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Museales „Alt-Heidelberg”

Die amerikanisch-deutsch-ungarische Operette „Der Studentenprinz in Alt-Heidelberg” hatte im Annaberger Winterstein-Theater Premiere. Sie hat seit den 20-er Jahren das einseitige Deutschlandbild in den USA und Japan nachhaltig mitgeprägt.
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In unserer Welt und Zeit, in der heutzutage jeder nach seiner Facon leben kann, und selbst gekrönte Häupter, oder die, die es werden wollen, z.B. im katholischen Spanien eine geschiedene Journalistin Laeticia, in Norwegen eine Party-Mette-Marit oder Victoria in Schweden ihren Fitnesstrainer ehelichen, bringt Annabergs Theater den „Studentenprinz in Heidelberg”
auf die Bretter. Eine Operette, in der der Prinz auf seine Liebe zu einem Schankmädchen verzichten muss - mehr nicht.
Das Stück ist eine Broadway-Schmonzette aus den Zwanzigern des vergangenen Jahrhunderts, als die Broadway-Theater noch normale Spielstätten waren ohne TV-Image und dessen Verbreitung. Dorthin gingen allerdings viele gute Dichter und Musiker und nahmen ihr europäisches Kulturgut mit. Daraus entwickelte sich dann auch das Romantik-Heidelberg-Bild Hölderlins, Brentanos, Arnims u. a. oder das „Alt-Heidelberg, du feine” von Victor von Scheffel. Dann wurde alles zusammenmontiert mit Wilhelm Meyer-Försters „Karl-Heinrich”-Erzählung” zu dem Stück „Alt-Heidelberg” (1901). Von Berlin aus wurde das Stück ein enormer Erfolg. Die Zusammenarbeit zwischen Dorothy Donelly (Libretto) und dem aus Ungarn stammenden Komponisten Siegmund Romberg brachten es als Operette auf die Bühne und überzeugt seither Generationen von Amerikanern davon, dass Deutschland so ist wie das Heidelberg der ewigen Studenten und der romantischen Liebe, oder eben so wie im Film „Ein Herz und eine Krone”. In Deutschland ist das Stück seit den Anfangserfolgen heute zurecht vergessen. Für den Rest der Amerikaner, die das Heidelberg-Stück nicht kennen, wird Deutschland noch immer alternativ als bayerisches Oktoberfest und Neuschwanstein identifiziert!-624_Studentenprinz

In Annaberg wird das Stück in der Regie von Ingolf Huhn - der als Musik-Theater-”Archeologe” schon für manch nachhaltige Überraschung sorgte - als historisches Sittenbild auf die Bretter gestellt. Das Bühnenbild (Ausstattung: Thilo Staudte) wechselt zwischen ökonomisch effektvollen Palast-Fluchten und einem gelungenen mittelalterlichen Weinrestaurant mit dem Schönblick auf Heidelberg, Neckar und Schlossruine.

Der frischdiplomierte, aber bisher im Schloss eingesperrte Prinz Franz Karl von Sachsen-Fiktivien (Frank Unger) darf endlich auf eine „Studien”-Reise nach Heidelberg ausbrechen. Das tut er mit dem einzigen menschlichen Wesen im Schloss, seinem Lehrer (Leander de Marel), der ihm mit Mut, Noblesse und sauberer Artikulation überzeugt, endlich jung zu sein, sich zu verlieben und ins wahre Leben abzutauchen. Frank Unger spielt sympathisch und singt mit angenehm strahlenden Höhen das Lied seiner Befreiung und seiner Liebe zum Schankmädchen Kathy (Madelaine Vogt), die sich als temperamentvoller Kumpel der Studenten nichts vergeben hat und im hohen Diskant den Prinzen zurückliebt: jung, unbekümmert, spielfreudig und hübsch. Daneben als Hauptdarsteller der Chor der ewigen, gut singenden Studenten und ihrer Freundinnen, alle angeführt vom quirligen Grafen Asterberg (Marcus Sandmann), der etwas schrill den Prinzen für die Saxonia-Verbindung wirbt und Student Lukas (László Varga), der stimmlichen Basston ins Gaudeamus igitur und andere Studentengesänge einbringt. Es wird viel gesoffen, gesumpft und getorkelt im Kneipen-Hauptquartier. Der Kontrast zur steifen Hofkamerilla wird angeführt vom Premierminister (Udo Prucha), der kompromisslos die Verbindung des Prinzen mit Prinzessin Margarete (Bettina Grothkopf) einfordert, seine Kaste jedoch undenunziatorisch spielt. Die Großherzogin Anastasia (Bettina Corthy-Hildebrandt) wird elegant als Gesellschaftstyp charakterisiert, während der Kammerdiener Lutz (Jörg Simmat) sehr gut artikuliert und mit komischem Körpereinsatz die zunehmende Lust am Volk-Sein zelebriert. Bettina Grothkopf spielt und singt die ungeliebte Prinzessin-Braut mit intelligentem Charme, Verständnis für die andre Seite, nimmt sich den Walzerarm des etwas steifen Hauptmann Tarnitz (Jason-Nandor Tomory), ohne auf die Liebe des Prinzen in der Zukunft verzichten zu wollen. Im schönen Ballkleid mit feiner, passender (Sisi) Frisur ist sie ein durchaus akzeptables Trostpflaster für den Prinzen. Als besonderes Schmankerl darf die von Susi Schönfeld ironisch choreografierte Gavotte am Hofe gelobt werden. Diese skurrile Charakterzeichnung hätte man sich durchgehender vorstellen können.-453_Studentenprinz

Die Musik des Sigmund Romberg ist eine Variante der Walzer- und Operettenseligkeit von Strauß bis Kálmán, ohne wirklich deren Schmäh und Schmiss zu entfalten. Der Orchestergraben (Erzgebirgs Philharmonie Aue) tat unter der sorgsamen Leitung vom 1. Kapellmeister Dieter Klug sein Bestes zur Genrezeichnung. Aufgepeppt mit Marschmusik (denn Deutsche müssen ja immer marschieren…!) und des Gaudeamus igitur, webt sich die Handlung bis zum endlichen Melodram beim Abschiednehmen: Kathy geht in die Ferne, ihre Freundin Gretchen (Therese Fauser) erbt und kauft die Studentenkneipe von Kathys Onkel Ruder (Matthias Stefan Hildebrandt). Der Kellner Toni (Max Lembeck) - eine eindrucksvolle Charakterszene (!) - darf, als Heidelberger Mitbringsel, Mundschenk des Prinzen an dessen Hof werden.
Wie wichtig bei so einem anspruchsfernen Werk die kleinen, aber fein gespielten Kammer-Figuren für die Stimmung auf der Bühne sind, erwies sich einmal mehr bei Leander de Marels honorig gesprochenem und gesanglich etwas gebrochen wirkendem Lehrer und eben bei Lembecks fein ziselierter, fränkisch gefärbter Sprache und Contenance.

Dass aber der Blues des Verzichts bei Madelaines Vogts „schönstem Kleid” als kaki-grün-graues Ganzkörpekostüm mit Friedhofshut Gestalt erhielt, oder der Wirtinenstolz der Fauser mit einem Gouvernantenkleid Ausdruck bekam, war dann doch zuviel!
Das Publikum hatte auch so verstanden und mitgefühlt, dass es Operetten ohne Happyend mit einem leichten Moll-Ausklang gegeben darf.

Alles in allem: Zwar traurig, aber schöööön!

Eveline Figura
Fotos: Dieter Knoblauch, Theater Annaberg

Weitere Vorstellungen: 2., 8. ,19.30 Uhr; 24. und 31. März, jeweils 19 Uhr

Winterstein-Theater Annaberg

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