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THEATER ABC

 

 


 

 
Umjubelte Butterfly-Premiere

Das Annaberger Theater hat die Puccini-Oper “Madame Butterfly” im Laufe seiner fast 125-jährigen Geschichte schon etliche Male erlebt. Die neueste Inszenierung mit Bettina Grothkopf in der Titelrolle sowie einem großartigen Ensemble auf der Bühne und in der Orchesterwanne dürfte aber möglicherweise zu der nachhaltigsten zählen.

Butterfly 1 (Andere)


Als sich der schwere Vorhang am Ende dieser japanischen Tragödie - über die Befreiung einer Frau von Willkür und Unterdrückung, versehen mit hinreißender Musik - wieder öffnete, stand sie strahlend allein im weiten Bühnenrund. Madame_Butterfly_HP2-0900 (Andere)
Und die zahlreichen Bravos mit viel Applaus brausten ihr dankend entgegen.
Bettina Grothkopf hat am Sonntag zur Premiere als Cio-Cio-San, genannt Butterfly, eine künstlerische Meisterleistung absolviert. Dass diese Einschätzung nicht nur aus Parkett und Rang lautstark und teilweise stehend bestätigt wurde, sondern auch vom Ensemble des Abends, konnte am herzlichen Applaus gemessen werden, der der Primadonna unseres Hauses entgegen schlug, als sie später das Theater-Restaurant betrat.
Unter der Regie des überaus erfahrenen Rainer Wenke (u. a. „Madame Pompatour“) konnte sich die Grothkopf in einem ästhetisch sehr ansprechendem transparenten Bühnenbild und in stilgerechten, farbenfreudigen Kostümen (Ausstattung: Robert Schrag) stimmlich und darstellerisch entfalten. Durch eine edle Stimmkultur und differenzierter Gesangstechnik vermochte sie es, der Titelfigur die notwendig Leidenschaft zu verleihen, ohne dabei in die mitunter bei diesem Werk anzutreffende Gefühligkeit abzugleiten, die in der Musik durchaus auch angelegt ist. Ihr hochdramatischer Sopran entsprach dem dramatischen Geschehen der Handlung in kongenialer Weise.
Ist es doch die Musik bei Puccini, die dem Bühnengeschehen erst die erschütternde Tiefe verleiht. Madame_Butterfly_HP2-1333 (Andere)
Welch glücklicher Umstand, dass die Erzgebirgische Philharmonie Aue einen leibhaftigen japanischen Dirigent zur Verfügung hat. GMD Naoshi Takahashi konnte die eingewebten Originalmelodien und spezifischen japanischen Klangmuster und Rhythmen authentisch interpretieren.
So hörte man ein anrührendes japanisches Wiegenlied oder die Nippon-Hymne beim Auftritt des Kaiserlichen Kommissars (Max Lembeck). Aber auch die amerikanische Hymne, die den Konsul der USA in Nagasaki fast leitmotivisch begleitet. Er wurde mit warmen Bariton und überzeugender Darstellung von Jason-Nandor Tomory gegeben, dem die Partie sichtlich und hörbar Freude bereitete.
Sehr verständlich in der Artikulation – was man nicht allen Darstellerinnen und Darstellern bescheinigen kann – und mit gut sitzendem, leicht nasalem, buffoneskem Stimmmaterial sowie dabei auch noch sehr beweglich, war Marcus Sandmann als Heiratsvermittler Goro zu erleben. Leander de Marel strahlte in einem prunkvollem Kostüm, aber einer nur kleinen Rolle als Fürst Yamadori über die Bühne. Und die große Stimme von László Varga musste sich diesmal auch nur mit dem „Wurzen“ des Priesters begnügen, den er aber stimmlich und darstellerisch würdevoll präsentierte.
Schade auch, dass Puccini für Kate, die Gattin des Linkerton, nur einen kurzen, aber wirkungsvollen Auftritt mit wenigen Tönen vorgesehen hat. Madelaine Vogt absolvierte diese Schlüsselrolle stimmlich und figürlich souverän. Madame_Butterfly_HP2-0994 (Andere)
Der Chor (Leitung Uwe Hanke) brachte nicht nur wunderbare japanische Farbspiele per Kostüme auf die Bühne, sondern war auch stimmlich auf und hinter der Bühne mehr als nur Illustration.

Zahlreiche japanische Tonfolgen werden von Puccini angewendet, um im musikalischen Bereich die Gegensätzlichkeit bei der Begegnung von östlicher und westlicher Kultur zu illustrieren. Dabei steht das Blüten-Duett der Butterfly mit ihrer Dienerin Suzuki (Therese Fauser) sowie das Intermezzo zum dritten Akt besonders exemplarisch für das asiatisch-exotische Kolorit. Großartig gesungen von Therese Fauser mit sehr angenehmen Legato-Bögen und überraschender Stimmkraft sowie angenehm abgedunkelter Höhenlage. Die filigrane junge Frau überzeugte nicht nur stimmlich markant, sondern auch darstellerisch mit einer großen Gefühlspalette.
Ohne einen gestandenen Tenor, der die strahlend hohen Töne des Verführers Benjamin Franklin Linkerton, jene enttäuschende Liebe der Butterfly, singend gestalten kann, sollte man die Oper nicht zur Aufführung bringen.
Mit Frank Unger besitzt das Annaberger Theater aber einen Tenor, der diese anspruchsvolle Partie relativ mühelos bewältigt und bei dem man sicher sein kann, dass die hohen Töne leidenschaftlich strahlend über die Rampe kommen. Wenn man ihm vielleicht eine etwas schmuckere Uniform verpasst hätte, die einem Leutnant der US-Marine gerechter wird und nicht an einen Schaffner von der Fichtelberg-Bahn erinnert, dann wäre seine Ausstrahlung möglicherweise noch vollkommener gewesen... Sein Duett mit Bettina Grothkopf am Ende des ersten Aktes und ihre große Arie sowie die drei verzweifelten Butterfly-Rufe am Ende der Oper, werden in diesem Hause lange nachhallen...
Madame_Butterfly_HP2-1049 (Andere)


Nein, es war kein Kitsch, als das Kind – am Annaberger Theater ein kleines Mädchen (Josephin Diedrich alternierend mit Rosa Charléne Tittmann) - zur Mutter rannte und Cio-Cio-San es zärtlich, wohllautend und mit menschlicher Wärme umsang. Puccini kann sich mit seiner Musik derartige Gefühle leisten, es wird von ihm erwartet. Und so endet dann auch der Abschied der Butterfly von ihrem Kinde und ihr verdeckt dargestellter Selbstmord zwar tragisch, aber nur ganz gering sentimental. Musikalisch lotet der Komponist dabei die emotionalen Grenzen des Erträglichen aus, was sich auch im Orchester widerspiegelte.
Insgesamt kann der musikalischen Bewältigung durch unseren hervorragend studierten Klangkörper ein großes Lob gezollt werden, indem er– auch Dank unseres japanischen Meaestros – die asiatischen und die europäisch-amerikanischen Farben der Partitur mit großer Wahrhaftigkeit vermitteln konnte. Und dennoch hätte man sich auch an diesem Premierenabend an verschieden Stellen der Inszenierung eine dynamisch begleitendere Funktion seitens des Orchesters gegenüber dem Bühnengeschehen gewünscht. Oder wie zahlreiche Besucher nach der Premiere bemerkten: Es war an etlichen Stellen wieder zu laut!
Alles in allem konnte man aber einen großen, nachhaltigen Opernabend über diese japanische Emanzipation-Tragödie erleben, der in die Geschichte unseres fast 125-jährigen Musentempels eingehen dürfte.

 

red.

Fotos: Dirk Rückschloss/BUR

Nächste Vorstellungen:

15./19.3. und 1./17./29.4.2017

Karten: Tel. 03733 1407-131