LESERPOST
ÜBER UNS
IMPRESSUM
WERBEN

Gegründet 1807

www.annaberger.info

Wiedergegründet 2011

    POLITIK   WIRTSCHAFT   KULTUR   LOKALES   HISTORISCHES   STADTFÜHRER    WEIHNACHTEN im Erzgebirge

 

THEATER ABC

 

 


 

Porina langeana

Vor 50 Jahren starb der in der Fachwelt hochgeschätzte Annaberger Natur- und Heimatforscher Hermann Lange, der sich nicht nur wissenschaftlich mit der heimischen Pflanzenwelt befasste, sondern auch neuere Einsichten in die Heimatgeschichte beförderte, die einer Neu- oder Wiederentdeckung harren. Lange (Andere)

Am 25. Juni jährt sich der 50. Todestag von dem vermutlich nur in Fachkreisen bekannten Natur- und Heimatforscher Hermann Lange aus Annaberg. Hier wurde er am 4. März 1884 als Sohn der Haushaltslehrerin an der Dresdener Fortbildungschule Käthe Wirth und dem Kaufmann, Hobby-Naturforscher und Stadtrat Friedrich Lange geboren. Die Liebe zur Natur und Geschichte seiner Heimat sowie deren gründliche Erforschung wurde über die Eltern früh angeregt. Hermann Lange war nach dem Besuch des Lehrerseminars als Hilfslehrer in Schlettau und später an der Annaberger Pestalozzi- bzw. Annenschule tätig. Parallel zu seiner pädagogischen Arbeit, beschäftigte sich der Autodidakt frühzeitig auch mit der Erforschung der heimischen Pflanzenwelt. Fast fünfzig Jahre widmete er sich als einer der gefragtesten und unermüdlichsten Mitarbeiter an der Kartierung der Pflanzen und deren Vorkommen in ganz Deutschland, aber insbesondere im Raum Annaberg, Oberwiesenthal und Hammerunterwiesenthal, von denen an die 2.500 Messtischblätter existieren sollen. Große nationale Anerkennung bekam er für seine Arbeiten über die Entdeckungen von Flechten und Moosen in Sachsen, von denen bisher nichts bekannt war. So hat man sogar einige dieser Gewächse nach ihm benannt: Porina langeana (eine kugelige Flechtenart) oder Verrucaria langei tragen seinen Namen in ihrer wissenschaftlichen Bezeichnung in alle Welt.Lange 2 (Andere)
In seinen beiden im Selbstverlag veröffentlichten Arbeiten „Hortus Annaemontanus nach der Chronik des M. Paulus Jenisius, Annaberg i. Meißen" (die er 1938 unter dem Pseudonym „Soldat Nagel“ - im Namen Nagel steckt Lange) veröffentlichte und „Rings um den Drebacher Pfarrgarten. Zusammengetragene Nachrichten und Bemerkungen" von 1940 verbindet er botanisches Wissen und heimatgeschichtliche Forschung. Darüber hinaus hat er im Zeitraum von 1919 bis etwa 1964 unzählige Beiträge zu den „Berichten des Annaberg-Buchholzer Vereins für Naturkunde" und in „Kultur und Heimat“ sowie in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht.
In den letzten Jahrzehnten wandte er sich immer mehr heimatgeschichtlichen Fragen zu.
So erarbeitete er u. a. eine Aufstellung aller Häuser Annabergs und deren Besitzverhältnisse bis ins 16. Jahrhundert zurück, die für die weitere Erforschung der Geschichte der Stadt Annaberg und ihrer wirtschaftlichen Entwicklung Hinweise gibt und von bedeutsamen Wert ist. 
So hat er bei seinen vielen Arbeiten im städtischen und dem Landesarchiv wichtige, bisher unbekannte Tatsachen gefunden, die zur Berichtigung von falschen Darstellungen einiger Chronisten führten, die solche ohne Nachprüfung einfach abgeschrieben hatten, wie es z.B. mit der Geschichte unseres „Wilden Manns“ geschehen ist (siehe dazu Text unten).
Interessant dürfte – neben zahlreichen anderen heimatgeschichtlichen Beiträgen – auch sein Aufsatz „De cerevisiis Annaebergensium - Nachricht über die Annaberger Bierverhältnisse“ mit ca. 100 Kneipenbildern aus Annaberger Gasthöfen (1960) sein.
Diese, wie so viele andere Schriften des überaus aktiven Annaberger Natur- und Heimatforschers Hermann Lange harren noch der Entdeckung oder Wiederentdeckung, auf alle Fälle aber der gründlichen Auswertung. Ein Vielzahl seiner Schriften verwahrt das Annaberger Erzgebirgsmuseum auch zu diesem Zweck in seiner Bibliothek.                  

red.
 

Text von Hermann Lange zum Thema „Wilder Mann“ in Annaberg:

Eine schleierhafte Sache um ein Annaberger Haus

Im Augustheft 1957 dieser Zeitschrift spricht Helmut Breitung von der Undurchsichtigkeit der Berichte über die Belagerung Annabergs 1547 durch das Stadtkind Wilhelm Thumshirn. Wir haben von dem Vorgang überhaupt nur recht wenig Nachrichten. Der Stadtchronist Paul Jhenisch ist sehr vorsichtig. Fast 150 Jahre später erst bringt uns Christian Lehmann in seiner „Kriegschronik“ den Text: „... mußten sie sich ergeben auf folgende puncta: 1. Der Rath, Gemeine und alle Bürger, auch das Bergampt sollten bey ihrer Gerechtigkeit und Bergfreiheit gelaßen und erhalten werden. 2. Niemandt auß der Stadt sollte gezwungen werden wieder ihren Hertzog ins Feld zu ziehen, 3. sondern jedermann vergonstigt sein, wer da wollte, das seine zu verkaufen und aus der Stadt zu ziehen. 4. Die Bürgerschaft sollte mit einquartierung, schazung und ufflagen verschont bleiben. Das wurde nicht gehalten, sondern musten 300 zu fuß in die Quartier nehmen und 5000 gulden brandschazung geben. Über dies wurde das Haus Hans Hünerkopfs geplündert, und auch ein Soldat drüber erstochen, und wehre mehr Unglück gestiftet worden, wo sie nicht einen Galgen uffn Markt hetten gebauet.“ Lange 3 (Andere)
Der genannte Hans Hünerkopf kommt aber nirgends als Hausbesitzer vor. Nur im 6. GartenLehnbuch tritt er 1576 auf als Herr von Plaussigk (bei Leipzig!).
Er verzichtet dort auf seinen „gebürenden und väterlichen anerben dritten Teil an dem freyen Wohnhause am Markte mit aller desselben zugehörenden gerechtigkeit“.
Dieses Haus war von seinem Vater Wolf Hünerkopf 1534 erkauft und ist uns unter dem Namen „Wilder Mann“ geläufig. Es war vorher ein Besitz der Thumshirne. Dadurch erscheint seine Plünderung als eine persönliche Auseinandersetzung zwischen beiden Familien, wie auch A. Schuster im Silbernen Erzgebirge I S. 154 vermutet. Doch lagen die Dinge anders. Die Besitzverhältnisse des Hauses sind auf den ersten Blick zunächst verworren, da das Hauslehnbuch für diese Zeit eine Lücke von ca. 70 Jahren aufweist. Reiche-Eisenstuck geht in seiner Arbeit: Die Belagerung Annabergs i. J. 1547 (Rückblicke III, S. 107) überhaupt nicht auf die Angelegenheit ein. Über den obengenannten Hans Hünerkopf ist in Annaberg nichts aufzufinden. Nur das 1945 in Dresden verloren gegangene Mscr. Q 127 der Landesbücherei enthielt für das Jahr 1518 die Notiz: Magister Wolff v. Elterlein, unser Pfarrherr kömbt mit seinen zween Caplänen, Herrn Wolff Zugemies und Herrn Moritz in Zwiespalt wegen ihrer Trunkenheit, darumb Herr Moritz von Hanß Hünerkopf erstochen ... es weiß aber noch niemandt, wie die Sache vetragen worden ...“ Da nach dem damaligen Brauche sich kein Totschläger in der Bergstadt aufhalten durfte, ist Hans Hünerkopf hier verschwunden. Er wird aber von Lehmann genannt, da er ja das Haus z. T. mitbesaß. 1604 brannte das Haus beim großen Stadtbrande mit ab. Die Ruine wurde von dem Bürgermeister Balthasar Zickler (der bis dahin den ebenfalls weggebrannten Gasthof zum Einhorn besessen hatte) erworben. Bei den Verhandlungen tritt das Haus als „Freihaus“ auf. Es gehörte ja den adligen Hünerkopfs und stand nicht mehr unter dem Stadtgericht, sondern unter der direkten Verwaltung der fürstlichen Kammer. Dem Kaufeintrag ist deshalb die Abschrift einer fürstlichen Bewilligung beigefügt, in der ausdrücklich betont wird, daß das Haus von nun an wieder „in Erbe“ unter der Gerichtsbarkeit der Stadt gehe. Das ist 1609. Deshalb ist das Haus um 1547 als ein direktes fürstliches Lehn zu werten. Lehmanns Nachricht läßt nun die Möglichkeit offen, daß die damalige Verhandlung mit Wilhelm Thumshirn nur die städtischen Belange einschloß, da es unter der Botmäßigkeit des Fürsten stand, den er ja bekämpfte. Es war für ihn „gute Prise“, wie das Kriegsrecht bis heute sagt. Hatte man im Rate die Sachlage versehen? Jedenfalls bedeutete hinterher die Plünderung des fürstlichen Hauses für den regierenden Bürgermeister Caspar Kürschner und die beiden Ratsherren Valentin Beier und Hans Staffel eine zusätzliche Belastung. Der Besitzer Hünerkopf hat wohl auch etwas geschürt. (?) Da der Bruder Steffan Hünerkopf auf Wiesa Mitbesitzer und schließlich Alleinbesitzer des Hauses war, könnten vielleicht die Rittergutsakten von Wiesa weitere Auskunft geben; leider sind sie zur Zeit wegen Ablieferung nicht greifbar.

Quelle: Hermann Lange, Annaberg-Buchholz, in Kultur und Heimat, 6. Jahrgang, Annaberg-Buchholz, Juni 1959, S. 90 f.