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Rechtsextremismus bleibt Schwerpunkt in Sachsen
 
(26.11.2014) Die Forschungsstudie „Rechts motivierte Mehrfach- und Intensivtäter in Sachsen“ wurde in Dresden vorgestellt. Seitens der Sicherheitsbehörden wurden daraus zehn Schlußfolgerungen zur weiteren Bekämpfung des Rechtsextremismus in Sachsen gezogen, die am Ende dieses Beitrages veröffentlicht sind.Antinazidemo Dresden
 
Innenminister Markus Ulbig und der stellvertretende Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung der TU Dresden (HAIT), Prof. Dr. Uwe Backes, haben am 26.11.2014 die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Rechts motivierte Mehrfach- und Intensivtäter in Sachsen“ vorgestellt.
Innenminister Markus Ulbig: „Die Studie bestätigt unsere bisherige Herangehensweise. Der Rechtsextremismus ist und bleibt Schwerpunkt der Arbeit unserer Sicherheitsbehörden. Es wird aber auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe bleiben, Rechtsextremisten nachhaltig den Nährboden zu entziehen.“
 
Die Studie ging der Frage nach, welche Merkmale rechte Mehrfach- und Intensivtäter kennzeichnen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen sollen künftige Entwicklungen und Brennpunkte rechter Gewalt früher erkannt werden, um noch schneller gegensteuern zu können. Dazu wurden aus der Gruppe der in Sachsen straffällig gewordenen Gewalttäter aus dem Bereich der politisch rechts motivierten Kriminalität für den Zeitraum 2001 bis 2011 insgesamt 463 Mehrfachtäter - davon 70 Intensivtäter – ermittelt und näher untersucht. Die Auswertung von Polizeidaten, Gerichtsakten, Szenemedien, nachrichtendienstlichen Informationen und Interviews ergab, dass zwei Drittel der betrachteten Intensivtäter in Sachsen geplant vorgehen und sich dadurch vom bundesweit geltenden Befund für rechts motivierte Gewalttäter unterscheiden. Menschenkette Dresden
Auch der Anteil ideologisierter Täter ist in Sachsen bei dieser Gruppe weit höher als beim Durchschnitt der rechten bzw. rechtsextremen Gewalttäter. So entfallen etwa zwei Drittel der Delikte auf das Themenfeld „Konfrontation gegen links“.
Mit rund 90 Prozent ist der Gruppentäteranteil außerordentlich hoch.
 
Prof. Dr. Uwe Backes: „Die 151 Gewalttaten mit Beteiligung von Intensivtätern sind ganz überwiegend Gruppentaten.
Aus den Tatbetrachtungen konnten im Untersuchungszeitraum 17 relevante Gruppen identifiziert werden. Die meisten Gruppen verfolgten mit mehr oder weniger planhaftem, aufsuchendem Gewalthandeln das Ziel, ‚zeckenfreie Zonen‘ zu schaffen. Ideologische Einflüsse waren vor allem in Gestalt des Mediums Rechtsrockmusik bei allen Gruppen erkennbar. Die Gewalttäter agierten nicht nur häufiger, sondern auch brutaler als die übrige Täterpopulation. Zwölf der 64 lebensbedrohlichen Taten wurden als Exzesstaten eingestuft.“
 
Die Forschungsarbeit des HAIT lief von Juli 2012 bis August 2014 und wurde vom Freistaat Sachsen gefördert. Kooperationspartner waren das Landeskriminalamt, das Operative Abwehrzentrum (OAZ), das Landesamt für Verfassungsschutz, die Staatsanwaltschaften, der Kriminologische Dienst im Strafvollzug, das Bundeskriminalamt und das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Köln.imagesCAVXEG4Z

Zehn Schlussfolgerungen für die Sicherheitsbehörden

1.
Auch wenn sie nur einen kleinen Teil aller Straftaten ausmacht, bedarf politisch motivierte Kriminalität besonderer Aufmerksamkeit, weil sie sich direkt auf das Sicherheitsgefühl der Menschen auswirken. Insbesondere rechte Gewalttaten sind immer auch ein Angriff auf unser Wertesystem und unsere geschichtliche Verantwortung. Unsere Erfahrungen haben gezeigt: Lassen wir den Rechtsextremen zu viele Spielräume, ermutigt sie das zu mehr Gewalt. Intensive Beobachtung, effektive Polizeiarbeit und konsequente Strafverfolgung der Gewaltkriminalität sind daher unerlässlich. Hierbei gilt: Gewalttäter-Karrieren sollten bereits im Frühstadium unterbunden werden. Darüber hinaus müssen im Strafvollzug alle denkbaren Anstrengungen unternommen werden, um eine Resozialisierung zu ermöglichen.

2. Die Beobachtung und Analyse rechts motivierter Gewalt muss intensiviert und verfeinert werden. Besonders schwere Taten und die Schäden, die Opfer davontragen, müssen im polizeilichen Erfassungssystem besser als bisher widergespiegelt werden. Nur so ergibt sich ein langfristiges Bild, um die Entwicklung schwerer extremistischer Straftaten nachzuzeichnen, um Radikalisierungs- und Deradikalisierungsprozesse zu erkennen.

3. Ein weiterer Ansatz für Polizeistrategien ergibt sich auch schlichtweg daraus, dass wir nun noch besser wissen: Mehrfach- und Intensivtäter spielen eine wichtige Rolle. Es sind einige wenige Personen und Tätergruppen, die einen erheblichen Einfluss auf die Gewaltdynamik ausüben. Der Gruppentäteranteil ist dabei außerordentlich hoch (rund 90 Prozent). Um zu verhindern, dass sich solche Gruppen heranbilden und verfestigen können, müssen wir sie früh erkennen. Mehrfach- und Intensivtäter, die lebensbedrohliche Taten verüben, müssen als „Gefährder“ eingestuft und zentral bearbeitet werden, um eine effektive und gezielte Strafverfolgung zu ermöglichen.

4. Konsequente Strafverfolgung wirkt deeskalierend. Genau deshalb wurde vor zwei Jahren das Operative Abwehrzentrum geschaffen, das landesweit Verfolgungsdruck speziell auf rechte Straf- und Gewalttäter aufbaut, Sachverstand und Ermittlungskompetenz bündelt und so dazu beiträgt, die aufgegriffenen Täter schnell und konsequent der Strafverfolgung zuzuführen.

5. Neben fremdenfeindlicher Gewalt hat sich die erbitterte und gewaltsame Bekämpfung des politischen Gegners zu einem Aktionsfeld der rechten Szene mit bemerkenswerter Intensität und einem immer aggressiveren Auftreten entwickelt. In Zukunft müssen wir mit einer stärkeren Konfrontation linker und rechter Gruppen rechnen. Für die Polizei heißt das maximale Aufmerksamkeit bei rechten wie linken Kundgebungen, Aufzügen und Demonstrationen.

6. Nicht nur bei Demonstrationen der rechten Szene beobachtet man eine hohe Gewaltbereitschaft und Anpassung an Aktionsmuster der linken Szene. Konfrontationen mit dem politischen Gegner häufen sich. Wie die Studie zeigt, entfallen inzwischen etwa zwei Drittel der untersuchten Gewaltdelikte auf das Themenfeld „Konfrontation gegen links“. Deshalb ist es wichtig, auch links motivierte Gewalt zu analysieren. Deshalb werden im Operativen Abwehrzentrum beide Phänomenbereiche gemeinsam bearbeitet.Dresden nazifrei

7. Die Studie zeigt auch, dass so genannte Hassmedien – rechtsextremistische Musik und Cyberhate-Materialien – ein maßgeblicher Einflussfaktor für rechtsextremistische Ideologisierung sind und dass sie Gewalthandeln stimulieren. Dies deckt sich mit unseren Erkenntnissen: Bei den in den vergangenen zehn Jahren über 220 geführten Verfahren in diesem Bereich haben wir immer wieder festgestellt, dass diese Medien zum Rassenhass anheizen, die Ideologie des Nationalsozialismus verharmlosen und Gewalt verherrlichen. Deshalb muss die kontinuierliche Beobachtung rechtsextremistischer Aktivitäten in diesem Bereich ein Schwerpunkt der Sicherheitsbehörden bleiben. Ziel muss es sein, rechten Straftätern ihre Propaganda- und Hassplattformen zu entziehen.

8. Werden rechtsextreme Hassmedien von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert, sollte die Maßnahme öffentlich breit kommuniziert und begründet werden. Pädagogen, Lehrer, Erzieher und politische Bildungsträger müssen umfassend informiert werden. Angesichts der Leichtigkeit der Verbreitung und Vervielfältigung digitaler Informationsträger dürfte eine Verbreitung nicht völlig zu unterbinden sein. Folglich kommt es darauf an, die Öffentlichkeit für extremistische und gewaltverherrlichende Inhalte zu sensibilisieren. In diesem Bereich verfügt der Verfassungsschutz über einen enormen Wissens- und Erfahrungsschatz. Hier muss das Landesamt für Verfassungsschutz mit seiner Öffentlichkeitsarbeit weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung besonders auch im Bereich fremdenfeindlicher und rechtsextremistischer Aktivitäten leisten.

9. Im Sinne der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Prävention müssen wir weiter den Ausstieg aus der Szene fördern. Bisherige Erfahrungen zeigen: Der betreute Personenkreis entstammt meist dem subkulturell geprägten, gewaltbereiten Spektrum, verfügt über ein geringes Qualifikationsniveau, kommt aus schwierigen Familienverhältnissen und ist in der Regel einschlägig straffällig geworden. Während und nach der Betreuungszeit kommt es nur in Einzelfällen zu erneuter Straffälligkeit, was als deutliches Erfolgskriterium angesehen werden kann. Von der Möglichkeit, potenzielle Aussteiger aktiv anzusprechen, sollte deshalb mehr Gebrauch gemacht werden.

10. Für uns ist wichtig zu wissen: Welche Merkmale kennzeichnen rechte Gewalttäter und die Brennpunkte mit besonders hoher Konzentration rechter Gewalt? Lassen sich diese Merkmale weiter spezifizieren? Welche Ursachen beeinflussen die Entstehung und Entwicklung rechter Gewalt? Und wo können wir ansetzen, um diesem Phänomen effektiv etwas entgegenzusetzen? Daher erscheint es empfehlenswert, die Kooperation von Sicherheitsbehörden mit unabhängigen Forschungseinrichtungen zu vertiefen.

Die Studie zum Nachlesen | http://www.lpr.sachsen.de
SMI - Sächsisches Staatsministerium des Innern, Martin Strunde