Ein Online-Medium für die Hauptstadt des Erzgebirges
Warum das Annaberger Wochenblatt?
Das Informationszeitalter berührt nicht nur die großen Städte und Industriezentren. Auch die Menschen in Kleinstädten, Dörfern und abgeschiedenen Winkeln der Welt haben ein gesteigertes Verlangen nach Neuigkeiten. Daraus ergibt sich ein Anspruch auf wahrhaftige, umfangreiche, unabhängige, sachliche, kritische und zeitnahe Informationen aus aller Welt - aber noch mehr aus dem unmittelbaren, lokalen und mitunter individuellen Lebensumfeld der Menschen.
Diese Erwartung ist durch den Verbreitungsgrad der Medien weiter gewachsen und wird im Bereich der elektronischen Medien - insbesondere durch den massenhaften Gebrauch des Internets - in Zukunft wesentlich zunehmen. Eine solche Entwicklung wird die Printmedien vom Markt nicht verdrängen, ihnen aber alternative Konkurrenz als Parallelmedien bieten. Auf die derzeitige verstärkte Hinwendung - nicht nur der jüngeren Generation - zu den elektronischen Medien und die darüber stattfindende Informationsbeschaffung muss umgehend reagiert werden. Diese Marktlücke zu füllen, ist nicht nur langfristig inhaltlich interessant, sondern auch mittelfristig wirtschaftlich attraktiv.
Deshalb haben wir das traditionsreiche Annaberger Wochenblatt als Online-Medium wiederbelebt. Ein kurzer Blick auf die Historie dieses Blattes soll unser Vorhaben rechtfertigen und bestätigen:
Aus der Geschichte des Annaberger Presse- und Druckereiwesens unter Berücksichtigung des „Tageblatt Annaberger Wochenblatt“ T.A.W.
Das Druckwesen ist in Annaberg nur ein paar Jahre jünger als die Stadt selbst. Nikolaus Günther, der aus Thum stammt, dort wahrscheinlich 1495 geboren wurde und sich Guntherus nannte, kam etwa um 1535 als Kaplan an die St. Annen-Kirche in Annaberg, wo er eine Druckerei - vermutlich in der Lateinschule - gründete. Im Jahre 1539 erreichte die Reformation auch das albertinische Annaberg (seit 1524 bereits im ernestinischen Buchholz) und vertrieb viele Katholiken.
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Allerdings nicht Nikolaus Günther. Der durfte nunmehr als Diakonus zwar nicht mehr predigen, aber in der Druckerei bis kurz vor seinem Tode, vermutlich im Jahre 1555, in untergeordneter Position weiter arbeiten. Diese Druckerei dürfte es etwa bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts gegeben haben. Der Chronist Paul Jenisius, der auch Rektor der Lateinschule war, berichtet darüber in seiner Chronicon Annaebergense 1604: „Auch hat es hier eine Druckerei gegeben, darinnen Büchlein und Carmina verfertigt wurden. Zu unserer Zeit drucket man deutsche Gesänge, geistliche Lieder und Anschlag-, Zubuß- und Ausbeutzettel zum Bergwergk gehörig.“
Im Jahre 1668 gründete der Vogtländer David Nicolai (er stammt vermutlich aus Weida) eine Druckerei, die nach seinem Tode 1701 von Herrn Viktorin Richter übernommen wurde. Dessen Schwiegersohn, August Valentin Friese, erbte sie 1722 und sie wurde nach dessen Ableben 1772 vom Sohn Gottlob August Friese übernommen, der sie bis zu seinem Tode im Jahre 1784 besaß. Von dessen Erben kauft dann 1790 Friedrich Wilhelm Ludwig Hasper die Druckerei ab. Hasper gilt als der Nestor des Pressewesens im Erzgebirge. War er es doch, der im Jahre 1807 das „Annaberger Wochenblatt“ gründetet, das am 12. September des selben Jahres erstmals erschien. Im Jahre 1820 übernahm der Sohn, Ludwig Hasper, von seinem kranken Vater Druckerei und Verlag.
Vierzig Jahre später verkauft Hasper an Karl August Teutsch aus Weißenfels, der sich aber mehr mit dem Buchverlag beschäftigt, so dass eine zweite Druckerei in Annaberg, die 1861 Viktor Gottschalch aus dem erzgebirgischen Lichtenstein gründete, nun den Druck der Zeitung bis 1871 übernahm. Zwischenzeitlich taucht in den Chroniken noch ein Johann August Conrad auf, der das Blatt wegen finanzieller Schwierigkeiten (er hatte eine große Familie) nicht mehr weiter führen konnte.
Laut Annaberger Stadtkasse hätte er zwischen 1837 und 1840 305 Th., 11 Gr. und 6 Pfg. an Steuern entrichten müssen. Davon hat er aber nur 129 Th. und 4 Pfg. bezahlt, so dass er Ende Juni 1841 die Zeitung an den Kaufmann und Direktor des Gewerbevereins, dem Gründer der „Annaberger Dietri´schen Sparkasse“ (gemeinsam mit Friedrich August Dietrich), den Philanthropen und Freimaurer Karl Julius Köselitz (1782-1846), also dem Großvater von Rudolf und Heinrich Köselitz (Peter Gast), übergab (Peter Gast schrieb mehrfach für die Zeitung Beiträge, meist unter dem Pseudonym Peter Schlehmil). Karl Köselitz leitetet die Zeitung dann bis zu seinem Tod noch knapp fünf Jahre.
Als Herausgeber erscheint dann noch einmal jener Gottschalch, der die Geschäfte gemeinsam mit Karl Ludwig Schreiber (dem Schwiegersohn von Köselitz) betrieb. Dessen Sohn, Carl Oswald Schreiber, übernahm dann am 17. Januar 1885 (Sterbedatum des Vaters) Verlag und Druckerei und gab das „Annaberger Wochenblatt“ bis zum Verkauf an Felix Tallwitz am 1. Oktober 1900 heraus. Der aus Döbeln stammende Verleger veränderte das Layout der Zeitung geringfügig und fügte dem Titel das Wort „Tageblatt“ hinzu, da sie bereits seit Juli 1892 als Tageszeitung im Rotationsverfahren hergestellt wurde.
Fast 100 Jahre war danach das Blatt wieder in nahezu unveränderter Form in den Händen der Familie Schreiber, bis es vermutlich in den Kriegswirren um 1944 eingestellt werden musste. Bereits in den Jahren zuvor etablierten sich, neben dem seriösen „Sehmaboten“, völkische Konkurrenzblätter in Annaberg, auf die hier nicht näher eingegangen wird.
Nach der politischen Wende wurde zu Beginn der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts der Versuch unternommen, das traditionsreiche Blatt wieder zu beleben. Nach wenigen Ausgaben ist es wieder eingestellt worden.
Das „Tageblatt Annaberger Wochenblatt“ (siehe Wikipedia) war bis zuletzt auch das „Amtsblatt für die königlich städtischen Behörden“. Es blieb dennoch bürgernah, meist unabhängig, informativ und hatte eine große Abonnenten- und Anzeigenkundschaft. Eine genauere Analyse bezüglich der Reflexion der Zeitereignisse im Blatt, deren Wertung in Meinungen und Kommentaren sowie die Auswertung des Lokalteiles muss einer späteren Arbeit vorbehalten bleiben. Das bisher gesichtete Material, der historische Stellenwert sowie die mögliche Identifikation mit diesem Blatt (auch über den Wiederkennungseffekt) rechtfertigen die Wiederbelebung dieser „Hauptzeitung des Obererzgebirges“ (wie sie sich selbst im Untertitel bezeichnete) als Online-Medium für die Hauptstadt des Erzgebirges Annaberg-Buchholz und darüber hinaus.
Prof. Gotthard B. Schicker Herausgeber
Foto: Dieter Knoblauch
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