LESERPOST
ÜBER UNS
IMPRESSUM
WERBEN

Gegründet 1807

www.annaberger.info

Wiedergegründet 2011

 

    POLITIK   WIRTSCHAFT   KULTUR   LOKALES   HISTORISCHES   STADTFÜHRER    WEIHNACHTEN im Erzgebirge

THEATER ABC

 

 



Theatralische Kreuzfahrt

Paul Abrahams Operetten-Revue „Die Blume von Havaii“ hatte am Annaberger Theater ihre unterhaltsame, amüsante, aufwändige, musikalisch köstliche und abendfüllende Premiere.
Blume_von_Hawaii_HP1_080

Eine Revue jagt gerade die andere: Nach „Lollipop forever“ mit dem Schauspielensemble, nun “großes Kino“ mit dem Musiktheater in der Premiere „Die Blume von Hawaii“ vergangenen Sonntag. Das Annaberger Winterstein-Theater surft gerade auf einer Welle von musikalischen Inszenierungen Europa weit mit, die aus Schlager-Revivals, aus Operetten oder aus komischen Opern Revuen produziert. Was ist das eigentlich, eine Revue? Im Journalismus eine Zusammenstellung nicht unbedingt zueinander gehörender Artikel zu einer interessanten Schau. Nun haben wir es aber bei Paul Abrahams Werk mit einer Operette zu tun, also ist daraus eben eine Operetten-Revue geworden. Das hat den Vorteil, dass man die musikalisch schönen, sentimentalen oder witzigen Gesangsnummer, Soli, Duette und Ensembles gerne auch ohne die Handlung genießen könnte, diese aber durch spritzige Lied-Texte doch in einer solchen behalten, um damit ein abendfüllendes Vergnügen zu bereiten. Das Dreigespann der Librettisten und Songschreiber Alfred Grünwald, Fritz Löhner-Beda und Imre Földes waren in ihrer Zeit omnipräsent und wegen ihrer komischen Texte überaus beliebt.
Blume_von_Hawaii_HP1_224

Die Fabel ist durchaus nicht ohne, nicht mal ohne politische Präsenz! Geht es doch um die Besetzung der Insel Havaii durch die Amerikaner um 1870. Der Gouverneur, ganz Weltmann (Leander de Marel), will seine Nichte (Kerstin Maus) mit dem heimgekehrten Prinzen Lilo-Taro (Frank Unger) verkuppeln. Der ist seit Kindheit mit Prinzessin Laya (Madeleine Vogt, Foto oben) verlobt, die er liebt und die so zufällig als Sängerin Suzanne Provence getarnt auf der Insel ankommt, nunmehr aber gerade frisch verliebt in den amerikanischen Kapitän (Jason-Nandor Tomóry). Die Havaijaner wollen die Prinzessin zur Königin krönen, mit ihrem Prinzen zusammenbringen und die Amis verjagen. Welch eine sympathische Vorstellung! In einer Operetten-Revue also fast wie im Leben, aber nicht durchführbar. Also wird alles so lange – mitunter zu lange - besungen und vertanzt, ja nahezu zum Suizid gesteigert, bis jeder Topf seinen Deckel gefunden hat.Blume_von_Hawaii_HP1_207
Der Star des Abends ist jedoch der Komponist Paul Abraham, der mit seiner „Viktoria und ihr Husar“, 1930 in Budapest uraufgeführt, seitdem als Meister der Jazz-Operette schlechthin gilt. Die „Blume von Havaii“ erlebte 1931 in der Messestadt Leipzig ihre Weltgeburt und wurde als echte Sächsin gleich in massenwirksame Konsistenzen verpackt: Radio, Schallplatte und der Film machten die Lieder zu Schlagern, die eingängigen Melodien zu unwiederbringlicher Tanzmusik. Unwiederbringlich? Stimmt gar nicht! Wir haben es ja zur Premiere auf unserer Bühne und aus dem swingenden, ragtimenden und mittanzendem Orchestergraben gehört.
Bravo! an die feinfühlige, aber auch temperamentvolle Stabführung vom 1. Kapellmeister der Erzgebirgs Philharmonie Dieter Klug und die begeisternd eingestellten Musiker, voran die Saxophone, Klarinetten, der oder die Schlagzeuger und insbesondere das Piano. Nicht zu vergessen die Streicher, die immer dann agieren, wenn der Zuschauer merken soll, dass es um Sinnlichkeit geht. Und natürlich die obligatorische Hawaii-Gitarre, die uns eine Kreuzfahrt in die Südsee allein durch ihre süß-jaulenden Klänge erspart...!
Das Verhältnis von dezenter Begleitung des Geschehens auf der Bühne und der anspruchsvollen und lebhaften Orchester-Soli aus dem Graben war sehr ausgewogen. Und dass die nun wiederholt eingesetzte, aber nicht durchgängig beherrschte Microport-Anlage da und dort als störend empfunden wurde, liegt weder an der Musik noch an den Darstellern, sondern vielmehr an der Technik und der Regie, die daran erinnert sein sollte, dass zu Abrahams-Zeiten diese Melodien auch ohne künstliche Verstärkung Triumphe feierten. Das bewusste Hinhören auf die kurz nach ihrer Entstehung als „entartete Nigger-Musik“ verbotenen Klangkreativität, die mitunter verblüffende Instrumentierung sowie der ins Blut gehende Rhythmus lohnt sich.
Auf der Bühne hat das fast vollständige agierende Musiktheaterensemble ausreichend zu tun und engagiert sich dabei mit Verve. Madeleine Vogt gibt eine elegante, anschmiegsame „Königin“, und zusammen mit Frank Ungers Prinzen ein schön anzusehendes und wohlklingendes Südsee-Paar. Bewegt und amüsant das Buffo-Paar Bessie und Buffy: Kerstin Maus und Marcus Sandmann (Foto unten) hatten konzertierte Aktionen zu bewältigen, nicht zuletzt, weil das Sujet aus der ungarischen Operette stammend, tänzerisch und singend viel fordert. Blume_von_Hawaii_HP1_179Dabei haben sie witzige Titel zu singen wie z.B. den vom „Diwanpüppchen“.
Der Kapitän von Jason N. Tomory in seiner uniformierten Verliebtheit brachte tenoralen Wohlklang und baritonalen Trost im Happyend mit Maya-Ersatz Suzanne Provence (Doppelrolle für Madeline Vogt). Sehr hübsch anzusehen und  anzuhören war sie dabei auch in ihrem „Schwipserl“-Lied mit französischem Akzent. Sängerisch dominant László Varga, zunächst als alter Hawaijaner, dann in der berühmten Rolle als Jim Boy, dabei die Skala von des Basses Tiefen bis zu ausgelassener Höhe auskostend. Man spürt wie wohl er sich im Musical-Bereich fühlt und die menschliche und musikalische Tiefe von „Bin nur ein Jonny...“ auslotet. Dabei kann er auch albern in seiner Liegstuhlaufstellnummer wie auch beim Einsammeln holder Weiblichkeit aller Couleur daher kommen. Als tanzende und flirrende Havaijanerin Raka präsentierte sich Therese Fauser erneut stimmlich sehr beachtlich, leicht und stilsicher, grazil, aber zupackend und überaus bewegungsfreudig. Mit solchen Musik-Theater-Kräften konnte in der Inszenierung wahrlich gewuchert werden.
Der Regie unter Tamara Korber gelang es, dieses etwas arg verwirrende fast dreistündige Spiel vom “Paradies am Meeresstrand” erfolgreich zu entflechten und damit genießbar zu gestalten, wobei die Übergänge zwischen Gesangsnummer und den Dialogen noch etwas zu viel Luft enthielten, was vermeidbare Längen verursachte.
Während Michael Junge als „Spielmacher der Revolte“ die Handlung noch mit Temperament und temporeich voran trieb, waren die Buffo-Dialoge und Dienerszenen eher gestrig fad angelegt und damit der ansonsten gestandene Komödiant Matthias Stephan Hildebrandt künstlerisch unterfordert. Das Esprit der Musik kam durch die Choreographie von Alexandre Tourinho in Fahrt und wurde adäquat umgesetzt. Manchmal nur durch überraschende Arm- und Handeffekte blieb so auch die Kondition der Sänger erhalten. Der Chor und Extrachor (Uwe Hanke) war singender Partygast: schön gewandet (Kostüme: Brigitte Golbs) und intensiv mitspielend. Das Extraballett schaffte Hula-Hopp schwingende Atmosphäre. Besonders war das Bühnenbild von Francesca Ciola: Ein einfacher Rahmen mit Treppe oder Palme. Im Hindergrund „agierte“ eine flexible Projektionsfläche von der neuen Wundermaschine des Theaters aus: ein teurer Beamer für Film- und Diaprojektionen. Mit Urwald bis Haifischbecken und Meereswogen, oder mit Wolkenbildern können nun die Bühnenbretter oder die Plafonts für noch vollständigere Illusionen präpariert werden.
Zusammen mit der Beleuchtung verlangte das Ganze dann sicherlich eine arbeitsintensive Probenzeit. Kompliment auch an die Technik!
Die „Blume von Hawaii“ als Theaterrevue sollte als Meditation in die Anfänge des europäischen Jazz als eine die Völker und Kontinente verbindendes Musik-Genre und die Texte als amüsanter „höherer Blödsinn“ eines entspannungssüchtigen Publikums, oder auch nur als eine Art theatralisch-musikalische Kreuzfahrt genossen werden...

Eveline Figura

Die nächsten Vorstellungen: 12.,29.3., 19.30 Uhr; 23.3., 19 Uhr

Nächste Premiere: “Bezahlt wird nicht!”,
Komödie von Dario Fo, 30. März 2014

Fotos: Theater Annaberg-Buchholz