LESERPOST
ÜBER UNS
IMPRESSUM
WERBEN

Gegründet 1807

www.annaberger.info

Wiedergegründet 2011

    POLITIK   WIRTSCHAFT   KULTUR   LOKALES   HISTORISCHES   STADTFÜHRER    WEIHNACHTEN im Erzgebirge

 

 

Vergessener Romantiker

Zum 150. Geburtstag des Annaberger Malers und Grafikers Rudolf Köselitz

Den älteren Bruder des Annaberger Malers kennt man als Peter Gast (Heinrich Köselitz) und als Freund und Mitarbeiter des Philosophen Friedrich Nietzsche. Beide Söhne des einstmaligen Vizebürgermeisters der Stadt Annaberg, Hermann Köselitz, haben frühzeitig häusliche Unterweisungen in den Schönen Künsten erhalten...

Solcherart klimatische Voraussetzungen führten schließlich dazu, dass sich der eine dem Musikstudium widmete und eine Vielzahl leider immer noch relativ unbeachteter Kompositionen hinterließ, während sich Rudolf zur Malerei hingezogen fühlte und auf diesem Gebiet Bemerkenswertes schuf.

Im ehemaligen schönen Bürgerhaus am heutigen Köselitz Platz, außerhalb der Annaberger Stadtmauer und in der Nähe der Katholischen Kirche, ist Rudolf Köselitz am 23.10.1861 geboren worden. Zeit seines Lebens ist er mit seinem herausragenden zeichnerischen Talent dem Erzgebirge, seiner Elternstadt und den hier lebenden Menschen treu geblieben.

Rudolf Köselitz 1889, "Gratuliere", Aquarell, 49x38 cm, aus der Sammlung des Prinzen
Johann Georg von Sachsen, danach Auktionshaus Zeller Bode

In vielen seiner Werke ist es ihm trefflich gelungen, die Erzgebirgswelt sowie typische Charakterzüge ihrer Bewohner mit den Mittel der Bildenden Kunst wirklichkeitsnah wiederzugeben. Dabei war es ihm wichtig, sich einer Bild-Sprache zu bedienen, die von vielen verstanden wird, ohne Kompromisse hinsichtlich der künstlerischen Meisterschaft eingehen zu müssen. Von sogenannten „Kunstkennern“ wurde Rudolph Köselitz nicht zuletzt auch wegen dieser Volksnähe eine gewisse Naivität in seiner künstlerischen Ausdrucksweise nachgesagt.

Vielmehr ist aber nachweisbar, dass er besonders in seinem illustrativen Werk die Mentalität des Erzgebirgers in verblüffend einfacher, erfrischend heiterer und immer transparenter Weise wiederzugeben verstand. Wer sich daraufhin einmal z.B. seine "Erzgebirgischen Weihnachtsstimmungsbilder", die Ausschmückungen des Heiligabendliedes der Amalie von Elterlein oder die Illustrationen zu den Büchern der Heimatschriftstellerin Anna Wechsler, die in den 20er Jahren im Annaberger Pöhlberg-Verlag erschienen sind, näher betrachtet, wird oftmals eine überraschende Nähe zu Wilhelm Busch, bzw. auch zu Ludwig Adrian Richter aus Meißen entdecken können.

Wie man auch immer zur literarischen Qualität der Pöhlberg-Bücher ansonsten stehen mag, durch die beigefügten Illustrationen von Köselitz ist der künstlerische Gesamtwert der jeweiligen Erzählung oder des ganzen Buches oftmals wesentlich erhöht worden. Insofern bewahrheitet sich durchaus jene Aussage in einer Rezension zu Anna Wechslers Buch „Blumen am Pölberghang: „...die strichsicheren Zeichnungen des Kunstmalers Rudolf Köselitz, München, einem Buchillustrator von erlesenem Ruf, der als Sohn des Erzgebirges in wahrer und tiefer Heimatliebe am Werke gewesen ist, machen das Buch zu einem eigenen Genuß."

Rudolfs überdurchschnittliches Talent ist von seinem Zeichenlehrer auf der Annaberger Realschule entdeckt worden. Er war es auch, der seine Beziehungen zur Leipziger Kunstakademie herstellte und Vater Köselitz den Vorschlag unterbreitete, den erst Fünfzehnjährigen dort studieren zu lassen. Wesentlich für seine weitere künstlerische Entwicklung werden seine Studien an der Akademie in München gewesen sein, die er ab 1881 dort fortsetzte. Seine erste Studienreise führte ihn mit dieser Akademie noch im gleichen Jahr in das Mekka der europäischen Künste - nach Venedig.

An jenem geschichtsträchtigen Ort sog er besonders die Kunst der italienischen Renaissance in sich ein, führte Gespräche in Ateliers italienischer und niederländischer Maler, genoss das Leben in bescheidenen Zügen und traf hier auch mit seinem Bruder Heinrich zusammen, der sich gerade als Peter Gast zu seiner Oper "Der Löwe von Venedig" musikalische Inspirationen in der Lagunenstadt holte. Doch den Erzgebirger übermannte das Heimweh. Wenn es schon nicht seine geliebte Heimatstadt Annaberg sein durfte, wo er all seine Eindrücke verarbeiten konnte, so sollte es doch wenigstens in deren Nähe sein. Und so lebte er bis 1900 im kunstsinnigen Dresden.

Rudolf Köselitz, um 1925, Der trunkene Amor, zuletzt verkauft durch Hampel Fine Art

Unter der sachkundigen künstlerischen Begleitung seiner Lehrer und Freunde Seitz, Piloty, Strähuber und dem ungarischen Maler Benczur entstand ein umfangreiches Werk an Porträts, Aquarellen, Grafiken und Illustrationen. Darunter u.a. die 250 Zeichnungen zu H. Schaumbergers „Oberfränkische Dorfnovellen“ die jene zwei Urlaubssommer widerspiegeln, die er in Oberfranken verbracht hatte. Hier, wie auch in den „Bergheimer Musikantengeschichten“, geht das Werk über das nur Illustrative hinaus und gewinnt volkskundliche und damit spezifische kulturhistorische Bedeutung.

Im Jahre 1901 veröffentlicht dann auch der renommierte Kunstverlag Zweißler in Wolfenbüttel 20 Lichtdruck-Reproduktionen nach Gemälden und Aquarellen von Rudolf Köselitz. Seine starken inneren Beziehungen zu seiner Heimat werden wohl am deutlichsten in einem seiner Meisterwerke, dem Ölbild von 1898 „Altes Hammerwerk im Erzgebirge“. Hier entdecken wir den anderen Köselitz, den stillen, beschaulichen, den vielleicht „romantischen Impressionisten“, der nunmehr mit seinen Porträt- und Landschaftsbildern wieder anknüpft an die frühen Dresdener Jahre.

Großartige Werke entstehen in der kommenden Zeit in seiner Wahlheimat  Altfreimann bei München, wo er ab 1910 sein Atelier aufschlägt. In diese Schaffensperiode fallen allerdings auch einige Genrebilder idyllischen Inhaltes, die z.T. als Auftragswerke den damaligen Zeitgeschmack widerspiegeln. Zu seinen Hauptwerken, die von Kunstgeschichtlern zu den letzten Ausläufern der Münchner Romantik gerechnet werden, gehören u.a. „Najadentanz“, „Liebesahnen“, „Badende Kinder“, „Sommer“, „Die Spröde“ und der „Hexentanz“. Aber auch seine Aquarelle wie „Kornernte“, „Dorfparzen“ oder „Schachspieler“ haben in zahlreichen Ausstellungen große Beachtung gefunden. Immer wieder kommen darunter Werke vor, die unmittelbar die innere Verbindung zur Gebirgsheimat und besonders zu seinem Annaberg und dessen nähere Umgebung zum Ausdruck bringen: „Pferdegöpel der Fundgrube Krönung“, „Die alte Silberwäsche zu Annaberg“, „Herrenmühle bei Frohnau“ oder das großartige stimmungsvolle Pastell vom „Frohnauer Hammer“.

Im Jahre 1901 hingen Gemälde von Rudolf Köselitz in der Berliner Nationalgalerie unmittelbar neben dem berühmten "Eisenwalzwerk" von Adolf Menzel. Die Kunstkritik setzte damals das Werk beider Künstler inhaltlich und handwerklich in eine gleichrangige anerkennende Beziehung. Das Verdienst des Malers Rudolf Köselitz ist mindestens ein Zweifaches: Zum einen war er mit daran beteiligt, der Aquarell-Technik in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen; jener komplizierten Malweise, die hohe künstlerische und maltechnische Meisterschaft erfordert, da eine nachträgliche Korrektur der verschiedenen Farb-Ton-Werte der Wasserfarben kaum noch möglich ist. Und zum anderen besitzen die Werke von Rudolf Köselitz nicht nur für die heranwachsende Generation einen beachtlichen ästhetischen Gebrauchswert. Gleichwohl sind seine Bilder dafür geeignet, eine noch innigere Identifikation mit unserer erzgebirgischen Heimat herzustellen, die in seiner Kunst so meisterlich reflektiert wird.

Seine Werke sind heute hauptsächlich im deutschsprachigen Raum weit verstreut in Galerien, Museen und im Privatbesitz. Aber auch das Annaberger Erzgebirgsmuseum sowie der Frohnauer Hammer sind im Besitz von Köselitz-Werken. In einer Ausstellung anlässlich des 150. Geburtstages von Rudolf Köselitz soll im kommenden Jahr im Friedrichsaal des „Erzhammer“ auf das nahezu vergessene Werk dieses Annaberger Künstlers aufmerksam gemacht werden. Vorab findet aber am 10. März 2012 um 19 Uhr im Erzhammer eine literarisch-musikalische Veranstaltung zu den beiden Köselitz-Brüdern statt, auf der erstmals -wahrscheinlich sogar erstmals in Deutschland - nach über 100 Jahren Lieder von Heinrich Köselitz (Peter Gast) erklingen werden.

Gotthard B. Schicker

 

 

 

THEATER ABC