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Goethes Lehrer – ein Annaberger

Zum 275. Geburtstag von Christian August Clodius

„Unter den Personen, welche sich Behrisch zu Zielscheiben seines Witzes erlesen hatte, stand gerade Clodius obenan; auch war es nicht schwer, ihm eine komische Seite abzugewinnen. Als eine kleine, etwas starke, gedrängte Figur war er in seinen Bewegungen heftig, etwas fahrig in seinen Äußerungen und unstet in seinem Betragen. Durch alles dies unterschied er sich von seinen Mitbürgern, die ihn jedoch, wegen seiner guten Eigenschaften und der schönen Hoffnungen, die er gab, recht gern gelten ließen...“.

      Mit diesen und weiteren Worten rechnete Johann Wolfgang Goethe in seiner Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ (2. Buch/7. Abschnitt) mit seinem ehemaligen Leipziger Lehrer Prof. Christian August Clodius noch einmal literarisch ab und setzte ihm mit dem darin erstmals veröffentlichtem Spottgedicht aus seiner Studentenzeit „Auf den Kuchenbäcker Hendel“ ein Denkmal der besonderen Art. Auch nach der ersten Aufführung des „Medon“ (1768) von Clodius dichtete Goethe im Freundeskreis eine Harlekinade als frechen Prolog auf dessen Drama. Anlass dafür war: Der Leipziger Student Goethe hatte 1766 seinem Literatur- und Philosophieprofessor eigene, noch unvollkommene Dichtungen vorgelegt, an denen Clodius die Überbetonung der antiken Mythologie kritisierte, was der spätere Dichterfürst offensichtlich bis ins hohe Alter nicht verkrafteten konnte.

      Der spätere Lehrer Goethes war frühzeitig in seinem Elternhaus mit den schönen Künsten und der Literatur in Berührung gekommen. Sein Vater, Magnus Christian Clodius (1694–1778), leitete als Rektor die renommierte Lateinschule in Annaberg, bevor er das Gymnasium in Zwickau übernahm. Seine Mutter, Eleonora Sophia, war eine geb. Scheureck (1713–1758) aus Wittenberg. Am 5. Januar 1738 wurde ihr Sohn Christian August in Annaberg, vermutlich im Haus neben der Lateinschule (heute „Nötig und Nützlich“), geboren. Der humanistischen Tradition seines Elternhauses folgend, wurde Clodius zunächst vom Vater selbst erzogen, studierte dann in Leipzig 1756 bis 1759 insbesondere Literatur und klassische Altertumskunde. Er lernte dort den Dichter Christian Fürchtegott Gellert kennen, dessen Lieblingsschüler er wurde und der ihm durch seine Förderung die Universitätslaufbahn erleichterte, in der er bald zu angesehener Stellung gelangte: Mit 22 Jahren wurde er 1760 außerordentlicher sowie 1764 ordentlicher Professor der Philosophie, dessen Vorlesungen auch Goethe lauschte.

Im Jahre 1778 habilitierte er zum Professor der Logik und Dichtkunst, bevor er 1782 zum Rektor der Leipziger Universität gewählt wurde. Bei einem längeren Aufenthalt in Zwickau und „nach ein paar erholsamen Tagen in Annaberg“ lernte er 1758 auch den Dichter und preußischen Offizier Ewald von Kleist kennen, der ihn mit den Schriften des Philosophen Emanuel Kant vertraut machte und in seinen wissenschaftlichen Unternehmungen weiter bestärkte. Er nahm sich in seinen heute vergessenen Werken (Oden, Dramen, Prologe, Gedichte, lateinische Schriften) insbesondere Kleist thematisch zum Vorbild und zum Maßstab für seine kritischen Positionen auch gegenüber Goethe.

Clodius heiratete 1771 die aus Altenburg/Thüringen stammende Julie Friederike Henriette, geb. Stölzel (1750-1805). Ihr gemeinsamer Sohn, der später berühmt gewordene Dichter Christian August Heinrich Clodius wurde 1772 geboren.

Die Familie unternahm zahlreiche Fahrten in das Erzgebirge und auch in den Geburtsort des Vaters, nach Annaberg, wie Aufzeichnungen aus dem durch den Sohn teilweise veröffentlichten Nachlass seines Vaters belegen (Briefe sowie Biografisches Nachwort in: Christian August Clodius – Neue vermischte Schriften, 5. Teil, 1784).

Während sein verdienstvolles Wirken heute nahezu vergessen und in seiner Heimatstadt Annaberg der Name Clodius fast gänzlich unbekannt ist, überdauerte Goethes sarkastische Nachrede in dessen „Dichtung und Wahrheit“ die Jahrhunderte. Sie vermittelt allerdings ein einseitiges und ungerechtes Bild von Clodius, der unter anderem vom zeitgenössischen Philosophen Elschenbroich als ein „Mann von umfassender Bildung, geistigem Weitblick, hohem Kunstverständnis und edlem Charakter“ gewürdigt wurde. Sein Sohn bemühte sich beim kritikempfindlichen Geheimrat Goethe später noch einmal vergeblich um eine gerechtere Beurteilung seines Vaters, der am 30. November 1784 in Leipzig starb.

Gotthard B. Schicker, Dez. 2011

 

 

 

 

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