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THEATER ABC

 

 




Mutig und verwegen

Die Premiere von Verdis Oper „Rigoletto“ war am Annaberger Theater durch eine Erkältung des Hauptdarstellers überschattet. Die musikalische und theatralische Umsetzung dieses anspruchsvollen Werkes durch Regie, Bühnenbild, Orchester und Ensemble kann dennoch differenziert gewürdigt werden.
Mit Nachklängen zur Vorstellung am 14.11.2014.

Nachklänge zum Besuch der Vorstellung am 14.11.2014

Die Vorstellung am vergangenen Freitag war in weiten Teilen noch eindrucksvoller als die Premiere selbst: Das Orchester begleitete diesmal die Sängerinnen und Sänger noch differenzierter und war hörbar bemüht, auch bei Fortissimo-Stellen dem Bühnengeschehen Vorrang zu lassen. Hatte die Erkältungswelle zur Premiere nur den Hauptdarsteller kräftig indisponiert, so vielen ihr diesmal gleich vier andere Protagonisten zum Opfer. Für die erkrankte Bettina Grothkopf sang die Gräfin Ceprano Elzabeta Laabs aus Chemnitz. Als Giovanna waren Juliane Roscher-Zücker und als Marullo Tim Whelan zu hören.
Für den ebenfalls erkrankten Haus-Tenor Frank Unger kam extra aus Paris der in Annaberg bekannte und überaus geschätzte Francisco Almanza, der die gesamte Partie in italienischer Sprache und mit einer meisterlichen Tongebung - zumindest im zweiten Akt - sang. Kleine Unebenheiten bei den hohen “As” am Ende vom “Questa o quella” im ersten Akt kompensierte er in den nachfolgenden Arien und Duetten mit tenoraler Leidenschaft und strahlender Höhe. Er wirkte offensichtlich auch ansteckend auf seine Partnerinnen, denn die schon zur Premiere erlebte homogene Gesangskultur von Madelaine Vogt als Gilda erfuhr an diesem Abend eine weitere Steigerung auch hinsichtlich der Abrundung der hohen Töne, was u.a. diesmal auch der Kadenz der bekannten Arie “Caro nome...” sehr zugute kam. Auch das Spiel und die Stimme der Maddalena (Therese Fauser) war an der Seite des italienisch singenden Mexikaners von noch etwas größerer Leidenschaft geprägt, als das zur Premiere schon der Fall war. Selbst der Chor klang - insbesondere in den Schlußkonsonanten - präziser als am Premierenabend und lies sich von der Atmosphäre des Abends anstecken.
Jason-Nandor Tomory hat die hoch-dramatische Partie des Rigoletto, die meist von reiferen Charakter- oder Heldenbaritonen gesungen und gestaltet wird, im Rahmen seiner Möglichkeiten als Kavalierbariton (siehe
Figaro) anständig bewältigt. Der langanhaltende Applaus - diesmal auch von einem teilweise sehr jungen Publikum - galt allen Sängerinnen, Sängern, der Regie und nicht zuletzt dem Orchester unter der jetzt einfühlsameren Leitung von GMD Naoshi Takahashi. Bravorufe, Freudenpfiffe und stürmischer Applaus richteten sich aber dann insbesondere an Francisco Almanza - dem selbst seine Kollegen auf offener Bühne Beifall klatschten.

Kritik zur Premiere am 26.10.2014:

Wenn der Sänger der Hauptpartie so stark erkältet ist, wie dieses Schicksal zum Premieren-Abend Jason-Nandor Tomory als Rigoletto – eine der anspruchvollsten Partien der Opernliteratur - ereilt hatte, dann hat die Leitung des Theaters meist drei Entscheidungsmöglichkeiten: Die Premiere kann verschoben und zu einem späteren Zeitpunkt mit einem dann stimmgesunden Protagonisten stattfinden. Oder man besorgt sich einen Gast, der die fast ausverkaufte Vorstellung rettet. Im ersten Falle gäbe es organisatorische Probleme die möglicherweise den weiteren Spielplan durcheinander brächten. Einen Gast dafür zu engagieren dürfte dem nicht gerade wohlhabendem Theater ins Budget schlagen. So entschied man sich also für die dritte Möglichkeit, indem der Intendant vor den Vorhang trat und das Publikum um Verständnis für die Erkältung des Rigoletto und um Anerkennung für seine Bereitschaft, dennoch zu agieren, bat. Applaus! Aufgrund dieser zeitweiligen stimmlichen Behinderung des Hauptdarstellers verbietet es sich - auch aus Gründen der Fairness - seine Gesamtleistung, welche schließlich auch von den stimmlichen Einschränkungen beeinflusst ist, kritisch zu beurteilen. Vielleicht kann das bei einer späteren Aufführung nachgeholt werden.
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Die Inszenierung (Regie: Tamara Korber) sorgte für Transparenz in der Handlung, und das Bühnenbild samt Kostümen (Marie-Luise Strand) setzten den dafür adäquaten ästhetischen Rahmen. Mit der Transformation des Werkes aus der Renaissance (bzw. aus dem von Verdi ursprünglich vorgesehenen 19. Jahrhundert) in eine amorphe Gegenwart, regt die Inszenierung nicht nur zum Genießen, sondern auch zum Nachdenken über zeitlos vergleichbare gesellschaftliche Zustände und menschliche Verhaltensweisen in ihnen an. Ob allerdings dabei die Funktion des Narren am Hofe eines Fürsten auf die eines recht gegenwärtigen Clowns mit roter Nase so ohne weiteres übertragen werden kann, dürfte zumindest zur Diskussion herausfordern.
Verdis Partitur gibt die meisten Impulse für die Inszenierung vor: Leidenschaft, Intrige, Liebreiz, Verruchtheit – kurz: Dramatik... - nahezu das gesamte Register menschlicher Regungen sind in seiner Musik enthalten und abrufbar angelegt. Man hätte sich daher an mancher Stelle mehr von inszenierter Verdi-Musik gewünscht. Aus dem Orchestergraben war dieses Hell und Dunkel der menschlichen Seelenzustände zu vernehmen. Mitunter sogar fein ausdifferenziert unter der Stabführung von GMD Naoshi Takahashi und seinem Erzgebirgs Philharmonikern. Dann allerdings wieder – leider wiederholt – zu eigendynamisch, zu eigensinnig, ohne der Handlung und den Stimmen auf der Bühne das notwendige begleitende Gehör zu schenken. Manche im Publikum – darunter diesmal auch jüngere Leute - brachten es auf den einfachen Nenner: Das Orchester war wieder an vielen Stellen zu laut!Rigoletto_HP1-039
Die durchaus schwierige Partie der Gilda wurde in vielen Passagen sehr angenehm wohlklingend und mit gekonnter Leichtigkeit von Madelaine Vogt gesungen und gespielt. Insbesondere ihre Solopassagen im Schlussduett „Oben bei Gott“ kamen berührend über die Rampe. Bravo! Und dass die Regie sie nicht – wie bei Verdi vorgesehen, aber kaum noch auf den Opernbühnen praktiziert – aus dem Sack singen ließ, sondern auf eine Art Wolken-Sims, kam ihrem Ausdruckswillen entgegen. Auch in der bekannten „Teurer Name, dessen Klang“-Arie hörten wir eine berührende Stimme der Madelaine Vogt bis in die höchsten Töne dieser auch Kräfte zehrenden Arie. Da ist es dann auch nicht mehr von Bedeutung, wenn die Kadenz der Arie etwas mundgerecht angelegt wird. Wenn sie ab „g“ aufwärts die Töne noch etwas mehr runden, etwas abdunkeln würde, nähme sie diesen möglicherweise ihr mitunter leicht schrillen Spitzen. Großartig dann auch in den Duetten mit dem Strahle-Tenor Frank Unger, bei dem nicht nur sein Stimme, sonder auch sein Wesen strahlt. Beides bringt er zur Freude des Publikums auch diesmal wieder als Herzog von Mantua in die Inszenierung ein. Sein freundliches Image hindert ihn vermutlich dann auch daran, das menschliche Eckelpaket des Werkes glaubhaft zu geben. Alle seine Arien sind mit Leichtigkeit und Charme sowie mit jugendlicher Stimmkraft gesungen. Wenn man im Publikum meint, dass seinem hohen „a“ kaum noch ein „h“ folgen könnte, - weit gefehlt. Unger überrascht uns dann auch noch in angedeuteter italienischer Glottis-Art mit einem „Hohen C“ und strahlt dabei auch noch unverkrampft in den Zuschauerraum. Insbesondere bei der Kassen-Schlager-Canzone "Ach wie so trügerisch", die er richtigerweise italienisch sang und die "nur" mit einem hohen "h" endet.
Auch hierbei ist es kein Problem, wenn nach diesen Stimm-Erektionen, wie sie u.a. auch im Duett Gilda/Herzog (Zwölfte Szene) erforderlich sind, die Kadenz etwas eingedampft wurde und damit den gebräuchlichen Strichen (vi-de) folgt.
Ob eventuell der Bass László Varga am hiesigen Theater doppelte Gage erhält? Diese Frage stand neulich im Raum, nachdem er auch im Rigoletto – wie zuvor schon im „Figaro“ und im „Freischütz“ - wieder zwei Partien sang. Große Häuser besetzten den Banditen Sparafucile und den Grafen von Monterone meist mit je einem Bass. Hier am kleinen Haus mit großen Ambitionen singt Varga mit charaktervoller Kraft zunächst den rächenden Vater, jenen Alten, der Rigoletto mit samt den Höflingen verflucht, und schließlich wird aus dem Rächer jener angenehm singende Mörder, der Rigolettos Tochter statt des Herzogs meuchelt. Eine gelungene dramaturgische und inszenatorische Lösung, die – wie auch schon an anderen dramatischen Stellen – computergesteuerte und gebeamte Unterstützung durch eine gescheite Lichtregie erhält. Rigoletto_HP2-034
Gelungene Charakerzeichnungen sind zu beobachten gewesen zu förderst bei Therese Fauser als stimmlich und darstellerische anschmiegsame Maddalena, bei Leander de Marel als Marullo, Marcus Sandmann als Borsa, Bettina-Corthy-Hildebrandt als Giovanna und Max Lembeck in der Rolle des Grafen von Ceprano. Dass dessen Gemahlin, die Rolle der Gräfin von Ceprano, die als frühere Verführte des Herzogs nur 25 Töne zu singen hat und meist von einer Chorsängerin übernommen wird, ausgerechnet mit der 1. Sängerin des Hauses, mit Bettina Grothkopf, besetzt wurde, soll vermutlich zeigen, was man sich als kleines Theater leisten kann... Sie überzeugte mit Gestik, Haltung, Kostüm und Stimme wie eine Art Tosca, - eine Oper, die man sich durchaus mit ihr vorstellen könnte.

Unerwähnt darf keinesfalls der Chor bleiben. Unter der hervorragenden Leitung von Uwe Hanke agierte und sang ein reiner Männerchor intrigant, harmonisch, relativ präzise und voluminös. Wenn im Stakkato-Chor „Leise, stille“ die Konsonanten noch homogener erklingen würden, könnte man dann fast ein doppeltes Bravo für den Chor platzieren. Dennoch trug auch diese Leistung zum anhörbaren Gesamtwerk des Abends bei, das allerdings mit nicht all zu stürmischen Beifall, ohne laute Bravo- oder Buhrufe bedacht wurde. Wozu auch? Sind wir doch froh, dass unser kleines Theater die Verwegenheit und den Mut besitzt, eine so anspruchsvolles Werk in dieser Art zu präsentieren...

red.
Fotos: Theater Annaberg/Rückschloß BUR

Nächste Vorstellungen: 29.10./14.11./22.11.(je 19.30 Uhr)/30.11.(19 Uhr)

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