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Geist und Werk
Eine überaus sehenswerte Ausstellung für die ganze Familie zu markanten Persönlichkeiten aus der 500jährigen Geschichte der Städte Annaberg und Buchholz ist im Erzhammer bis zum 9. Februar 2014 zu bestaunen.
Die Säle des Annaberger Erzhammers haben in ihrer langen Geschichte schon so manche sehenswerte Ausstellung präsentieren und viel Publikum damit anlocken können. Eine Schau aber, wie sie am Samstag mit der „Zeitreise“ hier eröffnet wurde, dürfte alle bisherigen Präsentationen weit übertreffen. Das liegt nicht nur an der ansprechenden Gestaltung und liebevollen Anordnung der Exponate - wofür Katrin Baumann, Uwe Moule und Lutz Gautel ein großes Lob gebührt - sondern auch an der Auswahl der Persönlichkeiten unserer Stadt und deren Werke. Bürgermeister Thomas Proksch (Foto) und die Kulturmanagerin der Stadt, Dr. Gabriele Lorenz (Foto unten), konnten nicht nur die zahlreich erschienen Besucher an diesem Samstagmorgen freudig begrüßen, sondern auch den Leihgebern und Helfern sowie insbesondere den Heimatforschern von Annaberg-Buchholz herzlich danken, die wesentlich zur inhaltlichen Umsetzung dieser sehenswerten Schau beigetragen haben. Ein Dank und Anerkennung gab es auch für die unkomplizierte und produktive Zusammenarbeit mit Wolfgang Blaschke, dem neuen Leiter der Städtischen Museen Annaberg-Buchholz, und seinem Team,.
Mit dieser Ausstellung kann in anschaulicher, berührender und mitunter sogar in sehr überraschender Weise nachgewiesen werden, dass sich unsere Stadt nicht nur auf Barbara Uthmann und Adam Ries als Vorzeige-Persönlichkeiten reduzieren muss, sondern dass es ebenbürdige Frauen und Männer in diesen Mauern gab. Bei genauerer Betrachtung vielleicht sogar mitunter noch überragendere als diese zwei es in ihrer Zeit einst waren. Es wäre aber total falsch, würde man den 500. Geburtstag der Unternehmerin nicht gebührend in diesem Jahr feiern. Und es wäre töricht, wenn man die Bedeutung des alten Rechenmeisters nicht immer wieder für die Stadt vermarkten würde. Das Image von Annaberg-Buchholz kann aber noch weiter befördert werden, wenn auch die anderen Persönlichkeiten aus den zurückliegenden 500 Jahren ihren verdienten Platz zugewiesen bekommen und stärker als bisher - auch zur Identifikation lebender und zukünftiger Generationen - intensiver beleuchtet und im Stadtbild präsent werden. Kaum eine andere heutige Mittelstadt (schließlich war Annaberg um 1550 nach Nürnberg die zweitgrößte Stadt Deutschlands mit über 12.000 Einwohnern ) hat so viele Persönlichkeiten von hohem Geist und umfangreichem Werk - teilweise mit Weltgeltung - aufzuweisen. Der Erzhammer unter solchen Leiterinnen wie Heide-Lore Staub oder Dr. Gabriele Lorenz (Foto) haben in diese Richtung bereits erfolgreich gewirkt und markante Zeichen gesetzt. Um aber unsere ureigene Geschichte auch im öffentlichen Bewusstsein der hiesigen Bevölkerung langfristig und breitflächig zu verankern, und unseren Gästen aus nah und fern zu vermitteln, dass das Erzgebirge nicht nur aus Schnitzern und Klöpplerinnen besteht, bedarf es solcher anschaulichen „Zeitreisen“ wie diese.
Bis zum 9. Februar 2014 entführt also diese einmalig gelungene Ausstellung die Besucher auf eine vielschichtige, informative und nachdenkliche Reise durch fünf Jahrhunderte auf den Gebieten von Theologie, Literatur, Wirtschaft, Kunst, Architektur, Musik, Handwerk, Bildung und vielen anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens unserer Stadt. Zahlreiche Original-Dokumente, seltene Kopien, wertvolle Exponate sowie umfangreiche und informative Power-Point-Präsentationen machen Geschichte anschaulich und berührend erlebbar. Die Reise durch die einzelnen Jahrhunderte präsentieren markante Persönlichkeiten der Stadt in Stuben, die entsprechend der jeweiligen Zeit möbliert worden sind (Danke an Antik-Möbelhaus Gerd Breitfeld in Geyersdorf!). Das lässt die Besucher wunderbar in die Atmosphäre der jeweiligen historischen Epoche eintauchen.
Die Ausstellung beginnt mit der Stadtentwicklung im ausgehenden 15. Jahrhundert, mit den Stadtgründern von Annaberg und Buchholz, Georg den Bärtigen und Friedrich den Weisen. Beide erlebten die aufregende Zeit der Reformation, die vor 475 Jahren in ganz Sachsen Einzug hielt – ein Jubiläum, das die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens 2014 feierlich begeht. Die Bergstadt Annaberg stand damals im Mittelpunkt des Geschehens: Im Mai 1539, unmittelbar nach dem Tod Herzog Georgs, kamen hier die wettinischen Fürsten mit dem Reformator Philipp Melanchton zusammen und beschlossen die Einführung des Protestantismus in ganz Sachsen. Aus dieser Epoche ist eine Ausgabe von Georg Agricolas „De re metallica“ von 1556 aus dem Besitz der Ottilie von Elterlein, der Mutter Barbara Uthmanns, zu sehen. Im 18. Jahrhundert steht der Pädagoge Christian Felix Weiße (Foto), der Begründer der deutschen Kinder- und Jugendliteratur, des deutschen Singspiels und Freund Lessings, im Fokus des Interesses, von dem u.a. Original-Ausgaben des „Kinderfreundes“ ausgestellt sind. Besonders stark ist das 19. Jahrhundert vertreten. Diese Zeit war in Annaberg und Buchholz durch einen beeindruckenden wirtschaftlichen Aufschwung geprägt, der sich noch heute an vielen städtebaulichen und architektonischen Zeugnissen widerspiegelt. Diese Epoche wird illustriert durch die Fabrikanten Georg Adler und Oscar Brauer, die Architekten Julius Götze in Annaberg und Wilhelm Peschke in Buchholz, die mit ihren prächtigen Repräsentationsbauten und stolzen Bürgerhäusern miteinander wetteiferten. Georg Adler war z. B. mit seinem sozialen Denken und der Einführung von Vorsorgekassen für seine Arbeiter ein wichtiges Vorbild für Bismarcks Sozialgesetzgebung.
Berühmte Künstler und Wissenschaftler
Bruno Schneider aus Buchholz begründete Ende des 19. Jahrhunderts die Herstellung von Perlentaschen, einem begehrten Luxusartikel in der Welt. Die Schau zeigt davon eine beeindruckende Sammlung aus Privathand. Rudolf Köselitz (Foto), der berühmte Maler der Münchner Romantik und Begründer der Aquarelltechnik in Deutschland, und Heinrich Köselitz (Peter Gast), der Komponist, Dichter, Schriftsteller, Bewahrer der erzgebirgischen Mundart und Freund Friedrich Nietzsches, waren Weltbürger. Wie gut, dass zur Eröffnung der Ausstellung Musik vom fast vergessenen Peter Gast erklang: Eine Arie aus seiner im vergangenen Jahr am hiesigen Theater erstaufgeführten Oper „Der Löwe von Venedig“, die vom 1. Kapellmeister der Erzgebirgs-Philharmonie, Dieter Klug, extra für diese Ausstellungseröffnung für ein Klavier-Trio von ihm umgeschrieben und arrangiert wurde. Sowohl dieses als auch Werke von Mozart und Haydn wurden von Dieter Klug und Kollegen von der Chemnitzer Philharmonie meisterlich interpretiert.
Auch Werke des in Annaberg geborene Oscar Erich Hösel, ein renommierter Bildhauer und Leiter der Gestaltungsabteilung der Porzellanmanufaktur Meißen, sind zu sehen. Das kulturelle Leben des 18. und 19. Jahrhunderts wird u.a. mit dem Begründer des Erzgebirgsmuseums, Emil Finck, den Heimatforschern Erich Lorenz und Willi Roch bis hin zu den Künstlern Carlheinz Westenburger, Rudolf Manuwald, Annemarie Freymann sowie mit dem Grafiker, Schriftsteller und Philosophen Carlfriedrich Claus dargestellt. Ebenso thematisiert die Ausstellung Persönlichkeiten wie Felix Kube, der sehenswerte Bergbau-Lithografien schuf. Und vom Erzgebirgsoriginal Arthur Schramm können seine Schreibmaschine, ein Ofen, die Skier sowie sein Spazierstöckchen besichtigt werden. Schließlich ist auch er eine der Persönlichkeiten dieser Stadt, die einer einseitigen Betrachtung und Bewertung auf Dauer nicht stand halten dürfte. Nicht zuletzt wird Walter Porstmann porträtiert. Der im Annaberg-Buchholzer Ortsteil Geyersdorf geborene Wissenschaftler führte 1922 die DIN 476 ein und schuf damit die Basis für die heute weltweit bekannte Papiernormung A 0 bis A 6. Aber wer wusste das bisher von den Einheimischen...?
Zwei Empfehlungen wären noch wichtig: 1. Sollten ab sofort in allen Schulen Annabergs und der näheren Umgebung Geschichts-, Heimatkunde- oder kunsterzieherische Stunden dazu genutzt werden, um stattdessen diese identifikationstiftende Ausstellung mit Schülerinnen und Schüler - bitte unbedingt mit viel Lehrern (!) - zu besuchen (es werden Führungen angeboten!) 2. Sollten solche Ausstellungen möglichst aller fünf Jahre wiederholt und um weitere Persönlichkeiten, auch aus unserem Jahrhundert, – falls es welche gibt – ergänzt werden. Wünschenswert wäre es auch, wenn alle Annaberger und Buchholzer Persönlichkeiten mit jeweils kurzen Biographien publiziert bzw. auf der irgendwann zu erwartenden städtischen Homepage veröffentlicht werden könnten.
red.
Die familienfreundliche Ausstellung im Haus des Gastes Erzhammer ist täglich von 10.00 – 18.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 3,00 €.
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