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De „Nackschn Gunfern“ (Nackte Jungfern)
Vom Pfarrer Rebentrost, seinen Krokussen und erzgebirgischen Mondguckern
Wer kennt ihn nicht, den Crocus vernus Wulf. forma Drebachiensis bzw. Crocus albiflorus var. neapolitanus forma Drebachiensis? Es ist der gemeine Gartenkrokus in seiner Drebacher Variante (aus dem man übrigens keinen Safran gewinnen kann!). Jenes langgezogene Erzgebirgsdorf (typisches Waldhufendorf) zwischen Marienberg und Thum, nur 14 km von Annaberg entfernt gelegen, hat nämlich alljährlich zur Frühlingszeit eine einmalige touristische Besonderheit aufzuweisen: Die „Nackschn Gunfern“.
So nennen die Einheimischen ihre blauen, violetten und weißen Krokusse, die meist ab Mitte März (eher April) tausendfach die Dorfwiesen bevölkern und ganze Busladungen von Frühlingssüchtigen an ihren Rändern begrüßen (betreten streng verboten!). Die kleinen Krokusse tragen diesen liebevollen Namen, weil Sie als eine der ersten Pflanzen nach dem Winter, manchmal sogar wieder vom Schnee bedeckt, jungfräulich zart und unberührt aus dem noch kahlen Boden sprießen. Der Drebacher Krokus ist eine herausgebildete Lokalform, der im Gegensatz zu den üblichen Exemplaren seiner Art folgende besondere Merkmale aufweist: kleine Blüte, schmalere Kronenblätter, nur 3 Laubblätter, kahle Staubblätter, Farbe fast nur violett (aber auch von fast weiß bis dunkelviolett). Die Samen werden erst im Sommer in Kapseln aus dem Boden geschoben, die dann durch Vögel und andere Tiere unverdaut verbreitet werden.
Es wird berichtet, dass es Pfarrer David Rebentrost (geb. 1648 in Joachimsthal – gest. 1703 in Drehbach) - der auch Arzt, Heilpraktiker und Pflanzenzüchter war - gewesen sein soll, der dem Sächsischen Kurfürsten Johann Georg II. nach einem Jagdunfall im Gebiet um die Heinzebank ärztliche Hilfe geleistet hat. Zum Dank durfte sich der Pfarrer drei Pflanzen aus dem kurfürstlichen botanischen Garten in Dresden aussuchen. Er nahm sich eine Eibe, die Doldige Vogelmilch (auch doldiger Milchstern genannt) und einige Krokuszwiebeln mit. Die Krokusse pflanzte er auf den Wiesen vor dem Pfarrhaus (1647), sie vermehrten sich großflächig nahezu im ganzen Ort und es wurden von Jahr zu Jahr immer mehr. Die Vogelmilch ist in einigen Gärten von Drebach noch heute vertreten (ihre Dolden blühen im Mai). Auch die knorrige Eibe steht noch immer - nur leider jetzt abgestorben - im „Pfarrgut“ zur Besichtigung.
Bekanntlich blühen aber Krokusse keine 300 Jahre hintereinander jedes Jahr aufs neue. Um aber diese immer mehr zur touristischen Attraktion gewordenen Blumenwiesen über die Jahrhunderte erhalten zu können und die Vermehrung nicht nur dem Zufall oder den Vögeln zu überlassen, wurden – insbesondere im vergangenen Jahrhundert und neuerdings erst recht – von der Gemeinde immer mal wieder Zwiebeln nach gesteckt, auf dass der Ruhm Drebachs, als der Ort mit den „Nackschen Gunfern“, lange erhalten bleibe.
Aber Drebach hat noch mehr zu bieten: Als einziges Dorf in ganz Deutschland besitzt Drebach eine mit moderner Technik ausgestattete Sternwarte (ein Referenzobjekt der Firma Carl Zeiss aus Jena) mit einem gewaltigen, weithin sichtbaren Planetarium, das im August 2001 eröffnet wurde. Den Besuchern bieten sich prima Möglichkeiten zur Beobachtung des Sternenhimmels. Und aus den Schulen ringsum den Ort kommen die erzgebirgischen Sterne- und Mondgucker in hellen Scharen. Wer möchte, kann dann von Drebach aus eine Expedition zum Mond starten, den Tageslauf der Sonne verfolgen, Planeten beobachten oder mit „Außerirdischen“ auf Reisen gehen.
So gesehen gibt es im Erzgebirge wenigsten einen Ort, der nicht hinterm Mond liegt...
Gotthard B. Schicker
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