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Die Lady hat noch Biss...
Das wohl berühmteste Musical „My fair Lady“ feierte am Eduard-von-Winterstein-Theater Annaberg erfolgreiche Premiere und traf mit seinen Evergreens erneut beim begeisterten Publikum mitten ins Herz.
Die Handlung des Musicals, das in Annaberg am vergangenen Sonntag Premiere hatte, ist von Alan J. Lerner nach Bernard Shaws „Pygmalion“ und der Musik von Frederick Loewe (geborener Friedrich Loewe aus Berlin) so bekannt, dass viele Zuschauer Texte und Songs hätten regelrecht mitsingen mögen. Die „Lady“ ist weltweit deshalb so populär, weil den Schöpfern das idealtypisches Stück des Genres Musical gelang. Die Szenen, die sich zudem an dem berühmten Film mit Audrey Hepburn und Rex Harrison anlehnen, sind textlich so dicht und originell, die Musik so mitreisend rhythmisch, im Walzertakt, im Marsch, swingend und ironisch die Handlung stützend, dass man den Schauspielern die Spielfreude anmerkt und man sich selbst von Szene zu Szene vorfreuen darf.
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In der Inszenierung vom Schauspielregisseur Dietrich Kunze ist diesem Amüsement mit reizenden Einfällen reichlich Zucker gegeben worden. Immerhin traut sich das Theater sechs Jahre nach der letzten Inszenierung mit diesem Kassenschlager schon wieder auf die Bühne, - ein Selbstläufer eben. Aber die Zuschauer erinnern sich natürlich noch an Details, und so muss man den Vergleich aushalten, der hin und wieder positiver für die Inszenierung von 2006 ausschlägt. Die neue Besetzung ist dennoch gelungen: Jörg Simmat als Gast, auch bekannt von Fernsehrollen, spielt den Higgins als lässigen Hagestolz und verbohrten Phonetiker zunächst ohne ausladende Geste. Er ist der Spielmacher und überdies über Frauenvolk und feine Gesellschaft erhaben. Im Laufe des Stücks lässt er das Publikum immer wieder an seinen Verwunderungen teilhaben, die die Erziehung eines so „minderen“ Frauenzimmers wie Eliza zur Lady mit sich bringen. Die Extemporés des Machos sind nachvollziehbar, und sein Schwanken zwischen Tyrannen und verständnisvollem Lehrer setzt Pointen zum Genuss aller Ehekrüppel. Dabei gelingt ihm die Kunst, zwischen den schlagfertigen Dialogen auch die Gesangseinlagen als Fortsetzung der Inhalte zu harmonisieren, Pointen elegant auskostend, stimmlich angenehm eingepasst in die strahlende Dynamik des Orchestergrabens. Dieter Klugs (1. Kapellmeister der Erzgebirgs- Philharmonie Aue) Fable zu dieser Musik ist bis in die letzten Plätze hörbar und geradezu feinmotorig auf die Sänger-Schauspieler abgestellt, klanglich sehr sauber und trotz relativ kleiner Besetzung voll- und wohklingend organisiert, - einfach mitreißend! Extra Bravos erhielt Dieter Klug dafür am Ende der Vorstellung vom begeisterten Publikum - und von seinen Kollegen in der Kantine des Theaters...
Kein Problem also auch für die Eliza der Kerstin Maus, die burschikos berlinert, sich selbstbewusst aus ihrem Elend in die fremde Welt katapultiert und sich in immer schöneren Kleidern (Ausstattung: Erika Lust) selbst adelt. Stimmlich leicht, treffsicher in den Höhenlagen und überzeugend spielend brachte sie „ihre Eliza“ jung und temperamentvoll über die Rampe. Warum ihr im Pressematerial immer die ätherische Audrey Hepburn vor die Nase gewedelt wird, ist nicht nachvollziehbar, zumal hierzulande dieser Frauentyp längst ausgestorben scheint. Oberst Pickering von Michel Junge ist ein Zack-Zack mit Manieren, der kontrastierend zu Higgins die Wette, aus Eliza eine Herzogin zu formen, provozierte und mitträgt, aber in schönem Einklang mit Mrs. Pearse (Bettina Corthy-Hildebrandt) um menschliche Behandlung der jungen Frau ringt. Chormitglieder (Chöre: Uwe Hanke) geben das Hauspersonal und begleiten mit schönen Cantilene-Szenen im Hause Higgins, insbesondere die mit den beiden kommentierenden Kammerzofen in der Nachthemdnummer. Der des Lebens untüchtige Freddy, von Marcus Sandmann dargestellt und gesungen, bietet in seiner „Straßenanbetung“ eine buffoneske Kaprice erster Qualität. Stimmlich angenehm, muss er die einfallsreiche Choreographie (Sigrun Kressmann) umsingen, was mit kleinen verzeihlichen Brüchen in der Höhe gelang. Leander de Marel im Althippie-Outfit ist Alfred P. Doolittle (nachdem er in der vergangenen Inszenierung den Higgins gegeben hatte!). Und den gibt er mit Spaß an den gut artikulierte Texten sowie mit Routine in den Tanzszenen. Seine leichte - und vor dem Vorhang vom Intendanten Ingo Huhn angesagte - Indisponiertheit passte ideal zu den Trinkszenen und könnte so über den ganzen erzgebirgischen Winter beibehalten werden... Überhaupt waren die Gesangseinlagen des Männerchores, das Quartett, der Extrachor (Chordireltor: Uwe Hanke), die Typisierungen und Tänze im ersten Bild mit Eliza und später mit Doolittle kurzweilig und originell. Auch das berühmte Ascot-Bild wie fast immer schön anzusehen. Mimiken und Rhythmik zwar etwas eintönig in den Gesten und nur von der Coolness und Souveränität Mrs. Higgins` (Gabriele Kümmerling) verklärt. Auch Pferdegetrappel will beherrscht werden: Es war einfach zu laut über Elizas Bonmot gelegt und der Blackout kam zu spät, - schade. Der Regieeinfall, Elizas großen Ballabend, ihr Auftritt mit dem Prinzgemahl und ihren Erfolg in der feinen Gesellschaft nur im Dialog Higgins mit Pickering aufscheinen zu lassen (damit das Stück nicht zu lang wird), war neben den vielen gelungen Ideen, die Amputation des eigentlichen Höhepunktes und die Relativierung Elizas Leistung. Als ob man aus der „Fledermaus“ den Csárdás weggekürzt hätte... Wer würde es wagen?- ein Sakrileg! Das kann nur die Idee eines Mannes gewesen sein, der ungern tanzt oder der vergessen hat, wie gern sich eine hübsche Frau im Ballkleide präsentiert und dialogisiert, er dafür aber an jedem – auch durchaus strichfähigen Dialog - festhält. Auch fehlte damit der originelle ungarische Sprachexperte, der Doolittle mit 4.000 Pfund Erbschaft belegt. Diese Einsparung an der falschen Stelle bleibt unverzeihlich, Herr Regisseur! Das dennoch großartige Spektakel fand statt - oder eben auch nicht - vor dezenten, sich schnell drehenden Bühnenprospekten, die - gut gemalt (Erika Lust) - London symbolisierten, einigen wenigen einschwebenden Kulissenteilen wie Türen, Fenstern, Bücherregalen und Requisiten wie u.a. Londons Händler mit Schwibbbögen und Männeln im Bauchladen. Soviel Neuheit hatte dagegen das Programmheft nicht zu bieten. Die Stückinhalte sind schließlich bekannt, die Higgins-Weisheiten auch. Wären doch eher ein paar Inszenierungsabsichten des Regisseurs oder Biografisches über die Hauptdarsteller interessant (vielleicht mal ein Interview, ein Porträt), was man auf der Homepage des Theaters ebenfalls vermisst, weil beide leider nicht zum festen Ensemble gehören. Mit diesem Programmheft (Dramaturgie: Annelen Hasselwander) verschenkte sich das Theater wiederholt „Werbeflächen“ in Form von Information an die Zuschauer über das Haus, sein Ensemble und die zahlreichen Leistungen im Hintergrund – die an diesem Premierenabend allesamt mit viel Beifall und Bravos bedacht wurden.
Eveline Figura
Nächste Vorstellungen: 30.10., 2./14.11., 6./13./30.12, 19.30 Uhr;
INFORMATIONEN des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit: Die Theaterwoche am Eduard-von-Winterstein-Theater
„My Fair Lady“ „Der Freischütz“ und „Die Ermittlung – Diskussion eines Amoklaufs“ stehen auf dem Programm
In der Woche vom 28. Oktober bis 3. November 2013 bringt das Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz ein breit gefächertes Programm für seine Zuschauer auf die Bühne. Nach der viel bejubelten Premiere des Musical-Klassikers „MY FAIR LADY“ am Sonntag ist die Vorstellung am Mittwoch, dem 23. Oktober 2013 leider schon restlos ausverkauft. Karten gibt es erst wieder für die Vorstellungen ab dem 13. Dezember! Wer also jetzt ein schönes Weihnachtsgeschenk sucht, der sollte sich rasch entscheiden. Am Freitag, dem 1. November 2013 ist ab 19.30 Uhr „DER FREISCHÜTZ“ auf der Bühne des Annaberger Theaters zu sehen. Ein anderer Klassiker, die Romantische Oper von Carl Maria von Weber. Schon in der Zeit der Uraufführung wurden das „Lied der Brautjungfern“ und der „Jägerchor“ zu wahren Gassenhauern. Bis heute hat die Oper nichts von ihrer Faszination verloren. Noch kein Klassiker, aber dafür hochaktuell ist die Premiere am Sonntag. Der Theaterjugendclub zeigt 15.00 Uhr die Uraufführung „DIE ERMITTLUNG - DISKUSSION EINES AMOKLAUFS“ von Julia Kersebaum und thematisiert ein überaus brisantes Thema: In Julia Kersebaums Jugendstück wird nach einem Amoklauf die Frage nach dem „Warum?" gestellt. Gehört werden sowohl Angehörige der Opfer als auch des Täters, Anwohner und Tatzeugen kommen ebenso zu Wort, wie die Opfer und der Täter selbst.
Karten für Vorstellungen sind in der Vorverkaufsstelle des Eduard-von-Winterstein-Theaters auf der Buchholzer Straße 65 in Annaberg-Buchholz (Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9 – 17 Uhr ) oder an der Abendkasse erhältlich.
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