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Kinderstubenweihefestspiel

Zauberhafte Märchenoper „Hänsel und Gretel“ am Annaberger Theater

Da kann man schon froh sein, dass sich der Regisseure des Annaberger „Hänsel und Gretel“, Hans-Hermann Krug, für die konservative Interpretation von Engelbert Humperdincks Märchenoper entschieden hat und nicht solchen psychologischen Deutungen - wie an verschiedenen Theatern des Landes erlebbar - auf den Leim ging, die als Pädophilen-, Kannibalen- oder Inzestspiel über die Bühnen wabern.

Nach Eugen Drevermanns psychoanalytischen Wertungen gibt es schließlich auch bei diesem Grimmschen Märchen, noch dazu mit der spätromantischen Musik des Wagner-Epigonen Humperdinck, durchaus Raum auch für andere Interpretationen.

Foto: Annaberger Theater (c) Dieter Knoblauch

Das Annaberger Theater besann sich aber der Worte des Komponisten, der sein Werk in Anlehnung an Wagners „Parzival“ scherzhaft und zutreffend als „Kinderstubenweihefsetspiel“ bezeichnete. Bis auf einige Musikpassagen, die unverwechselbar an den Meister des Nibelungen-Ring erinnerten, erlebten wir ein volksliedhaftes, turbulentes und zauberisches Märchenspiel eines äußerst engagierten Ensembles auf der Bühne und in der Orchesterwanne.

Der 1. Kapellmeister, Dieter Klug, hatte die Erzgebirgsphilharmonie Aue nicht nur voll im Griff, sondern zauberte einen Klang aus dem Graben, wie man ihn zwar immer häufiger von diesem Orchester gewohnt ist, jedoch bei dieser Musik nicht unbedingt selbstverständlich sein musste. Bereits zu Beginn der überlangen Ouvertüre überzeugten die Blechbläser (insbesondere die Hörner im Schutzengelchoral) mit einer sauberen Intonation, die sich nahezu durch das gesamte Werk zog. Aber auch in den volksliedhaften Melodien traf Klug mit seinem Orchester den richtigen Ton zum Bühnengeschehen, wenn dieser leider auch manchmal etwas zu laut war, so dass die Solisten teilweise Mühe hatten, mit ihren Stimmen verständlich über die Rampe zu kommen.

Dem kann man vermutlich mit zwei kleinen Korrekturen abhelfen: Das Orchester sollte an den Piano-Stellen auch wirklich leise spielen sowie das Forte den Stimmen auf der Bühne anpassen. Und die Solisten dürfen sich noch ein wenig mehr befleißigen, auch in exponierten Lagen prononcierter zu artikulieren. Obwohl man die Handlung des Märchens kennt, ist es doch von Interesse (insbesondere auch bei sehr jungem Publikum), welche Worte und Reime die Librettistin Adelheid Witte, der durchkomponierten Musik ihres Bruders unterlegt hat.

Wir erlebten ein sehr spielfreudiges Duo, das auch im Abendsegen-Duett (u.a. „Abends, wenn ich schlafen geh...“) stimmlich überzeugte: Madelaine Vogt spielte und sang eine Gretel, an der man seine Freude haben konnte. Mit ihrem Bruder Hänsel (wunderbar burschikos Tatjana Conrad) ging es über Tische und Bänke mit teilweise artistischen Einlagen, zu denen auch noch mitunter in den höchsten Tönen gesungen werden musste. Tolle Leistungen von beiden, die zurecht zur Premiere mit Bravorufen und viel Applaus bedacht wurden! Bettina Grothkopf und Michael Junge gaben das vermutlich Hartz-IV-Elternpaar Gertrud und Peter, an deren Verhältnis zueinander und zu ihren Kindern durchaus aktuelle Züge ablesbar waren.

Hänsel (links: Tatjana Conrad) und Gretel (Madelaine Vogt)

Wenn auch die Figur der Mutter nicht unbedingt zu den dankbarsten Partien der Opernliteratur gehört, so hat sie doch Bettina Grothkopf gesanglich und spielerisch souverän gemeistert. Vom Bariton Junge wünschte man sich in der Darstellung noch mehr, dass er sich durchgängig an die Humperdinckchen Regieanweisungen gehalten hätte, denn auch in der Musik ist die Trunkenheit dieses Besenbinders ziemlich durchgängig angelegt. Diese Gesangspartie gehört durchaus zu den anspruchsvolleren und oftmals unterschätzten auf der Opernbühne, die vom neuen Bariton des Hauses über weite Strecken zwar bewältigt wurde, jedoch oftmals mit zu viel unedlem Metall über die Rampe kam. Mit der ihr eigenen komödiantischen Expessivität, sowohl in Maske, Kostüm, Darstellung und Gesang, gab Bettina Corthy-Hildebrandt eine schrill-charmante Hexe, deren Schicksal bekanntlich im Backofen endet, um schließlich unter viel Qualm, Feuer, Blitz und Donner in die Hölle zu fahren.

Großartig märchenhaft und theaterwirksam dazu das Bühnenbild und die Kostüme von Wolfgang Clausnitzer. Nicht zu vergessen der wandlungsfähige, spielfreudige und stimmschöne Kinder- und Damenchor unter der Leitung von Chordirektor Uwe Hanke. Geübt werden sollte allerdings noch etwas mit Sandmännchen und Taumännchen (Maria Eichler/Annegret Reichel), damit die Unsicherheiten gegenüber den hohen Tönen in deren beiden kurzen Liedern mit den folgenden Aufführungen verschwinden. Denn davon wünscht man dieser zauberhaften Märchenoper noch recht viele Vorstellungen mit einem Publikum, das genau so froh gestimmte und applausspendable sein möge, wie es das am Premierenabend gewesen war.

Gotthard B. Schicker

14.11.2011

 

 

 

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