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Der Rummel hat begonnen
 

Zwei Wochen nach Pfingsten wird in Annaberg-Buchholz seit 492 Jahren eine Art Volksfest begangen, das überregionale Bekanntheit erlangt hat. Von seinem katholischen Ursprung als Fest der Heiligen Dreieinigkeit (DreianigKAT) hat es aber nur noch die letzte Silbe in Mundart übrig behalten – KÄT.
Ein paar Bemerkungen zur Geschichte dieses einst typischen Festes, das auch in diesem Jahr wieder zu einem beliebigen Rummel mutiert ist, wie er überall in Europa besucht werden kann...

(03.06.2012) Dem bigotten Stadtgründer Herzog Georg dem Bärtigen, einem überaus konservativen  Landesherren und Lutherfeind, ist es zu verdanken, dass sich dieses Katharinenfest, wie die einen sagen (Abkürzung: KAT, oder DreifaltigKAT, bzw. aus dem Wort Gaudium-Gahd-Kät abgeleitet) hier behaupten konnte. Er sorgte sich persönlich intensiv um die Entwicklung seiner „Liebesten“, wie er Annaberg im Reigen der anderen Bergstädte nannte. Die auf seine Initiative hin am 21. September 1496 als die „Neue Stadt am Schreckenberg”, das spätere Annaberg, gegründet wurde – mit Kloster, gewaltiger spätgotischer Kirche voller Reliquien, einem mit heiliger Erde aus Rom bestreuten Gottesacker und all den Schätzen unter der Erde, die der Bärtige Georg in den Prunk Dresdens und in den Wohlstand seiner Bergstädte und damit auch in seinen eigenen fließen ließ.

Mit der Weihe des Annaberger Gottesackers mit römischer Erde erhielt die Stadt einen zusätzlichen günstigen Image-Status. Schließlich konnte damit eine Wallfahrt nach Annaberg begründet werden, die zahlreiches Volk – im doppelten Sinne – hier her pilgern ließ. Dafür erhielten die reuigen Sünder  einen vollkommenen Ablass auf alle Missetaten die sie begangen hatten und noch begehen wollten. Eine Einnahmequelle, die ein paar Jahre später nur noch von Johannes Tetzel durch mehrfachen Besuch in Annabergs Mauern pervertiert wurde.
 

Prozession und Hochamt unter Teilnahme zahlreichen Volkes

Am 25. August 1517 erhielten die sächsischen Gesandten für das Versprechen, jährlich ein Almosen für das Marienhospital in Rom zu spenden, die notwendige heilige Erde von dort. Zwei Tage später wurde dieser Akt durch eine päpstliche Übertragungsurkunde besiegelt. Somit wurden römische Privilegien mit der heiligen Erde auf den Annaberger Friedhof auch auf das hiesige Hospital und sein Umfeld übertragen. Nikolaus von Hermersdorf war es, der Urkunde und Erde nach Annaberg brachte. Das gab genug Anlass, daraus eine katholische Zeremonie, ein Freudenfest zu veranstalten:
So wurde am 12. Dezember 1517 die nunmehr empfangene päpstliche Gnade durch den zuständigen Bischof von Meißen, Johann VI. von Schleinitz per Approbation anerkannt. Doch durch den plötzlichen Tod des Bischofs am 4. April 1518 verzögerte sich die Weihe des Annaberger Gottesackers um etliche Monate. Nachdem dessen Nachfolger, Johann der VII., sein Amt angetreten hatte, veranstaltete man am 27. Oktober 1519 im Beisein des Herzogs und des Bischofs eine große Weihefeier. Einen Tag später wurde in feierlicher Prozession und unter „Teilnahme zahlreichen Volks“, die geweihte römische Erde von der St. Annenkirche zum Friedhof überführt. Die sächsischen Gesandten am päpstlichen Hof, Carl von Miltitz und Nicolaus von Hermersdorf schritten mit der päpstliche Gnadenbulle und einem Reliquenschrein der Prozession voran. Mit viel Weihrauch, Weihwasser, Gebeten, Gesängen und dem Segen des Bischofs wurde der profane Friedhof nun als heiliges Feld der Dreifaltigkeit geweiht. Im Anschluss las der Hauslehrer des Landesherrn, Dr. Paul Schüller, das päpstliche Dokument dem versammelten Volk vor. Den Abschluss dieses Trinitatisfestes bildete ein Hochamt  in der St. Annenkirche.

Von nun an gab es jeweils zum Trinitatisfest, jenem katholischen Fest von der heiligen Dreifaltigeit (Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist), eine Wallfahrt nach Annaberg. Dabei wurde an der heute fast total verfallen Trinitatiskirche ein Hochamt gefeiert, das mit der Vergebung der Sünden durch Ablassgewährung verbunden war. Im Umfeld dieser Wallfahrten entwickelte sich der so genannte Dreieinigkeitsmarkt, eine Markt, der in erster Linie für die Verpflegung und die Unterhaltung der Wallfahrer gedacht war. Im Laufe der Jahre potenzierten sich sowohl der Verpflegungs- als auch der Unterhaltungsanteil. Insbesondere die Gaudi, das Gaudium nahm rasant zu. Von daher gibt es unter Historikern auch die Auffassung, dass durch die mundartliche Verkürzung und Umformung aus dem „Gaudium“ die „Gahd“ und daraus wiederum die „Kät“ entstanden sein könnte. Andere wiederum präferieren die Herkunft von der Patronin der Bergleute, der Hl. Katharina (Katharinenberg im Buchenholze, ehemals für Buchholz). Wahrscheinlicher ist aber dann doch die Herkunft des Wortes KÄT aus dem Dialektgebrauch des Wortes “Dreiähnigkätsmarkt” oder „Dreiähnigkätsfast“. Durch die bekannte Maulfaulheit der Erzgebirger, wurde der lange Begriff im Laufe der Jahrhunderte zunächst auf „Dreiähnigkät“ und schließlich nur noch auf dessen letzte Silbe „KÄT“ reduziert.

Kirmes mit Fasslkuchen

Nachdem 17. April 1539 Georg der Bärtige in Dresden starb, wurde am 4. Mai 1539 die Reformation auch für Annaberg verordnet (in Buchholz bereits 1524). Damit wandelte sich nun die katholische Wallfahrt in eine evangelische Totengedächtnisfeier und wurde so zum Kirchweihfest (Kirmes) der Trinitatiskirche. Von 1539 bis 1684 wurden dazu regelmäßige Gottesdienste im Freien unter dem seit ein paar Jahren auch nicht mehr vorhandenem Friedhofskreuz abgehalten. Ab 1685 predigte der Pfarrer von der Außen-Kanzel, die auch nach dem Brand von 1829 an die  neuerbaute Kirche als eine Seltenheit in Sachsen und darüber hinaus wieder angebracht wurde. Heute verfällt auch diese gemeinsam mit der Kirche auf dem wüsten (un)heiligen Feld neben der morschen Friedhofslinde.
Von nun an fand jeweils zur Kirmes auch ein Trinitatismarkt außerhalb des Friedhofes statt, der immer mehr zu einem Jahrmarkt, zu einem Rummel mutierte: Eine Menagerie mit Elefanten, Tigern, Löwen und weiteren exotischen Tieren gab es dabei ebenso wie ein Wachsfigurenkabinett, wo historische Persönlichkeiten vorgestellt wurden. Außerdem versuchte man mit einem Naturalienkabinett, zwei “Carousells” und zwei “Polzenschießanlagen” die Gunst des Publikums zu erwerben. Daneben gab es manches für Leib und Magen – zum Beispiel auch den heute vergessenen „Fasslkuchen“, einem typischen KÄT-Lebkuchen, dessen Rezeptur erst vor paar Jahren wieder entdeckt wurde. Aufgrund dessen, dass sich das Fest ständig erweiterte und von Jahr zu Jahr größer wurde, beschloss der Annaberger Stadtrat im Jahr 1863, die „KÄT” auf eine Dauer von acht Tagen auszudehnen.
Noch mehr Menschen kamen dann zu diesem nun auch schon überregional bekannten Fest, als die  Eisenbahnlinie Annaberg-Chemnitz am 1. Februar 1866 eröffnet wurde. Im Zuge dessen kam es 1869 zur nochmaligen Verlegung der “KÄT” vom Exerzierplatz in Geyersdorf, wo sie seit 1861 kampierte, auf den Schießhausplatz am geschichtsträchtigen Schützenhaus (abgerissen), dem heutigen Kätplatz. Es sollen damals am Eröffnungstag mehr als 30.000 Besucher gezählt worden sein.

Erst ab 1923 gab es parallel zur “KÄT” verschiedene Sonderveranstaltungen. Auch ein  Feuerwerke konnte von da an fast jedes Jahr am letzten Kät-Tag bewundert werden. Im Jahr 1936 wurde der Kätbeginn um eine Woche auf den jetzt schon traditionellen Termin vierzehn Tage nach Pfingsten verschoben. Der Zustrom von Gästen, Schaustellern und Händlern nahm ständig zu, so dass man im Jahr 1938 über 150 verschiedene Unternehmen zählte.
Auch zu DDR-Zeiten verlor die “KÄT” nichts an Popularität. Aufgrund der Warenknappheit musst viel improvisiert werden. Aber dennoch war die Kät-Versorgung immer gesichert. Viele erinnern sich noch gern an die guten Fischsemmeln von Buschmann, das Welscheis, das Kasperletheater - kurz, an die einfacheren, etwas leiseren, vielleicht auch ärmlicheren oder besser bescheideneren Vorwende-Freuden...

Nach 1989 gab es einen Attraktivitäts-Boom für das Volksfest durch zahlreiche teilweise überdimensionierte High-Tech-Fahrgeschäfte aus westlichen Gefilden. Der Rummel wurde lauter, schriller und bunter, das Angebot vielfältiger und die Preise der Fahrgeschäfte für manchen Kät-Besucher unerschwinglich, obwohl im Kätzeitraum derzeit etwa 500.000 Besucher über den Kätplatz schlendern und die KÄT damit zu einem der größten Volksfeste in der Bundesrepublik zählt. Manch einer von den Besuchern meint allerdings auch: „Das ist nicht mehr die Annaberger Kät, das ist nur noch ein lauter, geldgieriger Rummel, wie er heutzutage überall in Europa besucht werden kann, austauschbar, untypisch...!“
Soll sich doch jeder selbst sein Bild davon machen:
In diesem Jahr wieder 14 Tage nach Pfingsten.

Und wie es einst auf der KÄT zuging, war 1934 im “Illustrierten Erzgebirgischen Sonntagsblatt” zu lesen:
 

Die "Kät" zu Großvaters Zeiten
Aus den Erinnerungen eines alten Mannes.

Während es in Annaberg am Pfingsttage des Jahres 1861 - es war der 19. Mai - geregnet und geschneit und der ehrsame Bürger unter schützendem Dache in warmer Stube die Ankunft des Frühlings durch die angelaufenen Fensterscheiben entgegengesehen hatte, zogen sich im Laufe der Woche die schwarzen Wolken allmählich auseinander und das Wetter klärte auf. Post nubila Phoebus - in reinstem Azurblau strahlte am Trinitatissonntage der unbewölkte Himmel und von nah und fern zogen vom frühen Morgen an zu allen Toren Annabergs die Wallfahrer des Trinitatisfestes herein.

Wie bescheiden und anspruchslos war nach einer brieflichen Beschreibung dieses Fest fünf Jahrzehnte früher (1808) gewesen! Damals sah man nur einige Buden mit "Fesselkuchen" in der Allee vor dem Eingange zum Gottesacker, daneben die unausbleiblichen Pöklingsmänner mit ihrer weithin duftenden Ware und vor dem Wolkensteiner Tore eine lange Reihe von Blinden, Lahmen, Tauben und Krüppeln. Wie ganz anders sah es 1861 aus!

Man hat früher in Annaberg oft Klage geführt, daß es hier gar kein rechtes Volksfest gäbe. Die Schützenfeste und Schulfeste blieben immer nur auf die Einwohnerschaft Annabergs beschränkt und behielten deshalb nur einen spezifisch lokalen Charakter: vielleicht wäre das Trinitatisfest mit seinen uralten Erinnerungen geeignet, ein solches Volksfest für Annaberg und Umgebung zu werden. Das Trinitatisfest 1861 erinnerte recht lebhaft daran. -

Wie wogte da allenthalben in buntem Gewühle die unzählbare Volksmasse durcheinander! Wir sahen sie in schlichtem, einfachem Gewande, mit unkostbarem Schuhwerk bekleidet, in der vor den Toren noch hergestellten Toilette, mit weiten steifen Krinolinen, mit einem Fracke und stutzenhaftem Nasenklemmer, mit hohen Karossen - wir sahen sie stillvergnügt und laut lärmend, gemütlich zehrend, freundlich scherzend, zechend, tanzend, beschauend. Und was gab es hier nicht alles zu sehen! Viele der aus weiter Ferne schon am Abend vorher hier Eingetroffenen bestiegen am frühen Morgen den Pöhlberg, um ein Bild der ganzen Umgegend mit sich fortzunehmen; andere, denen der Weg da hinauf zu beschwerlich war, wollten wenigstens Annaberg einmal aus der Vogelschau sehen und wählten sich die Aussicht darauf von dem in die weite Ferne hinausstrahlenden Kirchturm. Da ist ferner die schöne Hauptkirche mit ihren fünf kostbaren Altären, mit dem Gemälde von dem jüngeren Cranach (Ehebrecherin), mit ihrem kühnen gotischen Bogenschlag zu besehen; auch die neue katholische Kirche (seit 1844), der breite, regelmäßige Marktplatz mit dem Springbrunnen, die um die Stadt führenden schönen Promenaden, die nobel herausgeputzten Kaufläden, die sonstigen öffentlichen und privaten Gebäude wurden in Augenschein genommen, ehe das Fest noch seinen eigentlichen Anfang nahm.

Da endlich ruft die Hospitalglocke am Mittag zum Gottesdienst. Alles strömt dem weithin bekannten Gottesacker zu, die Kirche würde die Menge der Zuhörer nicht fassen. Es ist ein herrlicher Frühlingstag. Von der zu diesem Zwecke an der Hospitalkirche auswendig nach dem Friedhof zu angebrachten Kanzel spricht der Prediger herab zu der auf den Gräbern und unter dem Schatten der berühmten Linde still zuhörenden Menschenmenge. Alles lauscht den Worten des beredten Sprechers. Ueber den Gräbern lieber Heimgegangener spricht er beim Anblick der aus dem Winterschlafe wiedererwachenden Natur von der stillen Hoffnung, von der untrüglichen Verheißung, daß auch unser sterblicher Leib auferstehen, wieder erwachen werde zu einem schöneren, ewigen Dasein. Aufmerksam hört die zahlreich versammelte Menge den überzeugenden, tröstenden Worten des geliebten Sprechers zu, und wenn dann unter der tönenden Begleitung der Instrumentalmusik aus vielen tausend Stimmen der Gesang der Menge erschallt, wenn so manche Träne schmerzlicher Erinnerung geweint wird, o, wer fühlt sich da nicht emporgetragen zu himmlischer Andacht?

Und welches Wogen und seltsames Menschengedränge beginnt nun erst auf und vor dem Gottesacker? Die Gräber und Schwibbögen sind schönstens geschmückt und viele geschmackvolle Denkmäler und sinni9ge Sprüche nahmen die Aufmerksamkeit des Wanderers aus der Ferne in Anspruch. Gewiß, keiner geht an dem Denkmal unserer Klöppelmutter Barbara Uttmann ungerührt vorüber!

Und welches Getümmel, welch' reges Treiben zeigt sich nun außerhalb des Gottesackers? Die Stadt hat in diesem Jahre die Buden der Verkäufer von dem seitherigen Platze oberhalb des Gottesackers hinweg weiter zurück auf den großen und zu diesem Zwecke ganz passenden Exerzierplatz verwiesen. Hier drängt sich nun alles zusammen. Hier gibt's zu sehen, zu kaufen, zu genießen. Es waren diesmal vorhanden drei große Karussells, mehrere Bolzenschießstände, viele Trinkbuden und Stände, die bekannten Fesselkuchen- und Bäckerbuden, Schuhmacher, Mützenmacher und Spielwarenhändler. Auch Schaubuden gab es mehr als sonst. Ein Wachsfigurenkabinett zeigte einige recht hübsche biblische und historische Stücke, daneben sahen wir Experimente aus der natürlichen Magie und weiter oben zeigte man ausgestopfte Vögel und schöne, seltene Käfer. Am meisten nahm jedoch die große, oberhalb der Gottesackermauer aufgestellte Tierbude des Herrn K. Renz die Aufmerksamkeit des Publikums in Anspruch. Wer sie gesehen hat, alle diese Bewohner der glühendheißen Tropen und der kalten Pole - den gelehrigen Elefanten, die Löwen, Tiger, Pumas, Leoparden, die Pantherkatze, den Jaguar, die Hyänen, Bären, Wölfe, den Eskimohund, das Lama, das gehörnte Nilphau, die Zibethkatze, die Antilope, die zahlreiche Familie der nimmer ruhenden Affen und die Vögel und Schlangen alle, welche hier zum großen Teil merkwürdig gezähmt und dem menschlichen Willen untertänig gemacht sind, er wird es nicht bereuen.

So ist der Tag unter Schwerzen und Genießen, unter Schauen und Bewundern für die Meisten vergangen und mit fröhlichem Herzen, leerer gewordenem Geldbeutel und müden Füßen tritt die zahlreiche Menschenmenge allmählich den Heimweg wieder an, bis es endlich still wird in den Straßen Annabergs.

In dieser Gestalt steht die "Kät", die übrigens im Jahre 1869 (vor 65 Jahren!) von dem unzulänglich gewordenen Exerzierplatz nach dem Schützenplatze verlegt wurde, noch vor dem geistigen Auge jedes alten Annabergers als ein treues Bild der "guten alten Zeit".

-cj-

Aus: Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt, Nr. 22 v. 27. Mai 1934

 

red.

 

 

 

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