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ANNABERGER THEATER A B C
Schlag- und Stichworte aus der alten und neueren Geschichte des Annaberger Musentempels aus Anlass seiner 120. Spielzeit dem Alphabete nach geordnet und offen für Ergänzungen von Namen, Zahlen und Episoden.
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VORWORT - Wenn in den folgenden Texten hauptsächlich die Jahre von 1893 bis etwa 1980 berücksichtigt worden sind, so hängt das mit meiner Biographie zusammen. Nun gut, an 1893 kann ich mich nicht mehr persönlich erinnern, aber ab 1960 sind die Erinnerungen noch sehr wach, weil oftmals das hier Aufgeschriebene auch selbst erlebt wurde. Irgendwann verlässt man seine Heimatstadt, aber sie verlässt einen nie. Andere wiederum verlassen sie nie und kommen sich dennoch in ihr verlassen vor... So habe ich also manches aus der zeitlichen und räumlichen Entfernung aufgeschrieben und es immer wieder bei meinen zahlreichen Besuchen in Annaberg überprüft. Bis dann 1993 – zum 100. Geburtstag unsres/meines Theaters – diese Texte in Broschürenform in meinem damaligen Verlag in Budapest erschienen sind. Nun wieder in die Heimat zurückgekehrt, habe ich sie noch einmal einer gründlichen Prüfung unterzogen, etwas redigiert, korrigiert, behutsam aktualisiert und erweitert. Dieses Theater-ABC ist somit zur ständigen Ergänzung, zum Fortschreiben geeignet, woran sich die Leserschaft gerne beteiligen möge. Es soll aber keineswegs eine vollständige Theater-Chronik ersetzen, sondern lediglich historische Begebenheiten sowie mitunter sehr persönliche Beobachtungen, Eindrücke, Erfahrungen und Meinungen in ein paar Schlag- und Stichworten wieder geben. Aus alten Dokumenten, vergilbten Programmheften, stundenlangem Kantinenklatsch und mitunter sogar ernsthaften Gesprächen mit Theaterleuten sowie dank persönlicher hiesiger Bühnenerfahrungen habe ich versucht, aus meiner Sicht Typisches aus der Geschichte dieses Hauses zusammenzutragen und dem Alphabete nach aufzuschreiben.
Schlag- und Stichworte erhalten die Darsteller von ihren Partnern auf der Bühne, oder sie werden ihnen aus dem Souffleurkasten (bzw. aus der 1. Gasse) zugeflüstert. Für die Schauspieler/innen und Schauspieler oder die Sängerinnen und Sänger – insbesondere aber für die Tenöre – sind dies wichtige Erinnerungshilfen, um den Anschluss zu finden im Dramentext, der Opernarie, dem Operettenliedchen, oder auch nur, um ihren Auftritt auf das richtige Stichwort hin nicht zu verpassen. Früher bekam man noch vom Inspizienten im Moment des Stichwortes einen Schlag auf die Schulter oder einen Tritt in den Hintern, um auf die Bühne zu eilen. Wer weiß, vielleicht ist so das Schlagwort entstanden...
Die Texte widme ich also dem Theater in meiner Heimatstadt Annaberg in Ehrfurcht vor seinem Alter und in Dankbarkeit für seine Leistungen in all den Jahren sowie für die frühe Erziehung meiner Gefühle vor und auf den Brettern, die auch mir einst eine kleine Welt bedeutet hatten.
Aus Anlass der 120. Spielzeit habe ich die Schlag- und Stichworte um etliche Namen aus der Gegenwart ergänzt, kleinere Fehler korrigiert und somit den Umfang des Theater-ABC wesentlich erweitert. Die Leserschaft wird aber gebeten, mit Hinweisen und Ergänzungen diese kleine Chronik mit Namen, Zahlen und Episoden weiter zu entwickeln.
Möge das Haus der schönen Bergstadt und ihren Gästen immerdar erhalten bleiben, um auch weiterhin zu einer ästhetischen Atmosphäre im Erzgebirge beizutragen und ein wenig dabei mitzuwirken, auch in der oftmals doppelt kalten Welt dort droben, die Herzen der Menschen – mit den bescheidenen Mitteln der Künste – wenigsten etwas zu erwärmen. Dazu wünsche ich allen Mitgliedern des Theaters, vor und hinter dem Vorhang, dem verehrten Publikum im Parkett und auf dem Rang sowie allen geneigten Leserinnen und Leser dieses „Annaberger Theater ABC“ viel Vergnügen beim Erinnern und Entdecken, Ärgern und Schmunzeln, - und ein herzliches Toi, Toi, Toi allen Künstlern von damals und heute!
Gotthard B. Schicker 120. Spielzeit im September 2012
Wer Vorschläge für weitere Schlag- und Stichworte einbringen möchte (gern auch mit Foto), sende diese bitte an annabergerwochenblatt@gmail.com
A
Annaberger Stadttheater - wird das am 2. April 1893 eröffnete Haus allgemein bis heute genannt. Offiziell hieß es damals „Neues Stadt-Theater Annaberg“ und war Eigentum einer Theatergemeinschaft. Als es 1919 von der Stadtverwaltung übernommen wurde, erhielt es den Namen „Städtebundtheater“; 1933 „Grenzlandtheater Obererzgebirge“; 1939 „Landestheater Obererzgebirge“,1947 „Stadttheater Annaberg-Buchholz“; 1951 „Kreistheater Annaberg/ Erzgebirge“ und schließlich wird es 1981 in „Eduard-von-Winterstein-Theater“ umbenannt.
Abstecher - werden regelmäßige Gastspiele des Theaterensembles in Volkshäusern, Gasthöfen, Kulturhäusern, Kinos der näheren und weiteren Umgebung genannt. In den 60er Jahren bespielte das Theater noch neun Orte darunter u.a. Warmbad, Schwarzenberg, Eibenstock, Zschopau, Glauchau, Burgstädt und selbstverständlich die Freilichtbühne auf den Greifensteinen. Zusätzlich zu ihrer mageren Gage erhielten die Darsteller je 3,- Mark Diäten - auch Ze(ä)hrgeld genannt - pro Abstecher. Heutzutage sind die Greifensteine und das Kulturhaus Aue als ständiger Abstecher, besser als Zweitbühne, übrig geblieben. Mitunter werden das Ensemble oder einzelne Künstler zu Gastspielen über die Grenzen des Freistaates Sachsen hinaus verpflichtet.
Abendvorstellung - Heutzutage beginnen die Vorstellungen meist um 19 oder 20 Uhr. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren die Vorstellungen meist um 16 oder 17 Uhr angesetzt. Auch in der Frühzeit des Annaberger Theaters waren die früheren Vorstellungen beliebt, da man mit der Kutsche noch bei Tageslicht zu Hause - mitunter Orte in der Umgebung - ankommen wollte.
Abenddienst - auch Stallwache genannt, ist der Aufsichtsdienst, der meist aus künstlerischem oder technischem Vorstand des Theaters besteht. Auch als Abendspielleiter/in bezeichnet. Er ist für den Gesamtablauf der Vorstellung verantwortlich, hat auch gegenüber dem Publikum die Aufgabe, auf Umbesetzungen der Rollen oder auf Krankheit bzw. Indisponiertheit (leichte Erkältung) vor dem Vorhang hinzuweisen.
Abdankung - in den ersten Jahren des Annaberger Theaters war es auch hier - wie an fast allen deutschen Bühnen üblich - sich nach der Vorstellung vor dem Vorhang beim Publikum zu bedanken. Das nahm meist der Abenddienst bzw. der Intendant persönlich vor. Man bedankte sich nicht nur höflich beim Publikum für das Erscheinen, sondern machte auch auf die nächsten Vorstellungen aufmerksam.
Abonnement - auch Anrecht, die Garantie auf einen Theaterplatz oder Stammsitz. Im Annaberger Theater wurde es erst 1920 eingeführt. Von da an sind auch kleine Messingschildchen mit den Namen der meist gutbetuchten Abonnementen und Sponsoren an den Theaterstühlen angebracht worden. Die Einführung des Abonnement-Wesens diente auch der Einnahme von Garantiesummen zum Erhalt des Theaters. In späteren Jahren wurde ein Abonnementensystem entwickelt, mit dem unterschiedliche Altersgruppen garantierten und verbilligten Zutritt zu den verschiedensten Spielplankombinationen erhielten. So gab es Premieren -,Einzel-, Gruppen-, Brigade-, Schüler-, Konzertanrechte. Eine Anrechtsabteilung wurde extra geschaffen, die z.B. 1966 auf 6.052 Abonnementabschlüsse verweisen konnte.
Ankleider/in - auch Garderobier/en genannt, gehören zu jenem beflissenen Theaterpersonal, welches den Darstellern in die Bühnenkleidung hilft. Darüber hinaus sind es gute Geister, die den Künstlern in ihren Aufenthaltsräumen vor, während und nach den Vorstellungen oder Proben Wünsche von den Augen ablesen, sie mit Ess- und viel Trinkbarem versorgen, Knöpfe annähen, Bühnenkleidung waschen und bügeln, Geld leihen, Mut bei Lampenfieber zusprechen, Autogrammjäger den Künstlern zuführen oder fernhalten, Diskretion über Affären bewahren, die aber auch manchmal Arzt, Priester und Mutter/Vater in einem sein müssen. In der ersten Theatersaison in Annaberg übte Herr Gläser dieses Amt aus. Seine damaligen Aufgaben haben sich zu denen von heute kaum verändert. Allerdings hatte er es zu seiner Zeit noch nicht mit der Bühnenkleidung aus dem Fundus zu tun, sondern vielmehr mit den Fräcken, Gehröcken, Reifröcken, Schuhen, Hüten, Handschuhen u.a. der Darsteller, die sie privat dem Theater zur Verfügung stellen mussten. Eine besonders schwere Arbeit hatten die Ankleider auf Abstechern und auf der Freilichtbühne Greifensteine zu leisten. Die längste Zeit übte die Funktion einer Garderobiere wahrscheinlich Frau Gertrud Zimmermann am Annaberger Theater aus. Über 40 Jahre war sie dort der „seelische Mülleimer der Künstler “,wie die ehemalige Tänzerin ihre aufopferungsvolle und interessante Tätigkeit selbst einschätzte.
Anstandsdamen - wurden in sogenannten Salonstücken, Possen und Lustspielen gebraucht. Die ersten Fachverträge hatten dafür 1893 die Damen Philippine Penz und Helene Gibson am Annaberger Theater erhalten. Heute scheint diese Gattung ausgestorben zu sein.
Albert, König von Sachsen - anlässlich seines Geburtstages wurde am 23.4.1893 eine Festvorstellung von Lessings “ Minna von Barnhelm “ gegeben, zu der Herr Alban Frisch - . Redakteur des “Annaberger Wochenblattes“ - einen zu Herzen gehenden Prolog verfasst hatte. Zum Festakt anlässlich des 500jährigen Geburtstages von Adam Ries 1992 weilte der Nachfahre des sächsischen Königshauses, Prinz Albert Herzog zu Sachsen, im Annaberger Theater.
Alternieren meint, dass sich zwei oder mehr Schauspieler oder Sänger abwechselnd in einem Rollenfach spielen oder sich in eine Partie hinein teilen.
Abschminke - eine Fettcreme - meist Vaseline - zum Abschminken der Schminke. Daraus wurde aber auch, “sich eine Rolle abschminken”, - der Versuch also, sich einer unbeliebten Rolle zu entledigen.
Abstinken - ein alter Theaterbegriff, der dann gebraucht wird, wenn ein Werk oder ein Darsteller beim Publikum nicht ankommt, mit Mißfallen bedacht wird. Auch am Annaberger Theater stanken manche Stücke und Darsteller schon ab, die wurden dann meist rasch abgesetzt oder nicht mehr engagiert.
Ausbildung - am Annaberger Theater waren zu seiner Eröffnung 1893 die meisten Darsteller an privaten Schulen für darstellende Künste oder für Gesang ausgebildet worden. Der Intendant Kurtscholz achtete sehr darauf, dass er ausgebildetes Personal erhielt. Das schloss nicht aus, dass auch Anfänger und Laiendarsteller/innen in den zahlreichen Stücken der Anfangsjahre mit auftraten. Da diese privaten Schulen später durch staatliche Institute, Konservatorien und Hochschulen ergänzt wurden, legte man seitens des Theaters, aber auch der Darsteller, immer mehr Wert darauf, gut ausgebildetes Personal zu engagieren. Das war allerdings auch mit der Gefahr verbunden, dass die Fluktuation an unserem kleinen Theater hin zu größeren Bühnen mitunter erhebliche und nicht selten Probleme im Spielplan mit sich brachte. Nach dem I. Weltkrieg ging man dazu über, stärker Laiendarsteller am Theater zu binden, die teilweise eine Ausbildung durch eigene Kräfte vom Theater oder aus der Stadt erhielten und mit einer längeren Vertragsbindung am Haus verpflichtet wurden. Zu DDR-Zeiten war es erforderlich, entweder einen Hochschul - oder Konservatoriums-Abschluss vorzuweisen, bzw. eine staatliche Bühnenreifeprüfung in Berlin abzulegen. So wurde z.B. durch den Intendanten Roland Gandt und den musikalischen Oberleitern geprüft, ob nach erfolgtem Studien- bzw. Prüfungsabschluß weitere Qualifizierungen im Fach erfolgen sollen. Es wurde dafür zeitweilig Sprech- und Gesangsunterricht auf Kosten des Theaters angeboten. Später wurde z.B. im Chor durch regelmäßiges Einzel-Vorsingen (aller zwei Jahre) ermittelt, wie die Stimmqualitäten einzuschätzen sind. Dann wurden Qualifizierungen vorgeschlagen, aber auch Verträge bei solchen Schauspielern oder Sängern (auch Chorsängern) - in Absprache mit der Gewerkschaft - nicht verlängert, die der künstlerischen Qualität nicht mehr entsprachen. Heutzutage wird offensichtlich auf entsprechende Ausbildungen nicht mehr in allen Fällen geachtet, zumal auch die Kontrolle der Stimme und das darstellerische Vermögen dem Einzelnen überlassen bleibt. Ein erneutes Vorsingen nach einem längeren Engagement mit den daraus zu erfolgenden Schlussfolgerungen für eine Weiterbeschäftigung oder entsprechenden Qualifizierungsvorschlägen, bzw. einer Beendigung des Engagements aus künstlerischen Qualitätsmängel sind aus neuerer Zeit nicht bekannt. Man behilft sich heutzutage dann lieber mit Gästen oder Stimmverstärkern á la Microport... - eine technische Krücke, die am früheren Annaberger Theater - sowohl im Haus als auch auf der Freilichtbühne - undenkbar gewesen wäre; da hatten die Darsteller noch eigene, kräftige, gut geschulte - und von der Leitung kontrollierte - Stimmen, wo man fast jedes Wort bis in die letzte Reihe verstehen konnte.
B
Ballett - in seinen besten Zeiten verfügte das Annaberger Theater über ein leistungsstarkes Corps de Ballet, das noch bis Anfang der 70er Jahre mit eigenen Ballettabenden vor das Publikum trat. Als hervorragende Prima Ballerina ist Hannelore Weichert (Lubensky-Böhme) bekannt geworden. Legendär waren auch die Choreographien der Ballettmeisterin Käte Schmidt-Müthing. Regelmäßig wirkte das Ballettensemble in den Inszenierungen des Musiktheaters mit, und auf der Freilichtbühne wurden auch mal Statisten-Aufgaben von den Tänzerinnen und Tänzern übernommen. Selbst dem Chor liehen die Damen und Herrn des Balletts in so mancher Operette ihre durchdringenden Stimmen, wie z.B. 1950 in “Frau Luna” (Foto).
Bolley, Hansjosef - Intendant von 1934 bis 1945; es gelang ihm, den Spielplan von nationalsozialistischen Propagandastücken weitestgehend freizuhalten und ein relativ seriöses Spielplankonzept durchzusetzen. Propagandaveranstaltungen, zu denen das Theater von der Annaberger NSDAP-Ortsgruppe missbraucht wurde, konnte er nicht verhindern.
Bonvivant - war die Bezeichnung für einen Fachschauspieler, der solche Figuren wie Diener, Kammerjunker, Stutzer, Luftikusse u.ä. lustig zu gestalten hatte. Der erste Bonvivant des Annaberger Theaters war der gebürtige Ungar Alexander Sándory. Bonvivantes standen neben den Darstellern der Helden und Liebhaber in der Publikumsgunst ganz oben. Deshalb stand der Annaberger Bonvivant Sándory in der Ankündigung zur Eröffnung des Hauses auch gleich nach den SchaupielernWeltzien und von Winterstein an dritter Stelle.
Bugge, Oscar - gehörte als Väterdarsteller und zur Verkörperung der Chargen-Rollen zum Gründungsensemble von 1893.
Besucher - kamen hauptsächlich aus Annaberg, Buchholz und den umliegenden Orten. Theater-Extrazüge brachten z.B. am 9.5.1893 und am 16.5.1893 Besucher aus Zschopau/Schönfeld/Geyer, bzw. aus Weipert/Bärenstein in das Annaberger Theater. Am 3.5.1893 vergab die Direktion großzügig 100 Freikarten an die hiesigen höheren Lehranstalten, um die 2. Vorstellung von Lessings „Minna von Barnhelm“ Annaberger Jugendlichen zu erschließen. In späteren Jahren wurde das Zubringerwesen eingerichtet: Aus 31 umliegenden Orten (1968) wurden Besucher - meist zu ermäßigten Preisen - mit Bussen in das Theater und nach den Vorstellungen wieder zurück in ihre Heimatorte gebracht. Mitte der 60er Jahre wurde eine Besucherabteilung geschaffen, die diese Aktivitäten koordinierte.
Buschan, Lotte - beliebte Sopranistin (Foto), auch „grand dame“ des Annaberger Theaters genannt. Sie gestaltete von 1957 bis 1977 markante Frauenrollen des Musiktheaters u.a. die Gräfin in „Hochzeit des Figaro“, oder die unvergessliche Rösselwirtin „Im Weißen Rößl am Wolfgangsee“, aber auch die Hexe in „Hänsel und Gretel“ von Humperdinck. (Siehe auch meinen Text-Beitrag zu Lotte Buschan hier).
Benefiz-Vorstellung – Aufführung, Konzert, wo die Einnahmen einem gemeinnützigen Zweck oder Einzelpersonen des darstellenden Personals zugute kommen. Die erste Benefiz gab es am Annaberger Theater am 25.5.1893 mit dem Stück „Eine Palastrevolution“. Die Einnahmen bekam das gesamte Theaterpersonal. Späterhin verabschiedeten sich beliebte Darsteller von ihrem Publikum mit einer letzten Benefiz-Vorstellung. Bei einer solchen Benefiz bekam z.B. Eduard von Winterstein im September 1893 die stattliche Summe von 110 Mark zusätzlich zu seiner „fabelhaften Gage von 160 Mark“. Eine Summe, „mit der man zu jener Zeit in diesen kleinen Städten sehr gut auskommen konnte “, wie er in seinen Lebenserinnerungen über Annaberg schreibt. Solidaritätsvorstellungen, deren Erlös u.a. Geschädigten von Naturkatastrophen gespendet wurden, ersetzten bis in die 80er Jahre hinein die ursprünglichen Wohltätigkeitsveranstaltungen. Benefizen für markante Persönlichkeiten des Annaberger Theaters sind aus dieser Zeit nicht bekannt. Allerdings hat sich auch das Theater an den Spendenaktionen der Weiße-Stiftung (siehe dazu auch meinen Text über Christian Felix Weiße hier) beteiligt.
Betriebsbüro, künstlerisches - wurde als eigenständiger Bereich erst in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts am Annaberger Theater installiert und war mit dem heutigen Bereich Öffentlichkeitsarbeit gekoppelt; vorher lagen die Aufgaben für Besetzungslisten, Probenpläne, Rollenbücher, Partituren oder Umbesetzungen bei der Verwaltung oder beim ökonomischen - früher Wirtschafts-Direktor.
Billé, Hermance - war 1893 die 1. Liebhaberin des Annaberger Theaters. Vermutlich trat sie unter ihrem Künstlernamen auf, wie dies damals häufig bei exponierten Fach-Schauspielerinnen der Fall war. In der I. Saison gab es noch an Liebhaberinnen die „Sentimentale“ – Gutti Gedé, die „Muntere“ - Else Trost - und die „Naive“ - Bertha Weber.
Ballhaus, Lothar - seriöser Charakter-Bass, der mit seinem wundervoll-sonorem Stimmmaterial besonders in der Händeloper „Radamisto“ (Titelpartie 1966) das Annaberger Theaterpublikum begeisterte, aber auch in Operettenrollen sein komisches Talent voll ausspielte und mit seiner Vielseitigkeit überzeugte. Von Annaberg ging er an das Theater in Freiberg und wurde dort ebenfalls rasch zum Publikumsliebling.
Beifall - anderes Wort für Applaus und doch nicht das gleiche. Applaus bekommt der Künstler vom Publikum unmittelbar für eine mehr oder weniger gelungene Leistung, laut, heftig oder verhalten gespendet. Beifall kann aber auch nur in Worten oder anerkennenden Gesten, geräuschlos daher kommen. Applaus kann man organisieren, bestellen, kaufen. Beifall schon weniger. “Applaus schinden” ist eine beliebte Art, nicht vorgesehene Gags anzubringen, durch das Heraustreten aus der Rolle die Gunst des Publikums erheischen. Diese Form hat sich bis heute erhalten und ist nicht nur im komischen Fach zu beobachten...
Bravour-Arien - durften am alten Annaberger Theater von beim Publikum beliebten Sängerinnen und Sängern, ohne Abstimmung mit dem Intendanten oder Regisseur, in die jeweilige Oper oder Operette eingeflochten werden. Sie konnten auch einer gänzlich anderen Oper entliehen werden, wenn sie nur einigermaßen zum Thema passten. Etwa um 1910 wurden derartige überraschende Einschübe durch regionale Theatergesetze untersagt.
Bravo - ein heute selten gehörter Ausruf der Begeisterung für eine künstlerische Leistung, der in südlichen Ländern teilweise inflationär angewandt wird. Der Ausruf bedeutet brav, schön oder eben als Steigerung das Bravissimo - zum Bravsten. Bravo heißt aber richtig übersetzt vielmehr wacker, tapfer, beherzt - der Bravo ist ein Kecker.
C
Chor - eine nicht wegzudenkende Sänger/innen-Gemeinschaft, die am Annaberger Musiktheater immer stark beschäftigt war. Für größere Aufgaben in Oper und Operette stand ihm später ein Extrachor verstärkend zur Seite. Der Männerchor war zuzeiten zahlenmäßig so stark, dass selbst Verdis Oper „Rigoletto“, die bekanntlich ohne den Gesang der Chordamen auskommt, in Annaberg aufgeführt werden konnte. Häufig wurden Chorkonzerte veranstaltet. Gemeinsam mit dem „Singkreis“ (dem sogenannten Schaarschmidt-Chor), dem „Städtischen Chor Annaberg“ (dem sogenannten Naumann-Chor), dem „Tannhäuser-Chor“ aus der Gaststätte „Böhmsches Tor“ und dem „Volkschor- Cunersdorf“ brachten der Chor des Theaters und das Orchester mehrfach die IX. Sinfonie von Ludwig van Beethoven zum Jahreswechsel zu Gehör. Chormitglieder wurden aber auch als Solisten, Statisten, Tänzer, Bühnenarbeiter und als „bewegte Masse“ besonders auf der Freilichtbühne Greifensteine - für eine Gage von 365,- DM monatlich (1966) - verbraucht. Unter den Intendanten Laven und später Gandt wurde sehr auf die stimmliche Qualifizierung der Chorsänger und -sängerinnen geachtet. Aller zwei Jahre war ein Einzel-Vorsingen angeordnet, dort wurde darüber entschieden, ob ev. eine vom Theater unterstützte Solo-Karriere anzustreben sei, oder eine Vertragsverlängerung nicht mehr in Frage kommt. Auch wurde kontrolliert, ob regelmäßig Gesangsunterricht - bzw. Sprecherziehung bei Schauspielern - genommen wurde. Darüber war Nachweis zu führen. (Foto: Chordirektor Uwe Hanke, 2016)
Civil, In - eine soldatische Humoreske in einem Akt von einem Herrn Kadelburg wird als Novität im „Annaberger Wochenblatt“ angekündigt und hat 14.4.1893, in einem sogenannten Einakter- Abend, das Annaberger Premierenlicht erblickt.
Cäsari, Wilhelm - gehörte zu den „ersten Darstellenden Mitgliedern“ des Theaters in Annaberg und besetzte das Rollen-Fach des Liebhabers. Er soll in einer Affäre um eine Schauspielerin verwickelt gewesen sein, der Eduard von Winterstein ebenfalls den Hof machte.
Cassirerin - die erste Kassiererin (sie wurde damals französisch Geschrieben) am Stadt-Theater Annaberg war Frau Pegelow. Sie, wie auch die ihr im Amte nachfolgenden Damen, waren meist die ersten Kontaktpersonen zwischen Theater und Publikum. Jene sanften, immer gut frisierten und parfümierten sowei um das Hochdeutsche bemühten Wesen im zweitkleinsten Raum des Theaters (nur der Souffleur-Kasten war noch winziger), ernteten die Freude der Besucher über den Erhalt einer Premierenkarte ebenso wie auch nicht selten den Schimpf bei ausverkauftem Hause von denen, die leer ausgingen. Dass man in den 60er Jahren über ein Päckchen West-Kaffee günstigere Chancen auf Karten für begehrte Premieren gehabt haben soll, wird ein typisches Theatergerücht sein. Tatsache aber ist, dass der Ehemann der ersten Annaberger Theater Kassiererin, Herr Ferdinand Pegelow, auch der erste Theatermeister des Hauses war.
Capelle - nannte man damals das Theaterorchester. Diese „Städtische Capelle“ stand 1893 unter der Leitung des Herrn Capellmeister Stiehler.
Crüwell, Carl - gutbetuchter Annaberger Kaufmann, der 1883 den Theaterverein gründete und dessen Vorsitz übernahm. Auf seine Initiative hin brachten Annaberger Bürger 60.000 Mark über Anteilscheine auf. Die 130.000 Mark, die vom Rat der Stadt kamen, waren an die Bedingung einer späteren Überführung des Theaters in städtisches Eigentum geknüpft. Der Kunstenthusiast Crüwell stellte das von ihm gekaufte Grundstück für den Bau des ersten Theaters im Erzgebirge großzügig zur Verfügung.
Corthy, Siegfried - ein Tenor, der in den 70-80er Jahren zu den Protagonisten des Hauses gehörte und alle großen Partien seines Fachs sang. Er war im Ensemble auch wegen seines immerwährenden Humors beliebt.
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Dix - , bzw. Herr Dix (nicht Styx wie im „Orpheus in der Unterwelt“), hieß der erste Theaterdiener in Annaberg. Er gehörte zum technischen Personal und hatte Botengänge zu bestreiten, den Künstlern Wünsche der unterschiedlichsten Art von den Augen abzulesen und zu erfüllen, die Theaterfreitreppe zu fegen, im Winter vor dem Haus zu streuen, die Türen zu öffnen, dem Publikum den Weg zum Abort zu zeigen u.v.a.m, - das Amt des Theaterdieners gab es bis zu Beginn der 50er Jahre. Die Verrichtungen dieser stets dienstfertigen Männer sind geblieben, später aber dann auf verschiedene Personen verteilt worden.
Darstellende Mitglieder - hatte das Annaberger Theater im Jahre 1893 genau 13 Damen und 13 Herren, darunter solch später bekannte Persönlichkeiten wie Eduard von Winterstein als I. Liebhaber und den Intendanten, Georg Kurtscholz, als Charakterspieler. Die anderen Darsteller hatten u.a. folgende Fachverträge: Bonvivant, Liebhaber, Komiker, ernste Helden, Väterspieler, komische Chargen, sentimentale/muntere/naive Liebhaberinnen Anstandsdamen, Soubretten, Mütter/komische Rollen und chargierte Rollen.
Delaré, Dorothea und Günter - ein Schauspielerehepaar von hohem Können, spielten Anfang der 60er Jahre im Urfaust von Goethe das Gretchen bzw. den Mephisto. Den Faust gab der großartige Hans-Gert Richter.
E
Egmont - nachdem die Jubel-Ouvertüre von Weber verklungen und das Festspiel von Friedrich Röber beendet waren, wurde mit diesem Schauspiel von Johann Wolfgang von Goethe das Annaberger Theater am Ostersonntag des Jahres 1893 festlich eröffnet. Die Titelrolle gab der überwältigend spielende Eduard von Winterstein (Foto 1901).
Ehrliche Arbeit - unter diesem Titel ging am 28.4.1893 die große Gesangsposse in drei Akten von Wilken, Musik von Bial über die Annaberger Bretter. Dieser Name sollte gleichzeitig eine Unterstreichung der Worte sein, die der Direktor Kurtscholz am 28.3.1893 im „Annaberger Wochenblatt“ veröffentlichen ließ: „Es wird mein eifriges Bemühen sein, daß von den vereinigten Bürgerschaften so glänzend ins Leben gerufene neue Stadt-Theater zu einem allseitig anerkannten Kunst-Institut zu erheben, welches beiden Städten auch über die engeren Grenzen hinaus Ehre bringen wird.“ Ein Anspruch, den das Annaberger Theater bis in die unmittelbare Gegenwart hinein nahezu immer gegenüber seinem Publikum eingelöst hat.
Erzgebirgsphilharmonie - hieß das Annaberger Theater-Orchester bereits ab 1945, allerdings nur im Zusammenschluss mit dem Kulturorchester Aue. In der Spielzeit 1957/58 nannte sich der Klangkörper in Erzgebirgssinfonieorchester um. Damit auch größere sinfonische Werke gespielt werden konnten, gab es von 1957 bis 1965 eine weitere Zusammenarbeit mit dem Orchester des Stadttheaters Freiberg. Heute ist es wieder die Erzgebirgs-Philharmonie Aue, eine eigenständige Orchester GmbH, die aber das Hausorchester des Theaters geblieben ist. Das Orchester begleitet alle Werke des Musiktheaters und tritt mit beliebten Sinfonie- und Sonderkonzerten an die Öffentlichkeit. Einst war u.a. Erich Vietze ihr Musikdirektor. Heute wird das Orchester von GMD Naoshi Takahashi sowie vom 1. Kapellmeister Dieter Klug geleitet.
Einschlagkasten - auch am Annaberger Theater gab es bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts jene Theater-Geräusch-Maschine für akustische Bühneneffekte wie Donner, Blitzschlag oder einstürzende Häuser. In einen von der Ober- bis zur Unterbühne reichenden Fallschacht aus Holzbrettern mit eingebauten Bremsklappen wurden - je nach szenischem Bedarf - Steine, Holz- oder Bleikugeln, auch schon mal Glasscherben geschüttet. Als der Schacht auch für Abfälle benutz wurde, bzw. die elektronischen Möglichkeiten Ersatz boten, wurde das Gerät abgebaut. Bei der Demontage kamen über 20 leere Schnapsflaschen und mehrer Bierflaschen zum Vorschein...
Ethos – ist die Abkürzung für Erzgebirgische Theater- und Orchester-Stiftung, die 2007 vom Theaterförderverein ins Leben gerufen wurde zum Erhalt des Theaters und des Orchesters sowie zur Mit-Finanzierung von Projekten oder Inszenierungen durch Spenden, Beiträge oder Theater- und Orchesterbällen.
Extemporieren - (ex tempora = aus der Zeit) eine Spielweise des Schauspielers, die von augenblicklichen Einfällen bestimmt wird und so nicht in der Rolle vorgesehen ist. Diese Form des Stegreifspieles werden die ersten Darsteller am Annaberger Theater häufig zu Anwendung gebracht haben. Die Kürze der Probenzeit von maximal drei (!) Tagen für ein Stück, machte wohl kaum einen der Mimen textsicher. Selbst in den späteren Jahren, als die Proben schon einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen einnahmen, kam es oftmals zu wunderbaren Extemporés, welche im Zuschauerraum und auf der Bühne gleichermaßen Heiterkeit entfachten. Heute ist diese Art zu spielen meist verpönt; unter einem Annaberger Intendanten wurden solche Extempora sogar mit Strafe belegt - eine Kantinen-Runde...
F
Fehlbesetzung - wenn eine Rolle mit einem Sänger oder Schauspieler - männlich oder weiblich - besetzt wurde, der/die den Anforderungen von Typ, Begabung, Reife oder stimmlichem Vermögen nicht gewachsen ist. Eine Angelegenheit, die seit 125 Jahren auch am Annaberger Theater immer mal wieder vorkommt.
Figurant - (figurare = gestalten) so nannte man noch viele Jahre nach der Eröffnung des hiesigen Theaters die Darsteller von stummen Nebenrollen, was heute mit Kleindarsteller, Komparse oder Statist bezeichnet wird.
Friseur - der erste Friseur war ein Herr Wolff. Er muss ein ausgezeichneter Künstler seines Faches gewesen sein, da man damals auf üppige Haarpracht meist in Form von Perücken - besonders bei den Anstandsdamen, den Liebhaberinnen, Mütterspielerinnen und Soubretten - großen Wert legte. Der damalige Friseur war demnach in erster Linie Perückenmacher. Erst später, als sich die Darsteller nicht mehr selbst schminken mussten, bildete sich auch am Annaberger Theater jene Berufskombination von Friseur/Perückenmacher und Maskenbildner heraus, wie es sie noch heute gibt.
Friedrich, Carl - war einer der beiden „Komischen Chargen“, die sich das Annaberger Theater als sogenannte Fach-Schauspieler neben zwei weiteren „Komikern“, den Herren Hermann Maassberg und Gustav Pickert, im Jahre 1893 leisten konnte. Das Fach ist als solches ausgestorben. Heute müssen alle Schauspieler auch „komisch“ sein können.
Fischer, Elga - Sopranistin der 60er Jahre, die beachtliche Erfolge weit über Annaberg hinaus feiern konnte. Begeisterte Aufnahme fand hier ihre Interpretation der „Madame Butterfly“ von G. Puccini. Sie knüpfte an die Leistungen einer Lotte Buschan an, die heute z.B. von Bettina Grothkopf fortgesetzt wird.
Freundschaftsverträge - nannte man Vereinbarungen zum Zwecke einer besseren Partnerschaft zwischen Theater und Publikum. Der erste Vertrag dieser Art ist 1948 zwischen dem Orchester des Annaberger Theaters und dem Kulturorchester Aue unterzeichnet worden. Beide Klangkörper vereinigten sich kurze Zeit später zur „Erzgebirgsphilharmonie“, später dann “Erzgebirgische Philharmonie Aue”. Zur Gewinnung von Publikum sind solche Verträge auch mit Betrieben abgeschlossen worden. Zwischen dem Theater und dem Dorfclub Frohnau kam 1965 ein solcher Vertrag u.a. zur Förderung des Frohnauer Laienschaffens zustande.
Freitreppe - die so genannte Theater-Freitreppe, welche die Oberstadt mit dem neuen Musentempel an der Kreuzung zwischen Annaberg und Buchholz verbinden sollte, wurde im Jahre 1905 fertiggestellt. Jahrelang war sie – zumindest im Winter – eine gefahrvolle Stiege. Die Kinder konnten sich allerdings keine besser Ruschelbahn (meist auf dem Schulranzen) von der Pestalozzi-Schule bis zur unteren Ernst-Thälmann-Strasse denken. Heute wird sie in den Sommermonaten leider nur einmal für so genannte romantische und sehr beliebte Treppenkonzerte genutzt.
G
Garderoben - gibt es für das Publikum und für die Künstler. Erstere wurden im Annaberger Theater mehrfach umgebaut und dienen zur Aufbewahrung diverser Kleidungsstücke und Gegenstände während der Vorstellung. Die anderen beherbergen die Darsteller und sind für sie Aufenthalts- und Herrichtungsräume bei Proben und Vorstellungen. In beiden ist seit hundert Jahren emsiges Personal (Garderobiere/n) tätig, um die einen wie die anderen möglichst immer zufrieden zu sehen.
Garderobier/e - neben den Mitarbeitern, die dem Publikum am Abend in der Garderobe für einen geringen Obolus gute Dienste leisten, werden die Ankleider/innen in den Künstlergarderoben ebenfalls so bezeichnet. Dies sind gute Geister, die den Künstlern in ihren Aufenthaltsräumen vor, während und nach den Vorstellungen oder Proben Wünsche von den Augen ablesen, - sie mit Ess - und viel Trinkbarem versorgen, Knöpfe annähen, Bühnenkleidung waschen und bügeln, Geld leihen, Autogrammjäger zuführen oder fernhalten, Diskretion über Affären bewahren - aber auch manchmal Arzt, Priester und Mutter/Vater in einem sind. Der erste Garderobier am Annaberger Theater war ein Herr Gläser. Seine damaligen Aufgaben haben sich zu denen von heute kaum verändert.
Gast, Peter – eigentlich Heinrich Köselitz (1854-1918). Der in Annaberg geborene und verstorbene Komponist, Schriftsteller, Philosoph, Heimatkundler sowie Freund von Friedrich Nietzsche und dessen Adlatus hat zahlreiche musikalische Werke hinterlassen. Seine Oper „Der Löwe von Venedig“ wurde am 7. April 2013 erstmals am Theater seiner Heimatstadt mit großem Erfolg inszeniert. Unter der ersten Intendanz von Georg Kurtscholz wurden um 1900 bereits sinfonische Werke von Peter Gast im Annaberger Theater zu Gehör gebracht.
Gage - das Geld, welches der Künstler am Theater bekommt aber zu keiner Zeit dessen Leistung entsprach. Hauptzahlungsmittel in der Theater-Kantine, wo durch das Anschreiben die Gage künstlich verlängert wurde, um somit nicht nur künstlerisch zu überleben. Außerdem lebte so der Künstler, zumindest finanziell, seiner Zeit immer einen Monat voraus. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Gagen am Annaberger Theater waren zu allen Zeiten gering. Nur die Direktoren/Intendanten, Spielleiter, Kapellmeister und später die Tenöre machten davon eine gewisse Ausnahme. In den 60er Jahren bekam ein Darsteller in Annaberg etwa so viel wie ein Müllfahrer, - heute allerdings weit weniger als dieser.
Gambrinus - auch „U-Boot“ nannte man eine berühmt-berüchtigte Kneipe in Annaberg, in der zahlreiche Künstler des Theaters regelmäßig verkehrten, um dem „Gott des Bieres“ zu huldigen. Weitere Stätten derartiger Lustbarkeiten waren noch der „Erzhammer“, die „Pilsener Bierstube“, die „Einkehr“, der „Schwan“ und natürlich die „Quelle“. Vor den Proben holte man sich dort die notwendige Stimulanz bzw. ölte dort seine Stimme. Nach den Vorstellungen ließ man sich in den Lokalen von den Annabergern bescheiden feiern. Ab und an wurden noch zu später Stunde Kostproben von Partien geliefert, die der jeweilige Künstler auf der Bühne nie zu singen bekam. Die Schauspieler ergingen sich verhaltener in meist kunst-philosophischen Gesprächen. Nur hin und wieder deklamierte einer aus dem „Wallenstein“ oder dem „Stülpner Karl“. Diese nächtlichen Künstlerrunden wurden auch als „Abschwitzen“ bezeichnet - was viel über jene gesunden und gemeinschaftsfördernden Umtriebe aussagt.
Gandt, Roland - Intendant des Annaberger Theaters von 1964 und mit Unterbrechungen bis 1985. War ein anerkannter Schauspieler und Regisseur (Foto). Erfolgreiche Inszenierungen u.a. „Die Räuber“, „Matrosen von Cattaro“, „Urfaust“. Hoch zu Ross verkörperte er gern und gut den Grafen von Einsiedel im von ihm inszenierte „Karl Stülpner“ auf der Freilichtbühne Greifensteine. Unter seiner Leitung wurde das Musical am Annaberger Theater fester Bestandteil des Musiktheaters. Umfangreiche bauliche Veränderungen sind durch ihn, gemeinsam mit dem Rat der Stadt/Abt. Kultur, in den Jahren 1965/66 sowie zwischen 1975 bis 1981 veranlasst und im Theater durchgeführt worden. Nach der Wende ermittelte man, dass er auch für das MfS die Rolle des „Romeo“ gar nicht schlecht gespielt haben soll. Aus diesem Grunde hätte ich ihn – nach Meinung eines Mitarbeiters des Landratsamt Annaberg im Jahre 1993 – in diesem Text nicht erwähnen sollen. Roland Gandt – den man mit Vornamen auch manchmal „Aro“ oder „Intri“ nannte - war mit der beliebten Annaberger Schauspielerin und Erzkomödiantin Gabriele Kümmerling verheiratet (gemeinsame Tochter: Schauspielerin Gisa Kümmerling, ebenfalls am Theater Annaberg). Er starb im Jahre 2000 in einer Neubauwohnung in der Adam-Ries-Siedlung.
Geschichte - die Annaberger Theatergeschichte beginnt weit vor 1893, dem Jahr der Errichtung eines festen Hauses für ein Stadt-Theater. Schon Mitte des 15.Jahrhunderts fanden kirchliche Spiele und theatralische Veranstaltungen auf dem Annaberger Marktplatz und dann auch später auf dem Platz vor der St. Annen-Kirche bzw. im Kloster statt. Im Zuge der Reformation kamen derbe Spiele der Handwerker und besonders die Fastnachtsspiele zur Aufführung, die nach geraumer Zeit vom Annaberger Rat verboten wurden. Ab 1537 sind in der Annaberger Lateinschule über 250 Jahre lang Theateraufführungen veranstaltet worden. Auch im hiesigen Franziskanerkloster soll es zu Theater- und Musikaufführungen gekommen sein. Neben den wandernde Schauspieltruppen die z.T. auch aus Böhmen kamen und auf den Annaberger Plätzen spielten, ist zunehmend mehr in der Schule und im Rathaus Theater gespielt worden. Am 24.August 1838 bekam die Stadt eine feste Spielstätte. Dafür wurde ein altes Holzmagazin in der Stein-/Ecke Sperrgasse, eine Scheune aus Holz, zu einem „Theater“ hergerichtet. Aus Gründen der Sicherheit musste diese „Kunstscheune“ - wie sie im Volksmund genannt wurde - im Jahre 1881 geschlossen werden. Kunstbesessene und theaterfreundliche Annaberger sowie Sponsoren aus der Stadt und der näheren Umgebung brachten die stattliche Summe von 230.000 RM binnen kurzer Zeit zusammen, mit der dann 1890 die Errichtung des Neuen Stadt-Theaters begonnen und dieses am 2. April.1893 eingeweiht werden konnte.
Greiner, Carl - zweiter Direktor des Annaberger Theaters nach Georg Kurtscholz von 1907 - 1919.
Greifensteine - Naturbühne im gleichnamigen Gebiet, die auch etwas übertrieben als die „schönste“ in Europa genannt wird. Dass sie zu einer der schönsten weltweit zählt, ist dagegen unbestritten. Sie war und ist Hauptabstecher des Annaberger Theaters und fester Sommerspielort seit 1957. Schon im Jahre 1846 sollen hier erste Theateraufführungen stattgefunden haben. Von 1878 bis in die 20er Jahre unseres Jahrhunderts diente das Terrain auch als politische Arena (z.B. beim Crimmitschauer Textilarbeiterstreik 1903/04). Im Jahre 1931 finden hier die ersten Sommerfestspiele, gefolgt von einer Vielzahl von Theateraufführungen in den anschließenden Jahren statt. Aber auch Aufmärsche der NSDAP Sachsen sowie völkische Chortreffen musste diese Bühne über sich ergehen lassen. Neben Oper- und Operettenaufführungen erfreute sich das Schauspiel vom „Karl Stülpner“, dem „Grünen Rebell des Erzgebirges“, größter Beliebtheit beim Publikum. Das weit über 1.200 Plätze bietende Theater im Grünen war in der Vergangenheit so gut wie immer ausverkauft. Auch wenn es in Strippen aus den Wolken goss und die verlaufende Schminke auf den Gesichtern der Darsteller skurrile Bilder zeichnete - es wurde weiter gespielt, denn das Orchester war überdacht. Und ein Dach von mehr als 1.000 Regenschirme vor sich zu sehen, ist der Mühe des Spiels schon wert. Meist aber ist das Wetter freundlich und die ZuschauerInnen können es sich auf den Rasenplätzen bequem machen, um auf den hoffentlich bald wiedererweckten „Stülpner Karl“ zu lauern, der in den letzten Nachwendejahren von „Winnetou“ und anderen Rothäuten etwas „verjagt“ worden ist. Neu ist auch, dass die Darsteller heute allesamt mit elektronisch verstärkten Stimmen agieren dürfen. Noch vor 20 Jahren konnten hier nur kräftige Naturstimmen vor den gewaltigen Felsen bestehen.
Gotthardt, Charlotte - (geb. 2. Juli 1912 vermutlich Weimar, gest. 3. 12. 1987 Annaberg), nach Kunststudium in Weimar war sie eine langjährige, engagierte und fachlich versierte Kostüm- und Bühnenbildnerin des Annaberger Theaters der Neuzeit, wo sie dei Stelle des begabten Bühnenbildners Reinhold Hummitzsch einnahm (Foto). Nach dem Weggang des Chefbühnenbildners Kurt Werner Knoll 1950 nahm sie, unter der Intendanz von Walter Laven, diese Stelle ein. Fast alle Programmzettel der 50er bis 80er Jahre weisen sie als Verantwortliche für die Gesamtaustattung aus. Sie hinterließ eine umfangreiche Sammlung von z.T. künstlerisch wertvollen Figurinen, - jene zeichnerischen Entwürfe, aus denen dann in der Schneiderwerkstatt, oft auch mit großer Improvisationsgabe, die wundervollsten Kostüme gezaubert wurden. Aber auch ihre Bühnenbilder gehörten zu den künstlerisch wertvollsten Arbeite, die zur damaligen Zeit nach ihren Vorlagen in den Werkstätten des Theaters angefertigt wurden. Nur noch wenige Modelle sind aus dieser Zeit erhalten.
Gottschling, Sepp – war ein Charakter-Bass und exzellenter Darsteller des Sarastro in der „Zauberflöte“ oder des Falstaff in den „Lustigen Weibern von Windsor“ in den 60er Jahren, der vermutlich Josef hieß (Foto mit Elfriede Sieghard in “Pik Dame”). Nach einem Gerücht, dass sich auf eine pädophile Veranlagung bezog, wurde es um den Publikumsliebling, der eine Chorsängerin zur Frau hatte, merklich still und man sah in später nur noch in kleineren Rollen bis er sich gänzlich – und viel zu früh – von der Bühne zurückzog. Im folgten dann solche Sarastros nach wie u.a. die von Lothar Ballhaus (später Freiberg), Klaus Damm (später Erfurt) oder vom Ungarn László Varga, der heutzutage sämtliche großen Bass-Partien singt.
Grothkopf, Bettina – ist seit der Spielzeit 2008/09 als lyrisch jugendlich-dramatische Sopranistin am Eduard-von-Winterstein Theater in Annaberg- Buchholz engagiert (Foto). Sie studierte an der Felix Mendelssohn Bartholdy Musikhochschule in Magdeburg/Leipzig bei Herrn Prof. Filkoff und Frau Prof. Frauke Wehrmann, erhielt das Richard Wagner Stipendium und wurde für den Richard Wagner Wettbewerb in Bayreuth ausgewählt, besuchte Meisterkurse bei Mirella Freni (Italien) und Prof. Kobayashi (Japan). Tourneen führten sie durch ganz Deutschland, in die Schweiz, Ukraine und nach China. Gastspiele gab sie u.a. an den Theatern in Bonn, Vorpommern, Frankfurt , Brandenburg, Halle, Bad Kissingen, Hamburg, Chur sowie in der Tonhalle in Zürich. In Annaberg überzeugte sie stimmlich und darstellerisch u.a. als Mimi in “La Bohéme”, als Adelaide von Walldorf im “Götz von Berlichingen”, als Donna Anna im “Don Giovanni” oder als Rosalinde in der “Fledermaus”. Ganz hervorragend 2014 als “Aida” zu den Festspielen in Bad Hersfeld oder u.a. als “Butterfly” in Annaberg-Buchholz.
H
Hegenbart, Gottfried - Charakterdarsteller; besonders beliebt in der Rolle des „Karl Stülpner“ in dem gleichnamigen Volksstück auf der Naturbühne Greifensteine bei Ehrenfriedersdorf gewesen. In dieser Rolle und als Mr. Higgins in „My fair Lady“ feierte er in Annaberg seine größten Erfolge.
Hardt, Hans - gehörte zu jenen Intendanten, die dem Annaberger Theater nur jeweils ein Jahr vorstanden. Er leitete das Haus von 1945-46. Der Schauspieler Freiberg von 1931-32, der Oberspielleiter Papst aus Chemnitz von 1932-33 und Anton Kohl von 1933-34. Bekannte nachfolgende Intendanten, die etwas für das Theater bewegt haben und sowohl beim Ensemble als auch beim Publikum in Erinnerung bleiben sind u.a. Siebenschuh, Möhring, Gandt, Prof. Krug und seit 2010 Dr. Ingolf Huhn.
Han(n)swurst - die Lustige Figur, der Harlekin, lustiger Kauz, Semperlustig, Arlechino war in so manchen Lust- und Singspielen der ersten Jahre auch noch - oder besser wieder - auf dem Annaberger Theater zu erleben. Obwohl ihn die Vogtländerin Caroline Neubert “Neuberin” auf Anraten des Preußen Johann Christoph Gottsched Mitte des 18. Jahrhunderts von der Bühne vertrieb, war es ein Annaberger, der ihn in seinen Singspielen (als dessen deutscher Entdecker er gilt) - meist komponiert vom Leipziger Johann Adam Hiller - wieder zu Ehren brachte: Christian Felix Weiße.
Hilfsregisseur - war 1893 Herr Weltzien am hiesigen Theater. Er hatte dem Oberregisseur, Herrn Georg Kurtscholz, bzw. dem Regisseur der Posse, Herrn Hermann Maassberg, hilfreich zur Seite zu stehen. Später nannte man diese Position auch am Annaberger Theater - Regieassistent.
Helden - auch Heldenvater genannt, wurden am alten Annaberger Theater von Herrn Albert Weltzien verkörpert, der in seinem Vertrag außerdem noch die Fachbezeichnung eines „Gesetzten Helden“ zu stehen hatte.
Hermann, Heinz – Schauspieler, Typ des Proleten-Darstellers; verfügte über markantes Stimmmaterial; gehörte dem Annaberger Schauspiel-Ensemble seit 1972 an. Besondere Leistungen vollbrachte er durch Inszenierungen für das Kindertheater, bzw. bei der Gestaltung von Rollen in Theaterstücken für Kinder. Man hat ihn mitunter sogar als Weihnachtsmann verkleidet auf dem Annaberger Weihnachtsmarkt gesehen. Nach Informationen aus der Kantine des Theaters, soll H.H. wegen zu heftigen Alkoholkonsums Anfang der 90er Jahre entlassen worden sein. Er starb kurz nach der Jahrtausendwende.
Hellwig, Jochen - (Foto mit Brigitte Oehmig in “Bel ami”) ein entfant terrible der Neuzeit des Annaberger Theaters (Foto). Er war Schauspieler, Sänger, Tänzer, Regisseur, Oberspielleiter für das Musiktheater, entwarf Kostüme, verstand viel vom Bühnenbild - kurz, er war vielleicht einer der letzten Komödianten des Annaberger Theaters, - und dessen „Lortzing“. Seine Inszenierungen gehörten zu den beliebtesten wegen ihres direkten Humors, seiner Bekenntnisse auch zur Klamotte und Qualität der künstlerischen Leistungen. Ein besonderer Genuss war es, wenn Hellwig selbst in seinen Inszenierungen eine Rolle übernahm oder durch „Bunte Programme“ führte. Dann tobten die Häuser! Im Jahre 1991 verließ er - offiziell leider recht sang- und klanglos - jene Bretter, die gerade auch für ihn die Welt bedeuteten. Wie man hörte, soll er wegen Stasi-Kontakte entlassen worden sein. Aus diesem Grund wurde mir auch 1993 vom Landratsamt Annaberg empfohlen, ihn nicht – ebenso wie Roland Gandt - mit in dieses ABC aufzunehmen. Bei staats- oder parteinahen Personen vor 1945 – die auch in diesen Texten vorkommen – hatte man diese Bedenken nicht geäußert. Jochen Hellwig ist Anfang 2003 an einem Krebsleiden verstorben.
Huhn, Ingolf Dr. – geboren 1955 in Magdeburg, studierte er nach dem Abitur Opernregie in Berlin, Musikwissenschaft in Leipzig und darüber hinaus Theologie. Im Anschluss war er Meisterschüler an der Akademie der Künste bei Ruth Berghaus. Danach wirkte er zehn Jahre als Opernregisseur am Südthüringischen Staatstheater in Meiningen. In diesem Zeitraum war er zugleich häufig als Regiegast am Opernhaus Graz in der Steiermark/Österreich. Von 1998 bis 2003 wirkte Ingolf Huhn (Foto) als Intendant des Mittelsächsisches Theater Freiberg-Döbeln. Von 2003 bis 2008 hatte er die Position des Generalintendanten des Theaters Plauen-Zwickau inne. Am 1. Januar 2010 trat Huhn als Geschäftsführender Intendant am Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz die Nachfolge von Hans-Hermann Krug an. Unter seinen Leitungen sind an den genannten Theatern teilweise spektakuläre Neuentdeckungen alter oder vergessener Werke der Opern- oder Operettenliteratur in den Spielplan gekommen. In Annaberg u.a. Carl Goldmarks „Götz von Berlichingen“, Sigmund Rombergs „Der Studentenprinz in Heidelberg“ oder vom Annaberger Komponisten Peter Gast dessen von Friedrich Nietzsche beförderte Komische Oper „Der Löwe von Venedig“. Foto v.l.n.r: Tamara Kober, Dr. Ingolf Huhn, Prof. Gotthard B. Schicker, Bettina Grothkopf, Jason Nandor-Tomory, László Varga - bei der Pressekonferenz zu “Löwe in Venedig”, April 2013.
Hüttenbesitzer, Der - ein Schauspiel in 4 Akten von Georges Ohnet hatte am 10.5.1893 in Annaberg Premiere. Zur zweiten Vorstellung am 16.5.1893 wurde ein Theater-Sonderzug von Weipert/Bärenstein für die Besucher hin und zurück eingesetzt.
Hüttenrauch, Kurt (Foto) - Hornist - kam 1959 vom Greifswalder Theater nach Annaberg, verliebte sich hier, heiratete und blieb. Er wirkte bis zu seiner Pensionierung als 3. bzw. 1. Hornist. Mit Intendant Roland Gandt, Schauspieler Heinz Hermann und weiteren Jagdfreunden trat er in der Freizeit als Jagdhornbläser zu den verschiedensten Veranstaltungen auf. Gemeinsam mit diesen Herren war er von 1975 -1998 Mitglied der Jagdgesellschaft Elterlein. Man kann heute noch das Foto der gesamten Bläsergruppe in der Gasstätte Finkenburg, zwischen Schlettau und Elterlein, betrachten. Er spielte leidenschaftlich gerne Skat in der Theaterkantine, stritt sich aber regelmäßig mit seinen Mitspielern, weil seine Kreativität, die Spielregeln betreffend, unerschöpflich war. Legendär auch seine Auftritte als Kleindarsteller auf der Naturbühne Greifensteine. So ritt er in der Schlacht am Little Big Horn als Nordstaatensoldat Trompete blasend auf die Bühne - und das schon im Rentenalter. Er starb im Alter von 84 Jahren im Januar 2000 in einem Annaberger Pflegeheim.
I
Inspizient/in - das „Hirn“ des Theater und neben seinem „Herzen“ - dem Souffleur - die wohl wichtigste Person auch am Neuen Stadt-Theater Annaberg. Hier übte diese wichtige Funktion 1893 Herr Carl Friedrich aus. Er sorgte an jenem denkwürdigen Abend des 2. April dafür, dass sich genau um 7 Uhr der Vorhang öffnete, der Capellmeister Stiehler auf seinem Platz war und die Jubelouvertüre anstimmte. Er hatte darauf zu achten, dass die Darsteller rechtzeitig an ihren Auftrittsorten standen und beim richtigen Stichwort die Bühne betraten. Und wenn ein Versatzstück nicht zum rechten Zeitpunkt eingesetzt wird, oder vom Schnürboden herab die dort befestigten Teile zu spät auf die Bühne schweben, dann ist daran kein anderer als der Inspizient Schuld. Deshalb sind alle Inspizienten mit einer gebremsten Nervosität behaftet. Weil sie wissen, dass man sie zwar nicht sieht, aber ohne sie nichts auf dem Theater zu sehen wäre. Am besten funktioniert dann das Theater, wenn sich darstellende Komödianten diesbezüglich engagieren - wie etwa Matthias Stephan Hildebrand, der sowohl im Schauspiel, im Musiktheater, aber
Intriganten - sind die Bösewichte auf dem Theater, aber auch hinter der Bühne und im Theaterleben schlechthin. Auch über einen Intendanten kursierte der Witz, ob wohl jener mit Vornamen “Intri - - - -“, Ele - - - -” oder “Arro - - - -“ hieße?
Intendantin - die einzige weibliche Leiterin, die das Annaberger Theater in der Vergangenheit vermutlich hatte, war Frau Christel Thein-Sörgel während der Spielzeit 1968/69, die kaum Spuren ihrer Tätigkeit hinterlassen hat.
J
Jugend - in seiner mehr als 100 jährigen Tradition hat sich das Annaberger Theater stets auch dem jungen Publikum verpflichtet gefühlt. Begonnen hat dies mit der ersten Schülervorstellung von Schillers „Wilhelm Tell“ am 17.5.1893, um 18.30 Uhr, zu der es „Schülerbillettes zu ermäßigten Preisen“ gab. Auch nach den beiden Weltkriegen sind regelmäßig Aufführungen für Schüler sowie späterhin Konzerte im Spielplan des Theaters zu finden. In den 60er/70er Jahren hat sich eine Art Schüler-Abonnement herausgebildet. Spezielle Inszenierungen für Kinder und Jugendliche sind seitdem häufiger im Repertoire anzutreffen. In dieser Zeit wird auch ein „Theaterclub der Jugend“ gegründet.
Jubelouvertüre - von Carl Maria von Weber - mit ihr ist das Annaberger Theater am 2.4.1893 musikalisch eröffnet worden.
K
Kurtscholz, Georg - erster Direktor des Stadt-Theaters Annaberg von 1893 bis 1907. Gleichzeitig hatte er einen Vertrag als Ober-Regisseur und Charakterspieler. Er soll ein feinsinnige und fachkundige Künstlerpersönlichkeit mit einer wohltuenden Aura gewesen sein. Bei den Honoratioren der Stadt sowie unter den Künstlern und Mitarbeitern des Annaberger Theaters genoss er hohes Ansehen. „Er war ein noch ziemlich junger Mann voller Energie und Tatkraft, voller künstlerischer Ideale und erfüllt von heißer Liebe zum Theater“ - erinnert sich Eduard von Winterstein jenes engagierten Förderers der Künste und der Künstler, der sich u.a. um das musikalische Werk von Peter Gast (Heinrich Köselitz, dem in Annaberg geborenen Intimus des Philosophen Friedrich Nietzsche) allerdings recht erfolglos bemühte.
Kantine - Zufluchtsstätte, Labsa(a)l, Intrigenraum, Spielhölle, Schwatz- und Schwitzbude, Trinkstube, Kreditbank, zweite Spielstätte, Seufzerhalle - dies und noch viel mehr war auch die Annaberger Theater-Kantine für die Beschäftigten zu allen Zeiten. Solche Funktionen erfüllte jene Oase in wunderbarer Weise einzeln, aber auch schon mal im Ensemble der Leidenschaften. Ein verständnisvoller Wirt war immer von Nöten, der möglichst Vater, Priester und Seelenarzt zugleich sein musste. Wirtinnen gab es auch in der Annaberger Theater-Kantine, - sie waren oftmals die besseren Wirte! Besonders dann, wenn die Gage verlebt war und auf Pump angeschrieben werden musste. Räumlich waren die Kantinen des Annaberger Theaters schon an fast allen Stellen im Haus untergebracht. (Foto: Kantine im Garderoben-Foyer, um 1975) Erst in den letzten Jahren kam es zu einer „Verschmelzung“ zwischen den Mitarbeitern des Theaters und dem Publikum in Form eines Theater-Cafés in einem neusachlichen Anbau, der gar nicht so recht an die neoklassizistische Fassade des Theaters passen will.
Kämpf, Hans Heinz - Intendant des Annaberger Theaters von 1919 - 1931; er führte erstmalig den Titel eines Intendant, während sich alle vorhergehenden Theaterleiter „Direktor“ nannten. Kämpf schrieb Possen mit Musik, die u.a. auch die Stadt Annaberg zum Thema hatten.
Karten - 1. Spielkarten, die in der Kantine, in der Garderobe oder hinter der Bühne strapaziert wurden; 2. Eintrittskarten, auch Billettes genannt, die zur Teilnahme an einer Theateraufführung oder eines Konzertes berechtigen und ihren Preis haben. In der I. Theatersaison von 1893 galten folgende Kartenpreise: „Logen 2 Mark, Parquet und 1.Rang 1,50 Mark, numm. Parterre,sowie Seitengalerie 1.Rang und 2.Rang 1 Mark, 3.Rang 70 Pfg, Stehparterre 60 Pfg, Gallerie 40 Pfg.“ Die Preise während der Inflation lagen beträchtlich darüber, seitdem sind sie etwas zurückgegangen. Außerdem gibt es nun wieder Karten für Arbeitslose.
Komiker - die ersten waren 1893 die Herren Hermann Maassberg und Gustav Pieckert. Ersterer hatte zusätzlich einen Vertrag als “Regisseur der Posse“ und konnte sich somit des öfteren selbst inszenieren. Die Fachbezeichnung Komiker wurde in späteren Jahren nicht mehr benutzt. Der vielseitige, aber dennoch komische Schauspieler- und Sängertyp war gefragt, wie er in den 60er/70er Jahren u.a. von Wolfram Sense, Helmut Schöntaube oder Jochen Hellwig (bis 1991) - und heute von solchen „Urviechern“ wie Leander de Marel (bürgerl. Name: Lutz Jakisch, der auch großartige Charakterrollen gestalten kann wie u.a. in “Anatevka” - Foto) - verkörpert wurde.
Klug, Dieter – ist seit 2006 Erster Kapellmeister am Annaberger Winterstein-Theater (Foto mit Bettina Grothkopf und László Varga). Er wurde in Schmölln/Thüringen geboren, studierte an der Hochschule für Musik "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig Klavier sowie an der "Franz-Lizst"- Hochschule Weimar Dirigat. Er nahm mehrfach am Internationalen Gothaer Dirigentensommerkurs bei Prof. Heinz Rögner, am Internationalen Opernzentrum der Niederlande und im Europäischen Zentrum für Oper und vokale Kunst in Belgien teil. Gastspiele als Dirigent und Pianist führten ihn nach Wroclaw, Berlin, Vilnius, Paris, Osijek, Baden (Schweiz), Vaduz und Karlovy Vary.
Kunstscheune - nannten die Annaberger jenen Holzschuppen, der am 24.8.1883 zu einem „Theater“ umgebaut wurde und in dem fahrende Truppen neben den Possen „Donauweibchen“ und „Pagenstreiche“ auch Webers „Freischütz“ und sogar Mozarts „Zauberflöte“ zur Aufführung brachten. Wie gut wäre es, würde man sich dieser historischen Spielstätte am Steinweg denkmalpflegerisch annehmen. Andere Städte wären froh, wenn sie noch ein solch einigermaßen intaktes Zeugnis der Theaterkultur aus vergangenen Zeiten in ihren Mauern hätten. Vielleicht eignet es sich in Zukunft sogar mal wieder als besondere Spielstätte des Theaters an verregneten Sommertagen, deren es nicht wenige in Annaberg gibt.
Kritiker - gefürchtete, selten geliebte aber stets umgarnte Bewerter künstlerischer Leistungen. Die ersten Kritiken für das hiesige Theater schrieb der Heimatschriftsteller, Komponist und “Freund“ Friedrich Nietzsches, der Annaberger Heinrich Köselitz, alias Peter Gast. Überschwenglich bedankt sich der erste Direktor des Hauses, Georg Kurtscholz, 1899 in einem Brief bei Köselitz für dessen wohlwollende Kritiken. Ab der 50er Jahren begleitete Werner Naumann mit einer Vielzahl sachkundiger Kritiken mehr als dreißig Jahre besonders die Arbeit des Musiktheaters. Heutzutage gibt es bewährte, meist recht unkritische Parteigänger des Theaters, die in verschiedenen Zeitungen veröffentlichen. Differenziertere Einschätzungen zu den meisten Premieren des Annaberger Theaters findet man unter www.annaberger.info
L
Lampenfieber - eine wunderbare Gänsehaut, die durch Scheinwerfer (früher Petroleumlampen), Publikum und ungelernte Texte verursacht wird. Die ersten Darsteller des Annaberger Theaters müssen von dieser „wunderbaren Krankheit“ recht häufig geplagt worden sein, wenn man bedenkt, dass in der I. Theatersaison - die damals nur vom 2.4.1893 bis 25.5.1893 ging - 29 Stücke Premiere hatten und demzufolge nur wenige Stücke bis zu zwei Aufführungen in dieser Zeit erreichten. Später dann ließ man sich etwas länger Zeit für Proben und setzte die Aufführungen häufiger an. Jedoch war es auch in neuerer Zeit am Annaberger Theater üblich, nicht viel länger als sechs Wochen für ein Stück zu probieren. Noch in den 60er Jahren sind große Opern auch manchmal in drei Wochen qualitätvoll zur Premiere gebracht worden. Und heute, wo man mitunter bis zu drei Monaten an einer Inszenierung probt, ist das Lampenfieber auch nicht geringer geworden.
Lampenputzer - Auch Lichtputzer genannt, als noch Fett- oder Öllampen in Gebrauch waren. Ein wichtiges Mitglied des Theaterpersonals. Hatten sie doch die Aufgabe, auch während der Vorstellung, in den Pausen, die Kronleuchter und andere Lampen zu entzünden, Kerzen oder Öl zu wechseln sowie den Ruß wegzuputzen. Man nannte diese Männer auch Kerzenschneuzer (kommt vermutlich vom englischen Theater: candlesnuffers), die für die Beaufsichtigung und Pflege der Kerzenbeleuchtung während der Vorstellungen verantwortlich waren. Einer der größten Schauspieler aller Zeiten, Conrad Ekhof, hatte einen Hamburger Lampenputzer zum Vater. Diese Berufsgattung wurde 1911 am Annaberger Theater unnötig. In diesem Jahr ist die gefahrvolle Gasbeleuchtung durch das elektrische Licht ersetzt worden. Die verantwortungsvolle Tätigkeit des Lampenputzers, die wahrscheinlich 1893 auch vom damaligen Theaterdiener Dix ausgeführt wurde, genoss beim Theaterpersonal kein geringes Ansehen, da man ja immer im rechten Licht erscheinen wollte. Die Beleuchter von heute sind deshalb unmittelbare Nachfolger im Amt des Herrn Dix von damals – sie haben aber allesamt nur bedingt mit dem so genannten Lampenfieber der Künstler zu tun.
Laven, Walter - Intendant von 1946-51. Er war unter seinem Vorgänger Hansjosef Bolley bereits I. Spielleiter des Schauspiels. Unter seiner Leitung brachte das Annaberger Theater in den Nachkriegsjahren solche Werke wie „Othello“, „Don Carlos“, „König Lear“, „Biberpelz“, „Kreidekreis“, „Mutter Courage“ oder „Iphigenie“ heraus. Als Theaterereignis kann seine Inszenierung von Lessings „Nathan der Weise“ (1963) gewertet werden, in der er als Gast die Titelrolle verkörperte.
Löwe von Venedig, Der – heißt die Komische Oper des 1845 in Annaberg geborenen Peter Gast (eigentlich Heinrich Köselitz), die 1891 unter dem Titel „Die heimliche Ehe“ in Danzig ihre Uraufführung erlebte. Auf Anraten von Friedrich Nietzsche, dessen Adlatus Gast war, wurde der Titel der Oper in “Der Löwe von Venedig” geändert und kam noch einmal in Chemnitz und in Regensburg zur Aufführung. Nach 75 Jahren kam die Oper am 7.4.2013 erstmals wieder auf die Bühne – in der Heimatstadt des Komponisten, in Annaberg.
M
Müller, Johannes - Studienleiter und Schauspielkapellmeister, war auch Mitglied der Jagdhornbläsergruppe zusammen mit Heinz Hermann, Roland Gandt und Kurt Hüttenrauch. Zeitgenossen erinnern sich noch gern an den Friedrich-Schröder-Abend mit Johannes Müller am Klavier und drei Musikern aus dem Orchester. Premiere war am 29.1.1986 im Richard-Sorge-Heim in Oberwiesenthal (der Abend wurde 61 mal gespielt). Auch an der Schauspielinszenierung "Piaf" war er beteiligt . Johannes Müller ist im Dezember 1998 verstorben, sein Grab befindet sich auf dem Annaberger Friedhof. Übrigens: Das Richard-Sorge-Heim in Oberwiesenthal war ein Urlauberheim des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, in dem das Annaberger Theater regelmäßig aller zwei Wochen gastierte. Heute heißt das Hotel Birkenhof. Dort gab es gutes Exportbier von Braustolz Karl-Marx-Stadt zu kaufen, und die meisten Orchestermusiker und Darsteller haben sich natürlich stets drei Flaschen (mehr gab es nicht) des guten Getränks mitgenommen und außerdem noch zwei Tüten Erdnussflips. An diese angenehme Gastpiel-Nebenerscheinung erinnern sich heute noch einige Mitwirkende mit Schmunzeln.
Mütter - wurden am alten Annaberger Theater von der sogenannten Mütterspielerin, Antonia Reichmeyer, gestaltet. Laut Vertrag hatte sie zusätzlich komische Rollen zu übernehmen. Diese „komischen Mütter“ finden sich später u.a. in Lotte Buschan, Käthe Rudolf oder Mathilde Rosenau wieder, wobei letztere auch viele Rollen im Fach der Opern- und Operettensoubrette verkörperte. All diese Frauen haben - ähnlich wie ihre Vorgängerinnen von 1893 - in jüngeren Jahren die Liebhaberinnen oder eben Soubretten gegeben.
Möhring, Werner - Intendant von 1958-1964. Unter seiner Leitung wurden Inszenierungen der Gegenwartsdramatik forciert, ohne dabei das klassische Repertoire zu vernachlässigen. Eine Überbetonung des Schauspieles gegenüber dem Musiktheater setzte ein. Dies fand seinen Ausdruck u.a. in der 1959 gebildeten ersten „Sozialistischen Inszenierungsgemeinschaft Schauspiel“ in der DDR. Möhring spielte auch in DEFA-Filmen mit, u.a. in „Nackt unter Wölfen“.
N
Naumann, Werner – war über 30 Jahre sachkundiger und einfühlsamer Kritiker des Annaberger Theaters (hauptsächlich Musiktheater), nach der Entnazifizierung wurde er Lehrer an der hiesigen Musikschule, Stimmbildner und Gesangslehrer für eine Vielzahl von Sängern (auch der erste Gesangslehrer des Autoren) der Oper, Operette und des Chores, privater Musiklehrer für Klavier, Akkordeon und Blockflöte. Über 35 Jahre leitete Werner Naumann den „Städtischen Chor Annaberg“, der sich regelmäßig an Konzerten des Theaters beteiligte. Höhepunkt war die häufige Mitwirkung an der IX. Sinfonie von Ludwig van Beethoven zu Silvester. Mit der politischen Wende und dem Abschied des Musikmeisters Naumann hat sich auch einer der besten Chöre Annabergs aufgelöst.
Nielsen, Asta - die grand dame der Bühne und des Films gastiert 1929 mit ihrem eigenen Ensemble als „Kameliendame“ im Annaberger Theater.
Novitäten - als solche wurden 1893 vom damaligen Direktor des Annaberger Theaters, Georg Kurtscholz, u.a. folgende Werke für die I. Saison angekündigt: „Barfüssige Fräulein“, „Frau von Helgoland“, „Der Lebemann“, „Die Schwestern“, „Standhafte Liebe“, „Eine Palast-Revolution“, „Sicilianische Bauernehre“, „In Civil“ und „Fräulein Frau“. Possen, Lust- und Singspiele bestimmten das Repertoire der ersten Spielzeit neben einer Reihe von Werken der klassischen Dramatik.
O
Othello - dieses Schauspiel von Shakespeare wurde in der ersten Spielzeit in Annaberg am 16. und 20. 4. 1893 gegeben. Die Oper von Verdi stand dagegen wegen Heldentenor-Mangel noch nie auf dem hiesigen Spielplan.
Offene Verwandlung - wird der Bild- oder Aktwechsel bei offenem Vorhang und bei meist verdunkelter Bühne genannt. In Annaberg mussten oft - neben den Männern von der Technik - die Darsteller selbst mit Hand anlegen, um einen raschen Szenenwechsel herbei zu führen. Dabei konnte man schon mal über einen Bühnenbohrer oder eine Requisite stolpern, was ein Stöhnen oder mitunter sogar Applaus im Publikum auslöste.
Olymp - wurden auch am Annaberger Theater im Jargon die oberen, hinteren Rangplätze genannt, auf denen man am schlechtesten sehen konnte und die auch meist Stehplätze waren. Diese Plätze gab es noch in der alten Theaterscheune. Dort waren die Nummerierungen der Stehplätze über den Köpfen des Publikums angebracht, wie heute noch zu besichtigen ist, - wenn man eingelassen wird. Mit dem Umbau des Theaters 1981 sind auch bei uns die zehn Stehplätze im Rang verschwunden.
Opernglas – was im Erzgebirge „Rahzieglaas“ heißt und in den größeren Varianten auch zur Jagd oder zum „Sperrguschen“ in z.B. anderer Leute Wohnungen dient, gab es schon seit den ersten Vorstellungen am hiesigen Theater. Das kleine Doppelfernglas wurde – damals wie heute – vom Garderobenpersonal verliehen. Neuerdings stellt eine Optiker-Kette, die auch in Annaberg-Buchholz ein Geschäft hat, Operngläser zur Verfügung, die manche auch – zweckentfremdet – für Schauspiele oder Konzerte benutzen – obwohl aufgrund der volksnahen Entfernung zwischen Bühne und Zuschauerraum im Annaberger Theater ein solches Ranzieh-Glas die Protagonisten mitunter noch größer macht als sie es verdient haben...
Orchester - erwuchs aus der „Stätischen Capelle“ die bereits am Tag der Eröffnung mitwirkte. Neben der musikalische Begleitung allerhand Possen und Singspiele hatte es später größere Aufgaben in Operetten- und Operninszenierungen. Der Konzertbetrieb verschrieb sich in den 20er/30er Jahren hauptsächlich den unterhaltsamen Platz- oder Pöhlbergkonzerten. Regelmäßige Sinfoniekonzerte finden erst ab 1945 statt und sind auf das engagierte musikalische Wirken solcher Kapellmeister wie Kubovy, Otto, Vietze, Uhlemann u.a. sowie heute auf den aus Japan stammenden GMD Naoshi Takahashi zurückzuführen.
P
Pausen - waren einst wie heute nicht nur die Freiräume zwischen den einzeln Akten oder die “Halbzeiten” in einem Theaterspiel, sondern auch gewollte oder ungewollte Ruhepunkte in einem Dialog oder Monolog. Ungewollt dann, wenn der Darsteller einen Texthänger hat oder die Souffleuse eingeschlafen ist. Sollte das auf der Opernbühne passieren, dass die Sängerin oder der Sänger den meist deutschen Text vergessen hat, empfiehlt es sich, in einer Art Italienisch - oder in einer anderen Mundart - weiter zu singen.
Proszenium - gibt es seit dem Umbau des Hauses im Jahre 1981 nicht mehr. Im alten Annaberger Theater war das Bühnenportal, die Umrandung der Schaubühne, der Übergang von der Bühne zum Zuschauerraum prächtig ausgestaltet. Das Proszenium bildete mit den Proszeniums-Logen rechts und links von der Bühne und dem schweren, bemalten Vorhang eine neobarocke Einheit.
Publikum - setzte sich im früheren Annaberger Theater meist aus bürgerlichen und kleinbürgerlichen Schichten sowie Unternehmern aus Annaberg und Buchholz zusammen. Ab 1910 sind sogenannte Arbeiter-Aufführungen bekannt, auch Vorstellungen für Schülerinnen und Schüler wurden angeboten. Der Schriftsteller Josef Roth (u.a. Roman “Radetzkymarsch”) hat das Annaberger Publikum von einst in einer seiner Erzgebirgs-Reportagen wohlwollend verewigt. Zu DDR-Zeiten war das Publikum gemischt, zumal die Eintrittspreise für alle sozialen Schichten erschwinglich waren. Durch Theater-Busse wurden Zuschauer aus den umliegenden Ortschaften in das Theater geholt, die Abstechertätigkeit (Gastspiele des Ensembles in anderen Orten, Fabriken, LPG) wurde enorm ausgeweitet. Kindertheater, Kinder- und Schulkonzerte, Jugendtheater-Wochen waren mitunter auch Pflichtveranstaltungen.
Pochen - aber auch Stampfen, Pfeifen, Zischen oder lautes Gähnen sind Erscheinungen, die ins Publikums-Repertoire des alten Theaters gehören. Mit derartigen Geräuschen wurde das Mißfallen über eine (un)künstlerische Leistung zum Ausdruck gebracht. Heutzutage werden solche Verlautbarungen - mal abgesehen vom Gähnen - eher als Zustimmung gewertet. Man wirft ja auch nicht mehr mit Tomaten, - aber leider auch nicht mehr mit Blumen nach der Bühne (siehe auch unter Theatergesetze).
Proben - für die Theaterstücke in den ersten Jahren des Annaberger Theaters dauerten höchstens zwei-drei Tage. Meist wurde der Text erst während der Probe selbst gelernt. In den acht Wochen der ersten Saison bewältigten die Darsteller 41 (andere Dokumente nennen 37) Vorstellungen (darunter nur zwölf Reprisen). Später, als die Saison von September bis Mitte Juli ging, konnte man sich etwas mehr Zeit für Proben nehmen. Hier wurden dann auch die Haupt- und Generalproben eingeführt, die man sich früher, in der sogenannten Vor- oder Nachsaison - April/Mai oder September bis Neujahr - nicht leisten konnte. Waren damals nur ein bis zwei Proben möglich, so gibt es heute einen regelrechten Proben-Zyklus: Leseproben, Stellproben, Bauprobe, Kostümprobe, szenische und Stückproben, 1. Hauptprobe, 2. Hauptprobe, Generalprobe - Premiere.
Premiere - die erste Vorstellung eines Stückes vor zahlendem und geladenem Publikum (Foto: “Frau Luna”, 1950), in welche die Honoratioren der Stadt eingeladen werden, - sich also keine Karten kaufen müssen. Meist sitzen auch die Kritiker in diesen Vorstellungen. Ab und an verirren sich Regisseure anderer Theater in die Premieren, um sich nach Talenten umzuschauen und sie gegebenenfalls schon während der anschließenden Premierenfeier mit verlockenden Angeboten abzuwerben. Premierenfeiern fanden fast immer in der Kantine des Annaberger Theaters statt. Man gratulierte sich zum eben verrauschten Erfolg, tauschte Küsse auch bei bescheideneren Ergebnissen, überschüttete sich mit den schönsten Komplimenten und sparte nicht mit echten und falschen Elogen und Trinksprüchen. Nicht selten gab der Intendant (nicht jeder) für das Ensemble eine Runde Sekt aus. Aber auch wer nicht zum Ensemble gehörte und in der Kantine saß, wurde mit in den Umtrunk einbezogen. Bis weit in den Morgen hinein wurde so feucht-fröhlich gefeiert. Nicht selten lud der eine oder die andere die ganze Coronna noch mit zu sich nach Hause, in sein kaltes Künstlerstübl irgendwo in Annaberg (seltener nach Buchholz) ein, um dort kräftig weiter einzuheizen. Heute laufen die Protagonisten nach der Premiere meist auseinander, nur selten bilden sich noch solche Gruppen wie einst. Und der Intendant dankt auch heutzutage noch immer in der Kantine dem Premieren-Ensemble mit blumigen Worten...
Primaballerina - die Erste Tänzerin (Solotänzerin) vom Corps de Ballet in Annaberg war in den 60er Jahren Frau Hannelore Weichert (Lupinsky-Böhme). Durch ihre ausdrucksstarke Tanzweise und ihr Engagement für das Ballettensemble wurden die Ballett-Abende in dieser Zeit zu einem Erlebnis und zu einem wesentlichen Bestandteil des Drei-Sparten-Theaters. Sie war 15 Jahre mit dem Sänger und Schauspieler Günther Weichert (genannt „Theo“) verheiratet. Ballettmeisterin war die ehemalige Solotänzerin Käthe Schmidt-Mütting (Foto).
Q
Quartett - 1. Wenn vier Orchestermitglieder zusammen musizieren; was besonders in den Jahren praktiziert wurde, als das Orchester stark dezimiert und zu eigenen Konzerten nicht mehr in der Lage war. 2. Wenn vier Künstler, oder zwei Künstler und zwei Techniker zusammen Karten spielen und die Künstler dadurch fast ihren Auftritt verpassen. 3. Wenn vier Künstler zusammen sitzen und trinken, - so muss dies nicht immer gleich eine Premierenfeier sein. 4. Berühmtes Gesangsstück für 4 Stimmen z.B. aus der Oper „Rigoletto“ von Verdi, die in Annaberg mehrfach erfolgreich - und einmal mit weniger Erfolg - (mit eigenem, unverstärkten Männerchor) zur Aufführung gebracht wurde.
Querflöte - ein Instrument, das häufig von Frauen im Orchester geblasen wird. Fritz Wenzel war nicht nur BGL-Vorsitzender, sondern auch ein tüchtiger Solo-Querflötist.
Qiud pro Quod, l´un pour l´autre - dieses Lateinisch-französische Durcheinander heißt in der Bühnensprache genau das: Durcheinander, ein X für ein U vormachen oder Nonsens quatschen. Das geschieht meist dann, wenn der Text vergessen wurde oder man zu einem Extemporé greift.
R
Rabold, Mathilde (geb. Rosenau) - am 21. August 1928 in Annaberg geboren, verheiratet mit dem Regisseur, Schauspieler, Sänger, Komiker und Oberspielleiter Musiktheater des Annaberger Theaters Paul Rabold. Die gelernte Verkäuferin kam über den Extrachor 1961 zum Theater-Chor. Nach bestandener Soloprüfung in Berlin im Jahre 1973 bekam sie ein Engagement als Sopranistin. Bis 1992 prägte sie wesentlich durch ihre Rollengestaltung und mit ihrer Stimme den Spielplan des Theaters mit. Sehr beliebt war sie auch in Märchenspielen (24 Jahre spielte sie das Katzentier im “Gestiefelten Kater”) und Operetteninszenierungen.
Regie - die meisten Direktoren und Intendanten des Annaberger Theaters – damals wie heute - führten auch Regie. Das heißt nicht, dass sie immer die besten Regisseure waren. Dafür hatten sie dann auch noch den Oberspielleiter oder die Regieassistenten. In den Anfangszeiten war Regieführen im heutigen Sinne aufgrund einer Probenzeit von drei Tagen so gut wie nicht möglich. Winterstein lobte seinen „guten Kurtscholz“ dafür, dass er zu jenen Regisseuren gehörte, die über die notwendige Routine verfügten, „...um den Schauspieler mit einer kurzen Bemerkung, durch ein hingeworfenes Wort, einen Wink zu geben, einen Tip, der ihm irgendwie von Nutzen war.“
Requisite - die „Rumpelkammer“ des Theaters. Zu alten Annaberger Zeiten waren Requisitenraum und Fundus (die Kleiderkammer) noch nicht getrennt. Die Darsteller bedienten sich meist kurz vor Auftritt selbst und stellten sich die notwendigsten Teile, die zum Stück passten (oder auch nicht), zusammen. Kostümproben, wie sie später eingeführt wurden, kannte man auch hier in Annaberg nicht. Frack, Anzug, Schuhe, Hemd, Kleid und auch andere Gegenstände, die für die Handlung wichtig waren, musste jeder Darsteller selbst mitbringen. Aus diesem Grunde gab es auch noch keinen Requisiteur oder Fundusverwalter in der I. Annaberger Theater-Saison.
Rinker, Wolfram - geb. 4. Mai 1925, gest. 11. Dezember 2012. Er war von 1980 - 1990 ein beliebter Musikalischer Oberleiter des Orchesters (heute hieße er GMD) des Eduard von Winterstein-Theaters. Die Jahre nach 1990 hat der Rentner Rinker dann in Münster verlebt. Auf dem Foto links (gesendet vom Orchestermusiker Armin Weiß - wird überarbeitet) dirigiert er das Johann-Strauß- Konzert am 31.12. 1988 mit den Solisten Karina Esche, Marie-Luise Beer, Anna Obreschkowa (heute noch im Chor), Thomas Götze, Georgi Karadjow, Horst Beer und Jochen Hellwig (v.l.).
Roth, Joseph – Schriftsteller jüdischer Herkunft (u.a. „Radetzkymarsch“) besuchte die Premiere von Nestroys Posse „Lumpazivagabundus“ am 10.6.1925 am Annaberger Theater, die dort zu seinem Erstaunen auf sächsisch gegeben wurde. Er schrieb darüber in seinen Reisenotizen über die Darsteller: „Es war alles so ergreifend menschlich: man sah die Nöte des Anfängers und das Ende des Verkommenen, die Hoffnung und die Gleichgültigkeit, die kleine Gage und die große Anstrengung.“. Vom Annaberger Premierenpublikum meine er: „Die Leute rochen sauber nach Seife, nicht nach Literatur, sie waren durchsichtig wie blankgeputzte Fensterscheiben. Sie begeisterten sich nicht, sie zollten ehrlich Beifall!“ (Text zu Roth)
Rosenow, Emil - deutscher Dramatiker, 1892 Chefredakteur des sozialdemokratischen „Chemnitzer Beobachter“; ab 1898 Reichstagsabgeordneter; Autor von „Kater Lampe“ (1903), eine in erzgebirgischer Mundart verfassten schwankhaften Satire auf den preußischen Staat, die mehrfach in Annaberg und an vielen anderen Theatern (z.B. Berlin/Volksbühne/1973) erfolgreich aufgeführt worden ist. Bisher letzte Aufführung in Annaberg im Jahre 1992; in der Hauptrolle Renate Richter (auch bekannte Filmschauspielerin) als Gast, die als einzige Darstellerin die erzgebirgische Mundart beherrschte.
S
Seitenbühne - sind Räume links und rechts von der Hauptbühne zur Aufnahme von Kulissen und Requisiten und gleichzeitig Auftrittsmöglichkeiten und Schmuse-Ecken für die Darsteller. Von den Seitenbühnen, richtiger aus der ersten Gasse, wurde souffliert, seitdem der Souffleurkasten von der Vorderbühne entfernt worden ist. Von der Seitenbühne aus beobachteten die Eleven das Spiel ihrer Vorbild-Mimen, ergötzten sich die Herren an den grazilen Bewegungen ihrer Tänzerinnen oder flüsterten böse Theaterbuben dem Heldenvater falsche Texte zu, die ihn in arge Verwirrung brachten. Wenn die Blumen für die Darsteller nicht auf die Bühne geworfen wurden, so brachte sie der Theaterdiener oder später eine Schließerin von der Seitenbühne zum Künstler. Die Seitenbühne ist wohl der Raum, der die meisten strahlenden Augen aber auch die bittersten Tränen gesehen hat.
Schöntaube, Helmut - Tenor-Buffo und Charakterkomiker; gehörte zum „heiteren Inventar“ des Annaberger Theaters der Neuzeit. Ein überaus sensibler Darsteller mit Fähigkeiten für den leisen und derben Humor. In prägender Erinnerung für viele Annaberg ist seine Darstellung des Mann im Mond in „Peterchens Mondfahrt “ geblieben. Aber auch als berauschender Frosch in der „Fledermaus“ oder als Marullo im „Rigoletto“ konnte Helmut Schöntaube seine künstlerische Vielfalt und sein umwerfendes komödiantisches Talent dem Publikum zur überschwänglichen Freude präsentieren.
Siebenschuh, Walter - Intendant von 1951 bis 1958; Schauspieler und Regisseur; unter seiner Leitung entstanden Aufführungen wie „Kabale und Liebe“, „Egmont“, „Tagebuch der Anne Frank“, „Nathan der Weise“ u.a. Er organisierte eine Theaterfestwoche anlässlich des 60 jährigen Bestehens des Annaberger Theaters 1953, an der Eduard von Winterstein teilnahm. Sei Sohn, Joachim Siebenschuh, der auch kurzzeitig am Annaberger Theater tätig war, hatte 2017 hier eine sehr beachtete Ausstellung seiner bildenden Kunst.
Souffleuse/Souffleur (franz.) - Einbläser/in; jene Männer (später dann fast ausschließlich Frauen), die den Darstellern, möglichst im Flüsterton, den Text vorsagen mussten. Frau Agnes Ernst war die erste Souffleuse am Annaberger Theater. Vom kleinsten Raum des Hauses aus, dem Souffleurkasten auf der Vorbühne, gab sie auch zur Eröffnung dem später großen Eduard von Winterstein die rechten Stichworte zum „Egmont“. Frau Annemarie Heller, wie jene markante Souffleuse aus der neueren Geschichte des Theaters hieß, flüsterte mit ihrem kräftigen und wohlprononciertem Organ schon ab und an aus der I. Gasse - aus der Seitenbühne - da man die Vorderbühne zunehmend mehr als Spielfläche gebrauchte und der alte Kasten dort nur störte. Eine Souffleuse wie Frau Heller war aber nicht nur „Einbläserin“, sondern auch aufopferungsvolle Betreuerin von teilweise recht hilflosen Tenören, wie es sie nicht nur in Annaberg gab. Deshalb sah man diese rastlose Frau auch stets nickelbebrillt und langmantelig mit zwei übervollen Taschen, in denen sich zahlreiche Thermosflaschen gefüllt mit wodka-aromatisiertem Kaffee sowie „Bemmepakete“ für ihre Tenöre befanden, durch Annaberg staken. Die „Abstechermutter“ wurde sie liebevoll von den Mitarbeitern genannt, weil sie bei solchen Gastspielen in den Spielstätten der näheren Umgebung Annabergs die dort fehlenden Kantinen mit ihren voluminösen Tascheninhalten meisterlich überspielte.
Schmierentheater - oder Schmiere, wurden meist Wanderbühnen oder materiell schlecht ausgestattete kleine Provinztheater genannt. Eine Bezeichnung, die auf das Annaberger Theater nicht zur Anwendung gebracht werden kann, da man meist dafür gesorgt hat, dass die finanzielle Ausstattung - über die ansässigen Unternehmer, Mäzene und städtische Zuschüsse - gewährleistet war. Von daher war auch der typische Schmieren-Komödiant nur selten anzutreffen. Jener Darsteller-Typus, der sich für äußerliche, überdeutliche Effekte wie übertriebenes Minen- und Gebärdenspiel sowie unnatürlich lautes Sprechen nicht zu schade ist. Obwohl es ihn angeblich an allen Theatern geben soll...
T
Takahashi, Naoshi – wurde 1973 im japanischen Nagoya geboren (Foto). Bereits als Student erhält er verschiedene Einladungen zu Gastdirigaten in Japan, unter anderem vom New Japan Philharmonic Orchestra. Sein erstes Engagement in Deutschland bringt ihn als Kapellmeister an das Brandenburger Theater. Nach einem Engagement an den städtischen Bühnen Osnabrück leitet er seit 2004 die Erzgebirgische Philharmonie Aue, wo er seit 2006 der Chefdirigent ist. Seit 2006 ist er am Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz als Generalmusikdirektor tätig. Tenöre - gab es auch am Annaberger Theater, mitunter sogar reichlich. Nicht selten traf auf sie der alte Theaterspruch zu: „Von dem einen wusste man es schon, der andre war ein Bariton“. Die den Tenören allgemein nachgesagte Naivität kann für jene Gattung in Annaberg nicht durchweg bestätigt werden. Hier gab es welche, die ihrer Bühnen-Partnerin am Abend der Vorstellung damit imponierten, dass sie bei den eng umschlungenen Liebesduetten eben nicht nach Knoblauch oder Alkohol rochen, sondern nach feinem Eau de Cologne dufteten, weil man kurz vorher einen Schluck desselben beim Kantinen-Wirt zu sich genommen hatte. In der Tat, man trank Parfüm! In einer Vorstellung von „La Traviata“ (1965, von mir selbst miterlebt) konnte ein solcher Tenor den Alfredo nur bis zum Ende des ersten Aktes gestalten. Nach einer längeren Pause sang den Part ein rasch herbeigeholter, zum Glück auf der Buchholzer Straße (damals Ernst-Thälmann-Straße) wohnender, aber wesentlich kleinerer Sänger unter dem Jubel des Annaberger Publikums die Oper zu Ende. Damals gab es noch Stadtgespräche...!
Theaterklepper - nannte man männliche Personen - meist reiferen Alters - die über einen gewissen, nicht nur materiellen Einfluss auf das Theater verfügten und ein Auge auf gewisse Tänzerinnen oder Soubretten geworfen hatten. Es handelt sich dabei um so genannte Kunstliebhaber, die eigentlich mehr die Darstellerinnen statt die Kunst lieb haben (wollen), die ihnen “nachkleppern” oder, gleich mutigen Hengsten, nachjagen. Die erste Liebschaft des Eduard von Winterstein ist wahrscheinlich am Annaberger Theater durch einen solch reichen „Klepper“ in die Brüche gegangen. Der damalige amerikanische Konsul in Annaberg soll es gewesen sein, welcher der „munteren und naiven Liebhaberin, dem großen Talent“ Bertha Weber regelmäßig teure Blumenarrangements nach Hause oder in die Garderobe schicken lies. Da die „rundlich sächsische Mutter“ der Naiven jene Annäherungsversuche sehr begünstigte, konnte Winterstein mit der Konkurrenz dieses „Theaterkleppers“ nicht Schritt halten. Das „Annaberger Wochenblatt“ brachte dann auch bald in großen Lettern die Verlobungsanzeige mit dem amerikanischen Konsul. Ein Engagement der Bertha Weber nach Berlin ließ zum Schmerz des von Winterstein nicht lang auf sich warten.
Theaterklatsch - nicht zu verwechseln mit dem Beifall oder Applaus, den ein Künstler ob seiner Leistung erhält. Hier handelt es sich um Tratsch, Gerüchte, Vermutungen, intrigenhafte Gespräche oder auch nur neidvolles Gezänk über meist nicht anwesende andere. Zentren solcher Klatsch-Räume waren auch in Annaberg die Garderoben, die Kantine oder die Hinterbühne des Theaters. Dort wurde darüber gehechelt, wer mit wem, wie und wo, wie lange und warum denn gerade mit der (dem). Es ist ein Gerücht, dass, wer über die höhere Stimmlage verfügt, mehr zum Klatschen neigen soll. Auch Bassisten wurden am Annaberger Theater dabei ertappt, besonders dann, wenn sie meinten, die Partien ihres Tenor-Kollegen besser singen zu können als dieser mit „seiner Fistelstimme“. Über Namen schweigt hier „des Sängers Höflichkeit“...
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Theatergesetze - spezifische abergläubige, aber ungeschriebene Verhaltensvorschriften, die garantiert verheerend - oder aber beglückend - wirken, wenn man sich nach ihnen so oder so richtet. Dazu gehören folgende strenge Ver- oder Gebote (mitgeteilt von Roland Graf):
Farben
Blau wird im Theater selten getragen. Blau war im Mittelalter sehr schwierig herzustellen und sehr teuer, daher war sie dem Hochadel vorbehalten. Gelb und Grün sind Farben, mit denen man ebenfalls vorsichtig im Bezug auf Kostüme, Kulissen und Dekoration umgehen sollte, denn diese Farben waren in mittelalterlichen Mysterienspielen die typischen Erkennungsfarben für den Teufel. Insbesondere gelbe oder grüne Hüte, Vestons oder Krawatten.
Pfauenfedern
Pfauenfedern gehören nicht auf die Bühne, denn ihre Augen werden mit dem Bösen Blick in Verbindung gebracht. Sowieso gelten Dekorationen mit Augen oder augenförmigen Mustern als potenziell gefährlich.
Blumen
Der Aberglaube verbannt auch frische Blumen aus der Bühnendekoration, wobei hier noch einmal praktische Überlegungen eine gewisse Rolle gespielt haben dürften. Frische Blumen welken im Scheinwerferlicht, Vasen neigen zum Umfallen, sich ausbreitenden Wasserlachen stören die Vorstellungen und frische Blumen kosten eine Menge. Die Theatergruppe, die sich niemals um Geld sorgen muss, dürfte bisher kaum existieren! Nicht zu vergessen ist, dass einer der Schauspieler allergisch sein könnte. Blumen nach der gelungen Premiere wiederum gehören zur Theatertradition und stellen eine Wertschätzung der Leistungen dar, allerdings sollten sie niemals vor der Premiere an Schauspieler oder Regie überreicht werden, sonst verkehrt sich das Glück ins Gegenteil, dann sind sie ein Omen des Versagens. Erlaubt ist im Gegenzug dazu allerdings das Tragen von Blumen z.B. im Revers, vorzugsweise eine Chrysantheme, aber natürlich niemals eine Gelbe...! Es gilt in einigen Theatern übrigens als Tradition, dass die Regie oder die Hauptrollenträgerin vom Ensemble Blumen geschenkt kriegt, welche auf einem Friedhof gestohlen wurden. Grund dafür dürfte auch sein, dass früher viele Theater derart arm waren, dass man sich frische Blumen vom Markt nicht leisten konnte.
Generalprobe
Allgemein bekannt ist, dass eine schlechte, pannenreiche Generalprobe ein gutes Omen für die Premiere ist, die perfekte Generalprobe aber alle Schauspieler und die Regie argwöhnen lässt, was da für schreckliche Dinge am nächsten Abend passieren werden. Eine gelungene Generalprobe wiegt die Spieler in einer falschen Sicherheit. Eine Generalprobe findet häufig schon vor Publikum statt, allerdings ist Applaus am Ende der Generalprobe verpönt, da dies Unglück für die Premiere bringe. Sollte also applaudiert werden, kann eine Premiere nicht wirklich stattfinden. Weniger bekannt ist, dass man es in der Generalprobe - vorher ebenfalls - vermeiden sollte, die letzte Zeile des Stückes vorzutragen. Das Stück kann erst am Premierenabend fertig sein, wenn der Saal mit Publikum gefüllt ist. Es vorher vollenden zu wollen, ist ein Dünkel, der sich sehr negativ auf das Gelingen und den Erfolg der Produktion auswirken kann. Alte Theaterhasen, die an von Aberglauben und Erfahrung geprägten Theaterregeln festhalten, verlangen sieben Durchläufe, davon drei als Hauptproben.
Vorhang
Durch den Vorhang schielen, bevor dieser aufgeht, bringt Unglück. Leicht nachvollziehbar, da beim Anblick der lieben Familie und des lieben Kritikers die Aufregung und damit die Gefahr zu patzen steigt.
Glückwünsche
Glück bringt das „Toi-Toi-Toi“ vor den Aufführungen und das ist nichts anderes als eine Verballhornung des Fluchs „Teufel, Teufel, Teufel“. Richtige Antworten darauf sind „Hals- und Beinbruch“ (vom Jiddischen hasloche un’ broche – Glück und Segen) oder „Wird schon schief gehen“, aber absolut niemals "Danke". Ebenfalls häufig zu hören ist der französische Kraftausdruck "Merde". Ebenso bringt das dreimalige Spucken über die linke Schulter, das man einander vor der Aufführung unter den Mitwirkenden zukommen lässt, Glück. Auf der linken Schulter soll nämlich der Teufel sitzen, welchen man dadurch runterspuckt. Wünschen Sie niemals „Viel Glück“ vor den Vorstellungen... und wenn doch? Dann hilft nur eines: - Das Theater verlassen (raus ins Freie!) - Dreimal um das Theater herumlaufen oder, falls das nicht möglich ist, dreimal um die eigene Achse drehen - Ein Lied singen oder summen (lockt gute Geister an) - Den Schlussmonolog von Puck aus dem Sommernachtstraum rezitieren ("Wenn wir Schatten Euch missfielen..") - Dreimal an die Theatertür klopfen und höflich darum bitten, wieder eingelassen zu werden.
Pfeifen
Eine der verbreitetsten Regeln ist, dass man im Theater nicht pfeifen darf, so etwas deute nämlich auf einen Brand hin. Früher wurden die Theater mit Gaslampen beleuchtet. Wenn der Sauerstoffgehalt der Luft stark sank, begannen die Lampen zu pfeifen. Dann wusste man, dass es irgendwo brannte. Pfeifen konnte allerdings auch eine andere Gefahr anzeigen: Als es noch keine Funkgeräte gab, pfiffen sich die Techniker zu, um vor herabfahrenden Zügen und Kulissen zu warnen. Wer also im Theater pfiff, brauchte sich nicht zu wundern, wenn sich plötzlich aus Richtung Schnürboden die Kulisse vom zweiten Akt auf ihn hernieder senkte. Ebenso waren die "Techniker" im Mittelalter häufig Seemänner, deren Schiffe im Hafen lagen. Während dieser Zeit verdienten die Seeleute nichts, weshalb sie sich ein Zubrot im Theater verdienten. Und die sassen häufig auf den Balken, da sie von ihrer Arbeit es sich gewohnt waren in grosser Höhe zu arbeiten und auf den Masten zu balancieren (und sie beherrschten die besten Knoten). Ebenso bekannt ist jedoch auch deren übermässiger Rum-Konsum. Die Seeleute verständigten sich ebenfalls durch Pfiffe. Ein Pfeifen von der Bühne könnte für die leicht angetrunkenen Seebären also auch ein Signal gewesen sein, dass die Kulisse zu wechseln ist.
Spiegel
Spiegel auf der Bühne sollten auf keinen Fall echt sein! Sieht man in den Spiegel hinein und es steht noch eine Person dazwischen, der man über sie Schulter und den Spiegel in die Augen sehen kann, ist diese Person vom Unglück betroffen. Abgesehen davon, dass man im Theater wegen der sonstigen Reflexionen von Scheinwerfern, Publikum und dem nicht sichtbaren Bühnenbereich ohnehin keine echten Spiegel anbringt.
Kerzen
Offenes Licht auf der Bühne ist verboten, da sich alles Mögliche entzünden könnte. Wer sich als nächstes zur kürzesten von drei angezündeten Kerzen auf der Bühne oder in der Umkleide aufhält, wird als nächstes von der Truppe sterben – oder heiraten. Welches das schlimmere Unglück ist, darf jeder selbst entscheiden.
Puppen
Baby-Puppen, die während der Aufführung benutzt werden, sollten unbedingt mit dem Gesicht nach unten auf dem Requisitentisch gelagert werden. In diesen Puppen können nämlich poltergeistähnliche Kreaturen leben, die den Augen entschlüpfen und dann poltergeisttypische Verhaltensweisen im Theater an den Tag legen.
Stricken
Zu Stricknadeln, die ebenfalls verboten sind, gibt es einerseits die praktische Erklärung, dass entwischte Nadeln die Gefahr bergen, darauf auszurutschen bzw. sich Kostüme darin verfangen könnten, andererseits die mystische Erklärung, dass die Schicksalsgöttinnen Stricknadeln nutzen um ein Netz zu produzieren, in dem sich die ganze Produktion verfangen kann.
Gehhilfen
Krücken, als Zeichen von Krankheit und Versagen sind verboten, Spazierstöcke, als Zeichen von Gesundheit und Erfolg, erlaubt.
That Scottish Play
Call it “that Scottish play”! Einer der wohl bekanntesten Theateraberglauben im angelsächsischen Raum ist "das Schottische Stück" des englischen Dramatikers William Shakespeare: Innerhalb eines Theaters ist es absolut verboten den Namen „Macbeth“ zu nennen oder es generell in einem Gespräch über Theater zu erwähnen, sonst beschwört man großes Unglück auf sich herab. Das Unglück wird natürlich ungleich größer, wenn man sich dazu hinreißen lässt, Teile des Stückes zu rezitieren, speziell die Szenen mit den drei Hexen gelten dabei als besonders gefährlich. Wer sich also dazu entschließt, besagtes Stück auf die Bühne zu bringen oder darin aufzutreten, sollte gut versichert sein: Unfälle mit teilweise tödlichem Ausgang könnten folgen. Der Ursprung des Aberglaubens liegt auf der Hand: Er ist wahr. Die Hexen beschwören in der ersten Szene das Unglück herab und ihre Flüche erweisen sich als hochwirksam. Herr Shakespeare war wohl mit dunklen Mächten im Bunde: Über Jahrhunderte hinweg häufen sich Geschichten und Berichte über unglückliche Vorfälle bei Produktionen. Natürlich könnte es auch weniger übernatürliche Gründe die Ursache gewesen sein, z.B. dass viele Theater in früheren Zeiten gegen Ende einer schlechten Saison das publikumswirksame Stück auf die Spielpläne setzten, um die Ticketverkäufe in die Höhe zu treiben. War das Jahr aber gar zu schlecht und die Zuschauer blieben aus, markierte das schottische Stück nicht nur das Ende der Saison, sondern auch die Pleite und damit das Ende der Truppe.
Theatergeister
Den Theatergeistern sollte man das so genannte „Geisterlicht“ im menschenleeren Theater brennen lassen. Dieses Geisterlicht dient dazu die Bühne und den Saal ausreichend zu illuminieren, damit die Theatergespenster ihre Aufführungen bewerkstelligen und ihre großen Momente noch einmal auf die Bühne bringen können. Theatergespenster können wohl im Stockfinsteren nichts sehen. Damit die Geister auch genügend Zeit haben, muss mindestens ein Tag in der Woche - vorzugsweise der Montag - theaterfrei sein und nicht etwa, weil auch Schauspieler mal einen freien Tag brauchen.
Katzen
Zu dem positiven Aberglaube zählt auch die schwarze Katze, ganz im Gegensatz zum abergläubischen Alltag. Im Theater gelten Katzen im Allgemeinen als Glücksbringer, wie damals im alten Ägypten. Ursprünglich wohl, weil sie die Mäuse vertreiben, die sich sowohl in der Kornkammer als auch im Kostümfundus gerne einnisten. Billigend in Kauf genommen werden muss, sofern es eine Theaterkatze gibt, dass diese während der Aufführung auf die Bühne spaziert. Katzen sind bei Schauspielern äusserst beliebte Tiere, ja fast schon heilig. Vermutlich wegen ihres unbestechlichen Charakters. Katzen lassen sich nicht dressieren und haben ihren festen Willen. Genauso sieht sich die Kunst, welche sich auch nichts dirigieren lässt.
Weitere Theatergesetze:
Probe nie an Sonntagen und beginne nie eine neue Produktion (Probe) an einem Freitag.
Zieh nie deinen eigenen Mantel auf der Bühne an.
Iss und trinke nicht auf der Bühne, sofern es nicht zum Stück gehört.
Lass den Vorhang wieder herunter, wenn du in den ersten Reihen einen rothaarigen Zuschauer entdeckst.
Benutze keine neuen Make-up-Tiegel am Premierenabend und lass einen Rest in den Alten. (Neue Make-up-Tiegel können bei einem Schauspieler eine allergische Reaktion auslösen, und das muss nicht gerade an der Premiere sein)
Kneif einen Schauspieler vor seinem ersten Auftritt. Damit ist er auch sicher mit allen Sinnen wach ist. Auch ein Tritt in den Allerwertesten bedeutet Glück.
Wirf ein Stück Kohle bei Theatereröffnungen von der Bühne in den Zuschauerraum. Kohle war ein wichtiger Heizstoff im Mittelalter. Damit soll es im Haus immer schön warm sein. In einem unbeheizten Theater wird nicht gespielt.
Diese nirgendwo als Gesetze aufgeschriebenen Verhaltensregeln werden schon seit über 100 Jahren - und z.T. auch heute noch - am Annaberger Theater mehr oder weniger streng befolgt. Wahrscheinlich liegt darin mit das Geheimnis für seinen andauernden Erfolg.
U
Uhlig, Walter - sehr beliebter Tenor des Annaberger Publikums bis hinein in die 70er Jahre. Strahlendes und kräftiges Stimmmaterial, welches besonders als Max in Webers „Freischütz“ im Stammhaus und auf der Freilichtbühne Greifensteine zum Ausdruck kam (übrigens ohne Microport oder sonstiger elektronischen Verstärkung, der Mann hatte einfach Stimme!). Besonders prägend war seine stimmliche und darstellerische Leistung als Rudolf in „La Boheme“ gemeinsam mit Felicitas Schlousen als großartige Mimi. Durch seine stimmliche Zuverlässigkeit konnte er so manche Aufführung in Annaberg retten, in denen andere Tenöre aus den unterschiedlichsten Gründen (siehe Stichwort Tenöre) nicht recht disponiert waren und deshalb ab und an aus- oder umfielen. Walter Uhlig gab auch einen anerkannten Gesangsunterricht (ich hab ihn am eigenen Leib erleben dürfen) und war nach seiner erfolgreich beendeten Theaterlaufbahn kurzzeitig künstlerischer Leiter des Kulturhauses “Erzhammer“ in Annaberg. Er stammt aus dem erzgeb. Dorf Gelenau und war dort einst als Strumpfwirker tätig.
Ultimo - war der Titel des Lustspieles in 4 Akten von Moser mit dem die Erste Annaberger Theatersaison am 25.5.1893 – sinnigerweise -beendet wurde.
V
Varga, László Szilár – der in Budapest geborene und dort die Franz-Liszt-Musikhochschule absolvierte Bass ist seit 2007 am Annaberger Theater engagiert und sang hier u.a. den Sarastro, Pater Quardian und Kaspar im „Freischütz“, davor sang er an Opernhäusern in Budapest und Münster, hatte zahlreiche Gastspiele u.a. in Ungarn, Deutschland und Frankreich. In manchen Spielzeiten waren übrigens mitunter bis zu 11 Nationen im Ensemble vertreten.
Vietze, Erich - Musikdirektor und musikalischer Leiter am Annaberger Theater von 1955 - 1966 (Foto). Das 11 jährige Wirken von Erich Vietze wird als eine der musikalischen Hochzeiten für das Theater und für die Stadt in die Geschichte Annabergs eingehen. Seine z.T. in Festwochen veranstalteten Sinfoniekonzerte, Opern - und Operettenaufführungen, Kammermusik- und Volksmusikabende - unter Mitwirkung einer Vielzahl von Laienkünstlern sowie seine anregenden Gesprächsrunden über Musikfragen beeinflussten das ästhetische Klima Annabergs nachhaltig. Er war ein leidenschaftlicher und volksnaher Musikant, der sich in allen Auffassungen und Verhaltensmustern seinem großen Vorbild Franz Konwitschny verpflichtet fühlte. Unvergessen sind auch die Stunden mit ihm in der „Guten Quelle“ - einer Arbeiter- und Künstlerkneipe auf der Buchholzer Straße in Annaberg - in der sich der bekannte Musikdirektor nicht zu fein war, auf Bitten der Gäste einem verstimmten Klavier berauschende Töne meisterlich zu entlocken und auch mal eine Runde zu spendieren.
Veilchenfresser, Der - war der Titel eines Lustspieles in 4 Akten von Gustav von Moser, bei dem man sich am 22.5.1893 im Annaberger Theater köstlich amüsierte. Winterstein erinnert sich, dass die Stücke von Moser mit zu den beliebtesten in der Frühzeit des Hauses gehörten. Einem echten (Usambara)-Feilchenfresser (es war ein Bass-Bariton am Metropol-Theater) bin ich Jahre später in der Künstlerkneipe, den Berliner „Offenbach-Stuben“ begegnet, - das ist aber eine andere Geschichte...
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Winterstein, Eduard Clemens von - eigentlich Eduard Freiherr von Wangenheim (1871 -1961); erstes Engagement in Gera. Dann über Stralsund, Gelsenkirchen, Hanau, Göttingen und schließlich 1893 in Annaberg für die Eröffnung des Theaters mit „Egmont“ (Titelrolle) sowie einer Reihe weiterer Hauptrollen für die I. Saison als „Erster Held“ und „I. Liebhaber“ des Neuen Stadt-Theaters unter Vertrag genommen. In seinen Lebenserinnerungen schwärmt er seitenweise von der glücklichen Zeit, die er in Annaberg erleben durfte und zeichnet somit ein beeindruckendes Bild von der Kunstsinnigkeit und Kulturaufgeschlossenheit „in dem alten liebgewordenen Bergstädtchen“. Besonders angetan war er auch von der verständnisvollen Leitung des Theaters und der einfühlsamen Führung der Darsteller durch den Direktor Kurtscholz, den er zu seinen Freunden zählte und der ihn in den „gesellschaftlichen Verkehr“ Annabergs (doch, so was gab es damals noch hier) einführte. Dort kam er dann auch „mit vielen Menschen zusammen, die einen weiteren Horizont hatten, als man in einem solchen Nest vermuten könnte“. Wahrscheinlich spielte Winterstein letztmalig während der Frühjahrssaison 1895 in Annaberg, bevor er sein Engagement in Wiesbaden antrat. Im Jahre 1953 nahm er noch an den Festlichkeiten zum 60jährigen Bestehen des Annaberger Theaters teil, und seit 1981 schmückt sich dieses Haus mit seinem Namen. Übrigens auf einen Vorschlag hin, der vom Autor dieser Zeilen über eine kleinen Umweg an den damaligen Intendanten Roland Gandt 1979/80 gebracht wurde und von ihm umgehend aufgegriffen wurde.
Weichert, Günther - genannt „Theo“; Schwarm (fast) aller Frauen, nicht nur wegen seines wohltemperierten Baritons. Späterer Ehegatte der Annaberger Solotänzerin Hannelore Weichert (Lupinsky-Böhme). Er kam („strafversetzt“ – wie er meinte) vom Berliner Metropol-Theater nach Annaberg wegen eines wuchtigen Haders mit dem dortigen Intendanten Hans Pitra, der mir die Geschichte später sehr anschaulich erzählte. Als „Theo“ großartige Erfolge am Annaberger Theater feiern konnte, lockte ihn Dresden mit einem festen Vertrag und auch in Berlin durfte er seitdem wieder gastieren.
Weiße, Christian Felix - der 1726 in Annaberg geborene (gest. 1804 Stötteritz/Leipzig) Begründer der Kinder- und Jugendliteratur (“Kinderfreund”), Mitbegründer des deutschen Singspiels, Dichter, Schriftsteller, Philosoph und Freund Ephraim Lessings, hat auch zahlreiche Werke für das Theater geschrieben, darunter auch einige, die im Erzgebirge spielen und die u. a. in der Annaberger Lateinschule zur Aufführung kamen. In der 125 jährigen Geschichte des Theaters wurde lediglich um 1900 das Singspiel “Die kleine Ährenleserin” aufgeführt. Seitdem kam es zu keiner Wiederentdeckung des Theaterschriftstellers in seiner Geburtsstadt. Noch zu Lebzeiten spendete Christian Felix Weiße Einnahmen aus seinen Stücken an notleidende Kinder in Annaberg.
Weiß, Eberhard - (20.09.1924 Hohndorf - 06.02.2008 Bernsdorf) war ein gelernter Maschinenschlosser, der nach dem Zweiten Weltkrieg und Gefangenschaft zunächst als Neulehrer (u.a. Zeichenunterricht), dann als Lokschlosser in Glauchau und später als Meister der Textilindustrie arbeitete. Seine liebsten Freizeitbeschäftigungen waren Zeichnen (Malzirkel in Glauchau bei Gottfried Püschel, Eberhard Weiß hatte zahlreiche Ausstellungen) und das Zitherspiel. Sein Sohn Armin Weiß hat von ihm das musikalische Talent geerbt. Er ist Klarinettist bei der Erzgebirgischen Philharmonie Aue.
Wolansky, Inge und Arndt - Theaterehepaar. Sie, eine langjährige Maskenbildnerin, Frisörin (damals hieß das noch Friseuse und war meist nichts Unanständiges) und Perückenmacherin mit viel weiblichem Charme. Er, ein liebenswerter Charakter-Schauspieler, der in den 60er/70er Jahren besonders Kindern, aber auch Erwachsenen, in zahlreichen Märchenaufführungen viel Freude bereitet hat. Nebenbei betätigte sich Arndt Wolansky als kenntnisreicher und sensibler Theaterfotograf. Die meisten Theater-Fotografien aus jener Zeit entstammen seiner Kamera. Als er dann geschieden von seiner Frau in Gera weiter Theater spielte und ich mit ihm einige geistvolle Wanderungen von Gera zur Brauerei in Köstritz unternehmen konnte, schminkte sie noch immer die Annaberger Künstler.
X Y Z
Xangvereine oder X-tra-Chor nennen garstige Leute die Einrichtungen, in denen Laien beiderlei Geschlechts unter den verschiedenartigsten Anstrengungen (auch stimmlichen) versuchen, den Berufssängern des Annaberger Theater Chores nachzueifern, - um sie zuweilen bei umfänglichen Massen-Chor-Aufgaben zu unterstützen und von der Rampe wegzuspielen.
Yankee - amerikanischer Marinesoldat B. F. Linkerton in der Puccini-Oper „Madam Butterfly“ 1965 von Heinz Meinhardt in tenoraler Steifheit gestaltet. Hervorragend damals Elga Fischer in der Partie der Cho-Cho-San (Butterfly). In der Neuzeit Bettina Grothkopf in der Titelpartie mit Tenor Frank Unger 2017.
Zar und Zimmermann - Oper von Albert Lortzing, die in Annaberg mehrfach inszeniert wurde. Großartig Lothar Ballhaus als van Bett mit der „Singschule“ in der Aufführung von 1964.
Zargen - Verbindungen zwischen Bühne und Zuschauerraum. Rechte und linke Überbrückungen des Orchestergrabens, die wegen der kleinen Annaberger Bühne gern als zusätzliche Spielflächen benutzt wurden. Von dort waren auch Auftritte aus den Proszeniums-Logen (die unmittelbar an Bühne angrenzenden Logen) über die Zargen auf die Bühne möglich. Da diese Zargen oftmals keine Geländer oder andere Begrenzungen haben, ist eine Absturzgefahr in die Orchesterwanne immer gegeben. Manch schwankende Gestalt hat einen solchen Fehltritt (in der Vergangenheit) schon mit Prellungen oder Zahnverlust bezahlen müssen.
Zungen „R“ - Sprech- und Gesangsmethode bei der die Zungenspitze über den Konsonanten „R“ kräftig zum Flattern gebracht wird: z.B. Trrrrrrreppe, Grrrrrrrrille oder “Nurrrr vorrrrwärrrrts, herrrrlicherrrrr Rrrrrrrrecke!“ Es ist Teil der Sprache tragischer Mimen. Eine Technik des Pathos´, die durchaus auch heute mitunter – z.B. auf Spielstädten außerhalb des Theaters – mehr zu Ehren kommen könnte, um manche Textstelle besser verstehen zu können. Es ist aber auch eine Verlautbarung der meisten Tenöre, - selbst dann, wenn diese nichts zu singen haben.
Zugvögel - nennt man Schauspieler, Sänger, Tänzer (auch in ihrer weiblichen Form), die nicht lange an einem Theater verharren, sondern lieber ungebunden leben wollen. Freischaffend agieren möchten. Aber auch Schuldenmacher (in der Kantine oder bei den Kollegen, oder solche, die ihre Miete nicht bezahlen wollen oder können) verlassen mitunter vorschnell die eine Bühne, um an der anderen das Glück zu versuchen. Früher wurden mitunter auch Künstler weggepfiffen oder wegcabalisiert, wie man das Wegintrigieren, das heutige Mobbing, einst vornehm bezeichnete.
Zukunft - schöpft das Annaberger Theater auch aus seiner bewegten und nachhaltigen künstlerischen Vergangenheit sowie aus einer künstlerisch stabilen Gegenwart. Das schöne Rathaus, die uralte Annen-Kirche, der Hammer in Frohnau, der steinerne Kopf vom Adam Ries, die nahezu 500-jährige Barbara Uthmann, der Wilde Mann am Markt, die fast vergessenen Köselitze, der skurrile Heimatdichter Arthur Schramm oder der verkannte Carlfriedrich Claus - sie alle gehören zu dieser Stadt genauso wie ihr bald 125 Jahre altes Theater. Das Haus hat sich eingeprägt in das Gesicht des schönen Ortes und in die Herzen der Einheimischen, Zugezogenen und Gästen. Es hat mit ihnen den Stürmen der Zeiten getrotzt. Hat Freude erlebt und verströmt. Es ist ein Teil geworden vom Publikum – auch wenn man es kaum findet in der Stadt, weil es sich am Ende einer Straße in der Häuserzeile duckt, zu der man hingeleitet werden müsste. Von den Touristenzentren aus: Von der großen Kirche, vom Markt, vom Frohnauer Hammer... Nicht mehr wegzudenken ist unser Theater von hier, weil es nicht nur ästhetisches Kleinod des Erzgebirges, sondern seit Generationen auch Lebens-Mittel für dessen Bewohner geworden ist. In einer Zeit, in der anscheinend die Rohheit über die Schönheit triumphiert, in der Sensibles offenbar kaum gegen Aggressives besteht, in der humane Werte augenscheinlich käuflich sind, - in einer solchen Zeit kann die Kunst die Welt zwar nicht grundsätzlich verändern, aber ein wenig menschenfreundlicher gestalten helfen, das kann sie schon. Und hierbei hat das Theater auch in Annaberg-Buchholz eine seiner Zukunftschancen. Eduard von Wintersteins Wunsch könnte dabei Programm für diese Zukunft sein: „Möge das Annaberger Theater immer das bleiben, wozu seine Begründer und Erbauer es bestimmt haben: Ein Tempel der Kunst.“ –
Wer Vorschläge für weitere Schlag- und Stichworte einbringen möchte (gern auch mit Foto), sende diese bitte an annabergerwochenblatt@gmail.com
www.winterstein-theater.de
© Prof. Gotthard B. Schicker
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