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Dollys Heiratsvermittlung nun auch in Annaberg

Der einstige Broadway-Knaller „Hello, Dolly!“ hatte am Eduard-von-Winterstein-Theater erfolgreiche Premiere. Mitreißende Musik und spritzige Tanznummern sowie der Charme der fünfziger Jahre ließen das etwas gealterte Musical neu aufleben.
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Am Sonntag, dem 12. April 2015, ging die letzte musikalische Premiere dieser Spielzeit im Stammhaus des Eduard-von-Winterstein-Theaters über die Bretter. Die musikalische Komödie, die auf englische Vorlagen und auf die provozierend schrägen Wiener Vorstadt-Komödien eines Nestroy, hier  „Einen Jux will er sich machen“, basiert, sowie die phantastisch arrangierte Musik von Jerry Hermann, hat immer noch genügend Potential, das Publikum mitzureißen.
Die etwas älteren Semester können sich noch an die amerikanische Verfilmung in Idealbesetzung mit Barbara Streisand  und Walter Matthau erinnern, andere wissen um die legendäre „Dolly“ am Berliner Metropol-Theater aus den Siebzigern mit der bisher unübertroffenen Gisela May in der Hauptrolle. Nichtsdestotrotz gilt: Hier ist hier und heute ist live!
Der neue Ausstattungsleiter Peter Gross gab den Rahmen mit einer großen, zweckmäßig bestückten Bühne, in malerischen Silhouetten von New York und den unvermeidlichen Ami-Fähnchen. In der Mitte ein multipel bespielbares Podest mit Schubfächern und Treppe, die allerdings für die Präsentation einer Dolly im Harmonie-Garden als Show-Treppe ein wenig zu kurz geraten war.
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In der Regie von Urs Alexander Schleiff, der bei uns schon einiges auf die Bretter zaubert, wie u.a. „Das Wirtshaus im Spessart“, ist ein kompakt durchinszenierter Guss entstanden, nicht ganz frei von Klischees und Simplizitäten. Der „Staub“ auf dem Dolly-Stoff ist auch nicht so leicht weg zu spielen, sitzt er doch im Inhalt: Der ältliche reiche, geizige Witwer Horaz Vandergelder schikaniert seine Umwelt und wird von der jugendlich agilen Heiratsvermittlerin mit unzähligen weiteren Berufsbildern Dolly Meyer an unmögliche Heiratskandidatinnen vermittelt, damit sie ihn schließlich am Ende endlich selbst bekommt. Weibliche Raffinesse macht´s möglich: Die mehr als Rock- und Soul-Sängerin bekannte Elisabeth Markstein spielte die Dolly schlank, schlagfertig und sängerisch auf Musical eingestellt als charmante Frau, die weiß, was sie will. Vielleicht fehlte manchmal ein wenig weibliche Anschmiegsamkeit - auch in der Gesangsstimme - und Reife in der Ausstrahlung. Ihr Gegenpart, László Varga, als verbiesterter Hagestolz und Ausbeuter bedient alle Klischees dieser Rolle bis fast zum versöhnlichen Ende, und bis in Maske und Kostüm (Brigitte Golbs) hinein mit unendlichen Koteletten und langweiligem Anzug, damit ja auch der letzte Uneingeweihte merkt, wessen Geistes Kind dieser Mann ist. Mit nur zwei, allerdings wirkungsvoll maskulin gesungenen Titeln und viel Text sowie etwas Selbstironie boxt sich Varga durch die Rolle.
So richtig weiß man dann allerdings doch nicht, warum die Dolly so scharf auf das Ekel ist. Wird es wohl schließlich doch am Gelde liegen?! Hello_Dolly_HP2-296
Bezaubernde Spielstudien liefern die zwei bis drei Buffo-Paare: Die verwitwete (im prüden Amerika scheint es keine Geschiedenen, sondern nur solche Frauen mit totem Mann zugeben!) Hutmacherin Molloy der Therese Fauser und der Cornelius Hackl, Komis beim Vandergelder, des Jason-Nandor Tomory war das perfekte Duo des Abends, beide sangen wunderbar, spielten und tanzten mit Lust und Esprit und schauspielerischer Vielfalt. Assistiert wurden sie von  Minnie Fay, der hübsch plappernden Kerstin Maus und des 2. Komis Barnaby Tucker, des Österreichers Marcel-Philip Kraml, mit gekonnt tänzerischen, manchmal artistischen Einlagen. Samuel Schaarschmidt als Kemper versucht die ständig plärrende Nichte Vandergelders, Ermengard (Christiane Schlott) bei ihrem Ausbruch ins Erwachsenwerden zu beruhigen. Auch wenn solche Heul-Ausbrüche im Textbuch stehen, sollte man sie heute ein wenig anders zicken lassen.
Zu den exaltierten Hochzeiterinnen der Dolly gehörte die Ernestina der Bettina Corthy-Hildebrandt, mit der Vandergelder wahrlich nicht die reine Freude hatte. Am schönsten ausstaffiert u.a. mit einem waren Hutwunder spielte und trällerte sie komödiantisch, ein schönes Bein zeigend, über die Bretter. Juliane Roscher-Zücker gab die Gerichtssekretärin in verhaunem sächsischem Erzgebirgisch, und Leander de Marel hatte mal wieder alle Lacher auf seiner Seite – sowohl als Richter und zum anderen als Oberkellner Rudolf, der die Schar der die Dolly anhimmelnden Kellner anführt. Das Publikum hat von der mit ihm besetzten Rollen zwar noch mehr Witze und Bonmots erwartet, was das Textbuch nicht hergab, aber er war genau wieder mit dem passenden Ton im Louis- Armstrong-Sound zur Stelle: Extra-Applaus! 
Aber was wäre die „Dolly“ ohne die Musik aus dem Graben, die man zu gerne live auf der Bühne erlebt hätte.
Der 1. Kapellmeister der Erzgebirgischen Philharmonie Aue, Dieter Klug, hat mit den seinen Musikern großartig gezaubert: Die Märsche mit Swing gewürzt, die akzentuierten Ragtimes, die Bläser mit Spaß am Schrägen, genau solistisch brillanter Klang und das Schlagzeug als Feuerwerk des Abends. Der Star des Abends war dieses Orchester unter diesem Dirigenten. Mehrfaches Bravo!
Und so konnte die gut gezirkelten, Schweiß treibenden, ja artistisch gewürzten Choreographien von Kirsten Hocke und der Assistenz von Susi Žanić vergessen lassen, dass es sich meist nicht um Berufstänzer handelte. Der Chor (mit Extrachor und Coruso e.V.) unter der versierten Leitung von Uwe Hanke hatten den überaus aktiven Backround, die skurrilen Typen auf Straße und im Harmonie-Garden zu liefern, taten das mit Wohlklang und Spielfreude. So entstand ein farbige reanimierte Dolly-Version, die sich sehen lassen kann.
Das immer noch attraktive Genre des literarisch geprägten klassischen Musicals bietet reichliche und niveauvolle Kurzweil für alle Altersklassen. Ein toller Erfolg und Kassenfüller noch dazu zum Spielzeitende.

E. Figura
Fotos: Theater/Dirk Rückschloß

Nächste Vorstellungen: 17./29.4., 19.30 Uhr