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Transformation und Befreiung
Die Co-Premiere „Der Freischütz“ des Annaberger Theaters wirkte im idealtypischen Ambiente der einmalig schönen Felsenbühne Greifensteine wie befreit.
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Schöner konnte die Premiere am 19. Juli kaum gewesen sein: Samtweiche Sommernacht, ein entspanntes Publikum im gut gefüllten Rund der einmaligen Kulisse der wunderschönen Felsenbühne auf den Greifensteinen. Regisseur Dr. Ingolf Huhn hat seine im historischen Duktus gehaltene Inszenierung von der Enge der Bühne des Eduard-von-Winterstein-Theaters auf die Weite der Felsen und die verschiedenen Spielebenen übertragen (Ausstattung: Wolfgang Clausnitzer). Man hatte den Eindruck, Carl Maria von Weber sei für die Erarbeitung seines Werkes einstmals hier gewesen. Wie befreit wirkten Solisten und das übrige spielfreudige Ensemble. Linkerhand agierten in einem Sommerschlösschen Agathe (Bettina Grothkopf), immer noch im sogar fürs Biedermeyer zu sehr zugeknöpften Baumwollkleid . Mit ihrer auf schöne Zartheit und Folgsamkeit angelegten Rollenverständnis kontrastiert wohltuend frech ihre Verwandte Ännchen (Madelaine Vogt), die damit die szenische Betulichkeit wohltuend spielerisch und stimmlich auffrischte. Die Mittelbühne wurde durch einen riesigen Hirschschädel als Raum für die „Massen“-Szenen und für die Wolfsschlucht-Gruseleien drapierte. Die beiden konkurrierenden Jägerburschen, Max (Guido Hackhausen als Gast) und Kaspar (László Varga) waren sängerisch hervorragend eingestellt. Hackhausens deutscher Tenor beherrschte damit den Rollecharakter und insbesondere die Höhenlagen sehr gut. Für Varga war der Kaspar auf der großen Bühne ein Heimspiel. Mit Genuss zelebrierte er seine Arien, das Kugelgießen, auch mit sprachlicher Akkuratesse. Sein Eremit am Schluss der Oper vom Felsen herunter war dann die sonore und moralische Instanz. Die Mikroportverstärkung war diesmal sehr gut ausgesteuert, unterstrich den Wohlklang der meisten Stimmen eher als das es zu überzogenen Fremdheiten im Ton führte. Der Chor hatte spielerisch viel zu tun, das weite Rund zu füllen. Die Kombination aus Konserve und Realton gelang erst am Ende mit dem aufmarschierenden Jägerchor. Die Regieeinfälle allerdings, die das Leid nach den Napoleonischen Kriegen und den deutschen Einheitsgedanken widerspiegeln sollten, kamen leider ein wenig verloren daher, Parallelen zu aktuellen Ereignissen drängen sich gerade zu auf. Da die Premiere zum 200. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig stattfand, hätte man da ruhig ein wenig dicker auftragen können, auch als inhaltlicher Kontrast zur politischen und religiösen Obrigkeitsunterwerfung! Der handlungstreibende Erbförster Kuno (Leander de Marel) sang, sprach und ritt seinen Part überzeugend und würdig. Der böhmische Fürst Ottokar (Christian Härtig) war stimmlich leider nicht so tragend, spielte aber den selbstsicheren Aristokraten und - mit Ännchen flirtend - locker über die Rampe. Mystisch-romantisch kam auch die Samiel-Figur mit Tanz und Schattenspiel auf den Felsen und das Bergsteiger-Double für Maxens Wolfsschluchtarie hoch auf dem Basalt zur Geltung. Die Lichteffekte, gepaart mit Feuer und Gewehrkugeln, unterstrichen die Handlung, waren aber - zum Glück für`s Stück - gut dosiert. Der Sieger des Abends war allemal Carl Maria von Webers herrliche Musik unter der Stabführung eines konzentrierten 1. Kapellmeisters der Erzgebirgs Philharmonie, Dieter Klug, die leider mit einer sehr amputierten Ouvertüren-Einspielung auskommen musste. Man darf auch dem hiesigen Publikum ruhig zutrauen, die gesamte Ouvertüre, die übrigens eines der beliebtesten Stücke in Konzertsälen ist, auf dieser märchenhaften Freilichtbühne auszuhalten zu wollen!
Eveline Figura Fotos: Theater-Annaberg
Weitere Vorstellungen: 25.7., 21 Uhr, 9./15./23. 8., 20 Uhr
Rezension zur “Freischütz”-Premiere am 13.1.2013 im Winterstein-Theater - hier
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