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THEATER ABC

 

 



 
Komödiantischer und musikalischer Theater-Jahresabschluss

Das 45-jährige Bühnenjubiläum der Erzkomödiantin Gabriele Kümmerling wurde in einer erfolgreichen Uraufführung mit vielen Anspielungen zelebriert. Und das Silvesterkonzert der Erzgebirgischen Philharmonie Aue strotzte vor Temperament in einer musikalischen Weltreise.Minettis_Blut_HP2-011

Es ward schon oft wiederholt und dennoch kann man es gar nicht oft genug sagen: Unser Theater ist immer und ganz besonders zu solch emotionalen Höhepunkten wie Weihnachten ein Juwel und geradezu ein Knaller zu Silvester! Nicht, dass sich die Schauspieler, Sänger und Musiker nur für diesen Höhepunkt aufgespart hätten. Erstere verwöhnten Jung und Alt im Dezember mit 19x „Kalif Storch“, einige Doppelvorstellungen, ja sogar eine dreifache mit „Loriot-Abend“ obenauf an einem Tag. Das Musiktheater hatte 11 mal Lortzings zwei Einakter-Opern „Weihnachtsabend“ und „Andres Hofer“ neben dem anderen Repertoire zu bieten. Das Orchester glänzte zusätzlich mit  brillanten Weihnachtskonzerten in Annaberg und Aue unter der Leitung vom 1. Kapellmeister Dieter Klug.Minettis_Blut_HP2-010

Und einen Tag vor Silvester nun noch eine Uraufführung: „Minettis Blut“ von Heiko Buhr über die Rampe zu bringen. Der Autor scheint nicht nur das Theater, seine Protagonisten, Konkurrenzen, Intrigen und Eitelkeiten genau zu kennen, sondern sie der Jubilarin Gabriele Kümmerling (Foto links) zu ihrem 45. Bühnenjubiläum geradezu auf den astralischen Leib und den ihrer natürlichen Tochter Gisa Kümmerling (Foto rechts) geschneidert zu haben. Beiden, zusammen mit dem Regisseur Dietrich Kunze, gelang es aus der Theaterputzfrauen-Rolle, in die beide gesteckt wurden, Lebenskünstlerin und inspirierte, aber verhinderte Aktrisen werden zu lassen. Der Chef des Hauses, Dr. Ingolf Huhn, wurde dabei fast durch die Öl-Sägespäne gezogen und nur zufällig dabei nicht ins Jenseits befördert. Natürlich bombardierten sich beide als beste Kennerinnen der Star- und Regisseur-Szene mit reichlichen Extempores, Fecht- und Wortkämpfen bis in die Herzattacken hinein, und zum Schluss auch noch in eleganten Abendgarderoben, obwohl Gabriele Kümmerling im Cindy-von-Marzahn-Outfit und Gisa als Quasi-Nina Hagen optimal von Wolfgang Clausnitzer auf der fast leeren, aber gekonnt „verdreckten“ Bühne drapiert waren.
Das kenntnisreiche Publikum amüsierte sich über viele Anspielungen auf das Theater und das eigene Haus köstlich. Was wäre es erst für ein Jubel in unserem Hause geworden, wären nicht viele Schauspielerkollegen just an dem großen Abend für ihre beliebte Kollegin zu einer Abendprobe abbefohlen worden...
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Trotz allem war die Vorstellung, neben viel Spaß, urkomödiantischen Szenen, aber auch reichlich gekonnter Klamotte, mit berührenden Momenten eines Lebens neben und unterhalb der Kunst gespickt, ganz besonders in den individuellen Nuancen privater Dramatik. Die Kümmerling, die ihren Namen so gar nicht verdient hat, und - trotz alledem - eine ganz Große in einem ziemlich kleinen Theater geworden ist, wird in nachhaltiger Erinnerung bleiben.
Ihre Tochter, Gisa Kümmerling, verfügt über ein wohl ebenso hoffnungsvolles und breites Spektrum an klang-sprachlichen und extemporalen Ausdrucksmitteln, - von ihren stöckeligen Regie-Einfalls-Trippeleien an diesem Abend mal abgesehen. Ja, die Gene sind nicht zu unterschätzen, gehören doch auch die ihres charismatischen Vaters, Intendanten und Schauspielers Roland Gandt dazu – „bei dem so was nicht passiert wäre!“, wie seine Lebensgefährtin dem verstehenden Publikum an anderer Stelle zuraunte... (Dramaturgie: Silvia Giese). - Wünschen wir dem Theater und dem Publikum noch weiterhin Gelegenheiten zum „Besuch der alten Dame“ auf den Brettern, die für die beiden Künstlerinnen einen ganz wichtigen Teil der Annaberger Welt bedeuten!

Der Intendant gratulierte der Jubilarin herzlich und mit Blumen (man ist ja wegen der Attacken im Stück nicht nachtragend, obwohl man - zumindest im Werk von Heiko Buhr - als Prinzipal eines solchen Theaters nicht ganz ungefährlich lebt!).
Der verdienstvolle Ausstattungsleiter Wolfgang Clausnitzer wurde mit ebensolchem Jubelblumenstrauß in den vorläufigen Unruhestand verabschiedet.

Der ebenfalls vom Chefausstatter Clausnitzer festliche Bühnenraum zum Silvesterkonzert wurde diesmal sogar mit einem golden Schweinderl als Glücksbringer gekrönt. Na, bitte: Geht doch!Takahashi

Das Silvesterkonzert der Erzgebirgischen Philharmonie Aue um 14 Uhr in Annaberg und danach noch in Aue selbst und weiter als Neujahrskonzert zu Gastauftritten „tingelnd“, war als musikalische Reise durch Stile und Zeiten konzipiert. Was sonst gar nicht gut hintereinander gepasst hätte, wie Glucks Orpheus und der von Jaques Offenbach wurde durch den pointierten und charmant beiläufigen Witz des Moderators Jörg Simmat (Foto links unten) zum reinen Vergnügen. So unterhielt er die Gäste mit launigen Übersetzungen der französischen Texte aus Bizets „Carmen“, einem augenzwinkernden Mozart-Quiz fürs ungebildete Publikum oder mit wunderbar komischen Erklärungen der Orpheus- und Samson-und-Dalila-Legende. Das Orchester brauchte also nur noch die vielen Noten herunter zu spielen und der Abend wäre gegessen gewesen. Jörg Simmat
Weit gefehlt: Unter dem schier den Frack zerreißenden Dirigat von GMD Naoshi Takahashi (Foto rechts oben) kam das Orchester enorm und unüberhörbar in Schwung. Eduard Künnekes Ouvertüre „Glückliche Reise“ als Auftakt führte zum „Faust-Walzer“ aus Gounods „Margarete“, wo „er“ seiner Margarete noch mit sehr schweren Füßen hinterher tanzte. Heinz Rudolfs Potpourri „Komm ein bisschen mit nach Italien“ gelang Dirigent und Musikern mit wahrer Leichtfüßigkeit, geradezu ein wenig an den Mantovani-Sound erinnernd. Das Orchester verwöhnte in Bizets Vorspiel zum 3. Akt die Hörer mit wunderbaren Flöten- und Gitarren- und Harfenklängen und viel Einfühlsamkeit.Therese Fauser


Mezzosopranistin Therese Fauser (Foto), im stilgerechten roten Kleid, sang ihre „Carmen“-Arien schlank, ganz am Beginn einer zu erahnenden späteren Verruchtheit. In der Arie der Dalila (Camille Saint-Saens) entwickelte sie ihre stimmliche Dramatik überzeugend und klangschön. Das Orchester war danach auf mozärtlich-türkischem Terrain zu Hause, flirrende Leichtigkeit und Kraft in der Ouvertüre zur „Entführung aus dem Serail“. Fausers Interpretation der Orpheus-Arie von Gluck war wohl das Berührendste des Abends. Mit Zartheit und Kraft dominierte sie auch den stark Raum greifenden Orchesterklang.
Danach Can Can aus Offenbachs „Orpheus“ und ein Walzer-Konkurs zwischen Bad Ischl/Wien und Berlin: Lehárs „Gold und Silber“, was zunächst klang wie Holz und Blech, dann aber doch mit großer Geste zum Streicher-Rausch geführt wurde, um schließlich Paul Linkes Luna-Walzer auf preußischen Marsch-Walzer zu intonieren. Die Musik ist so ansteckend, dass man sich die „Luna“ gerne mal auf unsere Bühne träumen würde.
Der Chefdirigent blieb in seinem Element bei den Zugaben (noch einmal kraftvoll und schon ein wenig mehr verruchter die Fauser mit der „Habanera“), insbesondere beim Radetzky-Marsch, wo man die klatschende Interaktion des Publikums als Instrument einsetzt und wo sich auch der GMD am Ende selbst eliminieren darf, zumal er sein Orchester das ganze Jahr über genug traktiert haben dürfte...!

Ein glückliches neues Jahr 2015 haben sich alle nunmehr gründlich verdient!

Eveline Figura