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Endlich wieder Mozart!

Eine großartige Ensembleleistung, kurzweilige Regie und mitunter zu laute Musik waren zur erfolgreichen Annaberger Premiere von „Figaros Hochzeit“ zu erleben.DIR_2112

Mozart war mit Lorenzo da Ponte (eigentlich: Emanuele Conegliano) als Librettist eine geradezu idealtypische Allianz für die Opernliteratur eingegangen. Aus dessen Feder stammen die großen späteren Würfe “Don Giovanni“ und „Cosi fan tutte“. Er war ein hochintelligenter, weltgewandter Abenteurer, und wie auch Schikaneder, der Librettist der „Zauberflöte“, mit allen Wassern des Lebens gewaschen. Genauso einen Mann braucht Mozart, der den Riecher für sensationelle soziale Stoffe mit quirligen Ideen für die Bühnenpräsenz mitbrachte. Der „Figaro“ (auf Beaumarchais: „Der tolle Tag oder die Hochzeit des Figaro“ von 1784 zurückgehend) kam also schon zwei Jahre später auf die Opernbühne.
Das war provozierendes Gegenwartstheater im Zentrum der damaligen Macht Wiens, bestimmt von persönlicher Zensur Kaiser Josef II., der mit seinen Reformen allerdings auch der Aufklärungsbewegung den Wind aus den Segeln nehmen wollte.
Nicht nur, dass im Mittelpunkt des Stücke und Mozarts Oper Dienstpersonal mit höheren moralischen Ansprüchen steht als die Elite, sondern das einfache Volk beim Grafen auch noch selbst dessen Wort einklagt, auf das Recht der ersten Nacht gefälligst zu verzichten. Doch die Katze lässt das mausen nicht...! - und alle Konflikte sind vorprogrammiert. Mozart stellte mit seiner Musik dazu eine scheinbare Leichtigkeit auf die Bretter, die die Gesellschaftskritik durch Komik, Hintersinn und großen Gefühlen zwar verdaubar und sie dadurch noch einprägsamer wirkt. Alles was an Sing-Spiel-Erfahrung in ihm war, wurde hier potenziert. Alles an Dramatik von Liebe und Eifersucht der späteren Werke an- und vorgedacht.
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Und so gelang es auch gleich bei der Premiere am 26. Januar 2014 mit der Ouvertüre Schmiss und Tempo zu platzieren. Der Erzgebirgischen Philharmonie Aue unter der Leitung von GMD Naoshi Takahashi war die Spielfreude anzuhören und es bewältigte die immanenten Genres vom preußischen Defiliermarsch bis Fandango, die zarten wie die dramatische Passagen bei den großen Arien kompetent. In der Rage des musikalischen und szenischen Gefechts allerdings war häufig die Lautstärke bei der Begleitung der Arien zu vordergründig. Mehr Feingefühl, Grazilität müsste Einzug halten, um Textfeinheiten, Verständnis der Handlungs- und Emotionslagen besser entfalten zu lassen. Was die Streicher können, sollte den Holzbläsern und dem Blech auch gelingen...
Studienleiter Fabian Enders war der exzellente Tonangeber am Cembalo unter den vielen Rezitativen, die vom Regisseur Dr. Ingolf Huhn mit blitzgescheiten Einfällen ausgerüstet, zur Spielfreude des Ensembles anregten. Das Konzept, nicht modernistisch herum zu experimentieren, sondern es in Zeit und Logik zu belassen, was die Frechheiten des Personals, die Freiheiten der Erotik, aber auch die letztliche Distanz zum gräflichen Dienstherrn beinhaltete, ging auf.DIR_2014
Graf Almaviva, Bryan Rothfuss als Gast von der Staatoperette Dresden, gab denn auch in Gestalt, Spiel und Stimme einen überzeugenden Einstand. Sein Bariton mit komfortabler Höhe und auch Kraft, wenn es unbedingt erforderlich war, entsprach der Rollengestaltung zwischen elegantem Höfling, Chef des Hauses und des Personals, eifersüchtigem Ehemann und liebestollen Galan. Das wurde elegant unterzeichnet von den schlichten Kostümen und dem Bühnenbild, das sich auf der Drehbühne schnell wandelte und in dem sich die Protagonisten bewegen konnten (Ausstattung Robert Schrag). Ein wenig abblätternde Patina und ein üppiger Rubens-Gobelin über dem Bett der Gräfin sollte wohl auch die Überlebtheit adliger Sitten symbolisieren.
Die dunkellockige Gräfin wurde von Bettina Grothkopf souverän, aber ohne jede herrschaftliche Geste mit schönem Stimmklang, sowohl kraftvoll-edel, aber auch mit wundervollen Pianos in ihrer verwundeten Liebe gestaltet, dabei ausgelassen in den Szenen mit ihrem Zimmermädchen Susanna und dem Pagen Cherubino tändelnd. Therese Fauser als überschäumender Jüngling, frech, unbelehrbar und liebestoll war zusammen mit dem Grafenpaar, wohl auch in ihren beliebten Cherubino-Arien, stimmlich am nächsten beim Mozartschen Ideal. Die stimmliche und darstellerische Entwicklung der Fauser am hiesigen Theater ist beachtenswert!
Figaro und Susanna, Jason -Nandor Tomory und Madelaine Vogt, passten sehr gut in ihrem Bewegungsdrang und der gebotenen Situationskomik zusammen. Was Tomory im ersten Akt an Rezitavibeherrschung bot, war schon der Anerkennung wert - textlich und musikalisch. Bei Madelaine Vogt gingen mitunter Inhalte durch die etwas gehetzten Tempi verloren, manch Rezitativ in seiner melodiösen Ausführung gelang dadurch nicht immer. Ihre Rolle der Susanna dürfte wohl auch eine der anspruchsvollsten für eine Opernsoubrette sein, weil gerade Spiel und Gestus der Musik so eng verwoben sind und die Ensembles Einfühlungsvermögen und Achtsamkeit erfordern. Frau Vogts Spielfreude, ihr kesser Ton jedoch sind entwaffnend. Das Duett mit der Gräfin „Wenn die sanften Abendwinde...“ und die Arie in der Verwandlung nach dem 4. Akt: „Endlich nahet sich die Stunde...“, sang Madelain Vogt sehr modulationsfähig, mit angenehmer Tongebung und überaus ausdrucksstark. Bravo!
Jason-Nandor Tomorys Figaro, jung, aktiv und geradlinig, bringt viel Sympathie über die Rampe. Seinen durchaus kräftigen, warmen Bariton hätte man sich in der Auftrittsarie „Will der Herr Graf ein Tänzchen nun wagen“ mit mehr Aggression in der Stimme gewünscht, ist es doch die eigentliche musikalische Kampfansage gegen den Absolutismus schlechthin. In manch einem Moment sollte auch ein guter Sänger-Darsteller zugunsten des Stimmklangs auf etwas Spieldynamik verzichten dürfen. In „Nun vergiss leises Flehn“ war vom richtigen Maß zwischen Bewegung und Stimme viel zu spüren, was sich im weiteren Stückverlauf befestigte.
Zwischen den Hauptfiguren intrigieren nun bei Mozart noch die verrücktesten Typen über die Bühne: zuförderst Bartolo mit László Vargas kräftigen Bass, der mit seiner Vendetta-Arie im ersten Akt ein Schlaglicht setzte und der auch noch den höchst einfach gestrickten Gärtner Antonio mit komischen Migrationsakzent gab, dazu jeweils wunderbar alberne Perücken tragend. Der Musikmeister Basilio war einmal mehr eine Schmunzelnummer des Tenors Frank Unger, der ganz uneitel auf große Gesten verzichtet und mit kleinen Hüftschwüngen, den Effekten hoher Töne und Dirigat-Choreografien amüsiert. Dazwischen wuselt Bettina Corthy-Hildebrandt als liebestolle und stimmfrohe Alte (leider ohne die „Ziegenbock-Arie“) auf Figaro zu, die sich dann als seine Mutter heraus stellt. Und nochmal Frank Unger als Richter Don Curzio in komischen Verrenkungen. Am Ende wird Cherubino schließlich noch mit der Gärtnerstochter Barbarina (Gloria Ebert) entschärft, die ihr Lied von der verlorenen Nadel ganz hübsch sang.DIR_2131
Der Chor (Uwe Hanke) hatte kleine Aufgaben, agierte aber in diversen Gratulationsständchen und Rosenhymnen sehr harmonisch. Ebenso organisch eingebaut in die Handlung ein Volks-Fandango, zu dem auch noch zwischen Susanna und Figaro, Marcellina und Bartolo kommuniziert werden musste. Alles sehr ansprechend choreografiert von Susi Schönfeld.
Das Finale ist bei Mozart immer der musikalische und moralische Höhepunkt. Das Ensemble tritt vor den Vorhang und damit aus sich heraus. Abgehoben von den Handlungsläufen vereint sich ungleiches Volk zu hoffnungsfreudigem Menschsein. Das hier zur Oper gesteigerte Singspiel ist in der Annaberger Inszenierung seiner Ursprünge nicht entkleidet, um so kurzweiliger war der Premierenabend. Ein animierend gestaltetes Plakat lockt hoffentlich viele Zuschauer zu dieser großartigen Ensembleleistung.

Eveline Figura

Fotos: Theater Annaberg

Nächste Vorstellungen:
29.1., 14./22.2.,1.3.,10./19.4.,11.5. 2014, 19.30 Uhr