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120 Jahre Theater
Exzellente Ensemble-Leistung
Mit der sehr erfolgreichen Premiere der Peter Gast-Oper „Der Löwe von Venedig“ feierte das Annaberger Theater, in Anwesenheit von Landrat Frank Vogel und Oberbürgermeisterin Barbara Klepsch, das 120 jährige Bestehen unseres Musentempels. (Weitere Kritiken finden Sie am Ende dieses Beitrages u.a. aus: DIE WELT, DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN (DNN), DER MERKER-München, DEUTSCHLANDFUNK.).
Was nicht nur den Annabergern seit nunmehr 120 Jahren künstlerisch vorenthalten wurde, konnte am Sonntag bei der Premiere der Komischen Oper „Der Löwen von Venedig“ des Annaberger Komponisten, Schriftsteller und Adlatus Friedrich Nietzsches geschaut, gehört und mit stürmischen Beifall aufgenommen werden. Es war eine Art späte, sehr späte Wiedergutmachung an unserem Heinrich Köselitz, der als Peter Gast nahezu 300 musikalische Werke hinterließ, von denen in seiner Heimatstadt, aber auch anderwärts, so gut wie nichts davon zu Gehör gebracht wird. War es erst die Dominanz Wagners im Opernbetrieb des 19. Jahrhunderts, kamen später die Vorbehalte gegenüber dem Vertrauten Nietzsches hinzu. Beides mündete dann über 120 Jahre lang auch in der Kleingeistigkeit und Borniertheit seiner erzgebirgischen Landsleute. Wenn man die Korrespondenz liest, die von Peter Gast, von Nietzsche und von anderen ausging, um insbesondere diese Oper zu Aufführung zu bringen, und wenn man dann die arroganten und fachunkundigen Antworten der Wagnerianer, die damals die deutschen Bühnen beherrschten, vor sich sieht, dann wundert es nicht, wenn sich auch der ansonsten so umgängliche und wohlgelittene erste Intendant des Annaberger Theaters, Georg Kurtscholz, ablehnend gegenüber dieser „Frühlings-Musik“ des „Neuen-Mozart“ Peter Gast verhielt. Man würde aber einzelnen intellektuellen Bürgern der Stadt Unrecht tun, sie mit in dieses Pauschalurteil von Ignoranz und Unverständnis einzureihen. Schließlich gab es immer mal wieder zaghafte Versuche, insbesondere seit 1948, z. B. das Streichquartett, das Lethe-Poem oder die Ouvertüre zum „Löwen von Venedig“ von Peter Gast aufzuführen. Aber erst im Jahre 2012 leitete das Annaberger Kulturzentrum Erzhammer eine Art Köselitz-Renaissance ein, in der sowohl dem Maler Rudolf Köselitz in einer Soiree und in einer großen Werkschau als auch dessen Bruder Heinrich durch Vorstellung von Leben und Werk umfänglich gedacht wurde. Dort ist dann auch die Anregung vom hiesigen Theater aufgegriffen worden, die Komische Oper von Peter Gast nun – fast 75 Jahren nach ihrer letzten Inszenierung in Regensburg – endlich auf der Heimatbühne des Komponisten zu zeigen.
Dass diese Wiedergutmachung auch noch mit dem 120. Geburtstag des Annaberger Theaters zusammenfällt und somit zu einer Fest-Premiere wurde, ist nicht nur ein angenehmer Zufall, sondern eine gescheite und wohlüberlegte Würdigung beider Institutionen durch unseren Intendanten, Dr. Ingolf Huhn, der sich auch rührend, fachkundig und sehr erfolgreich der Dramaturgie dieser Opern-Inszenierung annahm (siehe auch informatives Programmheft!). Eine derartige künstlerische und gesellschaftliche Rehabilitation hat unser Peter Gast, haben die Annaberger wahrlich verdient. So konnte Landrat Frank Vogel dann auch die Oberbürgermeisterin, Barbara Klepsch sowie ein festlich gestimmtes Publikum begrüßen und kurz auf die Geschichte dieses Bürger-Theaters eingehen und dabei auch die weiterhin großzügige Unterstützung durch den Landkreises und den Kommunen verkünden. Intendant Dr. Huhn freute sich darüber, dass Annaberg über ein solches Ensemble verfügt, das in der Lage ist, auch musikalisch schwierige Werke aus eigenen Kräften auf die Bühne zu bringen. Als Hommage an die Eröffnungsfeier vor 120 Jahren erinnerte dann Schauspieler Nenad Žanić mit dem Schlaf-Monolog aus Goethes „Egmont“ auch an den Namensgeber des Hauses, schließlich spielte Eduard von Winterstein 1893 hier die Titelrolle.
Was wir am Premieren-Sonntag erleben durften, war ein rundum stimmiges Musik-Theater im besten Felsensteinschen Sinne, das Tamara Korber (Regie) mit dem „Löwen von Venedig“ inszenierte: Die Darsteller boten durchweg sowohl musikalisch-sängerisch als auch darstellerisch-spielastisch sehr hohes Niveau. Oder kurz gesagt: Eine exzellente Ensemble-Leistung. Dazu stimmten Kostüme und Bühnenbild von Robert Schrag mit wunderbarer Leichtigkeit, Transparenz und Farbenfreude sowohl zum italienischen Thema als auch zur „Frühlingsmusik“ von Peter Gast. Und dass dieses Werk, das eigentlich um 1700 in Venedig spielt, sehr heutig angesiedelt wurde, war ein Gewinn für den alten Löwen. Durch diese Adaption in die verspielte, verliebte, intrigante und auch mafiose – nicht nur - italienische Wirklichkeit hinein, bekam das Stück eine neue Frische und die Musik dadurch tatsächlich frühlingshafte Klänge, wie sie einst von Nietzsche entdeckt worden waren.
Der „Löwe von Venedig“ ist für Sängerinnen und Sänger, und für das Orchester (Erzgebirgische Philharmonie Aue) nicht minder, ein sehr anspruchsvolles Werk, da es durchkomponiert und damit auch musikalisch komprimiert daher kommt. Eine größere Arie oder ein ausdauerndes Duett bekommt man kaum zu Gehör. Dafür wundervoll komponierte Ensembles, ausladende Rezitative und mitunter großartige melodische Ansätze, die aber meist musikdramatisch weitergeführt werden und in einem Harmonie- oder Taktwechsel enden und mit Zitaten von anderen Komponisten nicht sparen. Das Orchester unter der sachkundigen und leidenschaftlichen Leitung des GMD Naoshi Takahashi boten bereits mit der Ouvertüre ein großartiges Feuerwerk und im weiteren Verlauf eine hohe Qualität an philharmonischem Gespür auch - und diesmal ganz besonders - für das Bühnengeschehen. Hier agierten sechs erstklassig Protagonisten des Hauses, bei denen es einem ausgesprochen schwer fällt, differenzierte Urteile fällen zu können - und nach kritischen Punkten müsste man mit der Lupe suchen. Es war einfach eine solch harmonische Ensemble-Leistung, wie sie unser Theater in dieser überzeugenden Art nur selten geboten hat: Carolina, die jüngere Tochter des reichen Geronimo, wurde durch Madelaine Vogt stimmlich und darstellerisch mit angenehmer Leichtigkeit und schöner Tongebung, auch in extremen Höhen, gestaltet. Bettina Grothkopf gab die etwas überdrehte ältere Tochter, die sowohl von Stimme und Gestus diese skurril angelegte Figur wunderbar traf und auch ihr hochdramatisches Organ gekonnt zum Einsatz bringen konnte. Herrlich, wie die bunten Spieße in ihrer Haarpracht mit zunehmendem Abend und ansteigender Hysterie immer mehr wurden. Die eigentlich ältliche Schwester des reichen Kaufmanns wurde von der jungen Therese Fauser mit spielerischer Leidenschaft und sehr angenehmen Tönen gestaltet. Ihr gelang es, durch bewußt gouvernantenhaftes Spiel, unterstützt durch einen kleinen Popo-Watton, der Rolle den ihr gemäßen Charakter zu verleihen. Janson-Nandor Tomory als äußerst spielfreudiger und sehr angenehm, kräftig und auch lyrisch singender Graf Robinson aus Padua steht zwar im sehr informativen Programmheft (Ingolf Huhn) an erster Stelle, was aber bei dieser heiteren Ensemble-Oper nicht viel zu bedeuten hat. Denn László Varga, als etwas schwerhöriger und reicher Kaufmann Geronimo, der als eine Art Mafia-Boss mit Sonnenbrille und Pistole agiert, überzeugte ebenso mit gewaltigen und schönen Tönen und einer Spielfreude, die mitunter Bässen nicht derart zueigen ist. Von dieser Spiellaune war dann auch unserer - im doppelten Sinne - strahlender Tenor Frank Unger in der Rolle des Buchhalters Paolino beseelt. Auch seine überaus anspruchsvolle Partie, mit mehreren hohen „A“ und etlichen „C“, sang er mit klarer Stimmgebung, sehr angenehmen Tempre – und das in allen möglichen Stellungen. Tamara Korber verlangte ihren Darstellern viel ab, um die Einheit von Musik und Theater über den gesamten Abend dem begeisterten Publikum als wirkliches Musik-Theater zu vermitteln. Das gelang ihr und unserem Ensemble – einschließlich dem Chor (Uwe Hanke), der von Peter Gast leider nur mit einer kleinen Aufgabe bedacht wurde – in wunderbarer Weise.
Die Entdeckung und späte musikalische Rehabilitation dieses Werkes unseres Annaberger Komponisten Peter Gast hat sich sowohl für das Theater, sein prächtiges Ensemble - vor und hinter der Bühne - und für die Stadt sowie weit darüber hinaus in mehrfacher Hinsicht gelohnt. Ist doch erneut der Beweis erbracht worden, dass Annaberg nicht nur als Ort der Schnitzer und Klöppler wahrzunehmen ist, sondern auch über ein vorzeigbares intellektuelles Potential verfügt, das es auch in Zukunft noch weiter zu erschließen und für das Image dieser Stadt nutzbar zu machen gilt.
red. / Fotos: D. Knoblauch, Theater
Eduard von Winterstein-Theater
Annaberger Theater ABC
Weitere Vorstellungen: 12., 20., 27. April / 8., 12. (19 Uhr), 16., 19. Mai (19 Uhr), sonst jeweils 19.30 Uhr.
Siehe auch KOMMENTARE zum “Löwen von Venedig” auf dieser Seite unten.
Kritik aus: DIE WELT - hier.
Kritik aus: Dresdner Neueste Nachrichten (DNN) - hier. oder hier über Kauf-Abo.
Kritik aus dem “Merker” - München - hier.
Kritik von “Deutschlandfunk” - hier.
Premierenschaufenster, Bericht von Kabeljournal-Mediathek - hier. Zu finden unter: 08.04.2013 17:00 Uhr (Kultur)
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