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Nachdenkliche Zeitreise

Das Erzgebirgsmuseum überrascht mit einer sehenswerten Schau über die Jahre von 1815 bis 1848, in denen in Annaberg und Buchholz nicht nur Biedermeier den Aufbruch in die Moderne mitgestalteten, sondern auch engagierte Intellektuell und längst vergessene Revolutionäre.Ausstellung Museum (Andere)

Ob der als hausbacken und kleinbürgerlich vorbelastete Begriff des "Biedermeier" als Untertitel für die neue Ausstellung im Erzgebirgsmuseum glücklich gewählt ist, darf hinterfragt werden. Schließlich ist das "Biedermeier" in der Politikgeschichte auch mit dem Begriff der Restauration verknüpft, der sich auf die Entwicklung nach dem Ende der napoleonischen Zeit und des Wiener Kongresses bezieht. In der Kultur- und Kunstgeschichte hat er sich zumindest in Deutschland und Österreich als eine Art Gattungsbegriff der Idylle á la Spitzweg etabliert. Viel genauer ist dabei der Begriff vom Vormärz, der z.B. revolutionäre Literaten und Denker wie u.a. Büchner und Heine mit einschließt. Schließlich waren es hauptsächlich die bürgerlich-liberalen und links-liberalen Kräfte - auch in Sachsen und im Erzgebirge - die an eine Neuordnung der Verhältnisse gingen, für die Stärkung der Bürgerrechte eintraten, sich um die Reform der Bildung sowie um das Aufblühen des Vereinslebens bemühten. Durch die Verwaltungs-, Justiz-, Militär- und Schulreform wurde Sachsen in den 1830er Jahren zu einem der modernsten Länder in Europa.


Auch im Erzgebirge war diese Epoche durch das Ende der napoleonischen Kriege, die Folgen des Wiener Kongresses, der Einführung der konstitutionellen Monarchie ab 1831 sowie der allgemeinen Städteordnung für das Königreich Sachsen im Jahr 1832 geprägt. In Annaberg und Buchholz gab es etliche dieser bürgerlichen Revolutionäre, die den Aufbruch in der Moderne mitgestaltet haben, die aber leider auch in Vergessenheit geraten sind. Eisenstuck (Andere)
Der Leiter der Städtischen Museen zu Annaberg-Buchholz, Wolfgang Blaschke, erinnerte in einem sehr fach- und sachkundigen Vortrag zur Eröffnung dieser überaus informativen und sehenswerten Ausstellung an die Ereignisse von damals und an deren Protagonisten wie z.B. die Familien Eisenstuck (Foto rechts) und Köselitz (Deutsche Fortschrittspartei, Foto links) in Annaberg, oder an die Revolutionäre von Buchholz - Adler und Hesse. Aber auch der vergessene Annaberger Spätaufklärer und Freund von Lessing, Christian Felix Weiße, hat Platz in einer Vitrine mit etlichen Bänden von seinem "Kinderfreund" gefunden.Köselitz Hermann
Wolfgang Blaschke, der sich nach relativ kurzer Amtszeit mit den lokalen historischen Begebenheiten bestens auskennt, machte aufmerksam auf wichtige politische und kulturelle Grundlagen, die bis in die heutige Zeit wirken wie z.B. die erste sächsische Verfassung, die erstmalige Wahl von Stadträten, der Ausbau der ländlichen Infrastruktur und die der Städte sowie die Einführung von Schulpflicht und Ausbildung. In den Bereichen Musik, Sport und Gewerbe kam es zu zahlreichen Vereinsgründungen.
In der liebevoll gestalteten, sehr anschaulichen und informativen Ausstellung sind mehrere Exponate zu sehen, die bisher wenig oder kaum gezeigt wurden. So wird u.a. eine Porträtsammlung von Stadträten vom Anfang des 19. Jahrhunderts präsentiert.
Die Ausrüstung eines Kommunalgardisten, ein originales Laufrad, verschiedene Erzeugnisse des Gewerbefleißes sowie Beispiele aus dem Alltag werden thematisch gut geordnet gezeigt und mit Schrifttafeln ergänzt.
Bedeutende Persönlichkeiten aus Annaberg und Buchholz werden vorgestellt, anhand derer man unschwer nachweisen kann, dass diese Städte durchaus einstmals über eine intellektuelle Schicht von engagierten Bürgern verfügten, die keineswegs kleinbürgerliche "Biedermeier" waren, sondern die sich in das gesellschaftliche Leben aktiv und überwiegend uneigennützig einbrachten. Ihre Wirkungen sind durchaus denen eines Adam Ries oder einer Barbara Uthmann ebenbürdig, wenn nicht sogar überragender - und sie sind es in ihren Nachwirkungen bis heute.
Eine Ausstellung also, die den Betrachter in mehrfacher Hinsicht nachdenklich entlassen dürfte...

red.

Die Ausstellung „Aufbruch in die Moderne – Annaberg und Buchholz in der
Biedermeierzeit“
wird noch bis zum 15. November 2015
im Erzgebirgsmuseum Annaberg-Buchholz präsentiert.