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Bürgernähe

Nachdem die Räte auf ihrer 9. Sitzung den Haushalt für die Stadt Annaberg-Buchholz am Donnerstag einstimmig beschlossen hatten, verlief dann auch die Vorstellung der vier OB-Kandidaten im überfüllten Erzhammer-Saal am Freitag nahezu harmonisch.

Manch ein Stadtrat sprach von einem historischen Ereignis, als alle Hände am Donnerstag hochgingen, um den Haushalt 2015 ohne Gegenstimmen oder Stimmenthaltungen zu beschließen. Das zeugt von einer sehr guten Vorarbeit durch die Kämmerei (Applaus für Frau Christine Engelhardt) sowie einer umfangreichen, zielführenden Diskussionen in den Ausschüssen. 

Auf diesem relativ stabilen Hintergrund einer soliden Haushaltsplanung basierte dann auch die Vorstellungsrunde im Erzhammer. Protokollarisch korrekt aufgereiht saßen sie etwas nervös hinter ihren Saftflaschen und Keksen auf der Bühne: Steffen Simon (CDU), Frank Dahms (DIE LINKE), Rolf Schmidt (Wir für unsere Stadt), Michael Heinz (SPD). 
Die Fragen an die Kandidaten vom Podium (recht gut moderiert von den Herren Luksch und Wittig von der Freien Presse) oder aus dem Publikum konnten fast alle auf der Beschlussgrundlage vom Vortag beantwortet werden. Selbst die beiden Kandidaten, die keine Stadträte sind, die man aber auch in den vergangenen öffentlichen Ratssitzungen nicht antreffen konnte, versuchten teilweise sachkundig mitzureden. Stadtrat 3
Gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen OB-Kandidaten waren dabei kaum auszumachen. Alle wollen hauptsächlich Bürgernähe praktizieren. Dabei setzt der eine mehr auf das Zugehen auf die Probleme der Bürgerschaft, während ein anderer das offene Rathaus favorisiert, der nächste sich keine Einbahnstraßen in der Kommunikation wünscht.
Auch im sozialen Engagement gibt es nuancierten Konsens. Ebenso beim wirtschaftlichen Aufschwung, den Abwanderungsstopp der Jungen, beim sich mehr Kümmern um die Senioren, die Kinder, auch bei der Ankurbelung der Reserven im Tourismus wurde weitestgehend Einigkeit demonstriert. Ebenso bei Drogenbekämpfung, der  Förderung der Vereinstätigkeit oder beim Erhalt der historischen und kulturellen Substanz der Stadt sind keine wirklichen fundamentalen Unterschiede zwischen den einzelnen Kandidaten auszumachen gewesen.
Was allerdings die Konkretheit bei der Umsetzung anhand von griffigen Beispielen angeht, so gab es an diesem Abend nur einen Souverän. Da sich aber diese Zeitung die Selbstverpflichtung auferlegt hat, keine Wahlwerbung für die Kandidaten zu machen, oder gar eine Wahlempfehlung auszusprechen, wird hier auch kein Name zum jeweiligen Thema genannt.Stadtrat 1
Versagt haben schließlich alle Kandidaten bei den nicht gestellten Fragen nach den Primär-Ursachen für die Jugend-Abwanderung auch aus unserer Stadt, noch immer vorhandene Arbeitslosigkeit, soziale Benachteiligungen der Alten, Billiglohn-Jobs, enorm Facharbeitermangel... - nur einer der Kandidaten machte ganz am Anfang auf den nahezu 50%igen Unterschied zwischen West- und Erzgebirgsgehältern aufmerksam. Sich dann in die Bemerkung – unter Köpfenicken der anderen – auf den Standpunkt zurück zu ziehen, dass daran ein OB sowieso nichts ändern könne, das Übel ein zentrales sei, greift zu kurz. Ein Stadtparlament hat durchaus einige Möglichkeiten, Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein höheres Maß an sozialen Frieden in der Stadt garantieren und gegen Schwarze Unternehmer-Schafe – z.B. im Bündnis mit den Gewerkschaften oder/und staatlichen bzw. ehrenamtlichen Kontrolleuren – vorzugehen. Das gute Klima, für das sich alle Kandidaten bezüglich ihres Umgangs mit der Verwaltung im Rathaus aussprachen, kann so auch noch besser in der gesamten Stadt zur Wirkung kommen.Stadtrat 2
Das Fazit aus dieser Veranstaltung: Stellt man notwendig hohe Ansprüche an die zukünftige Stadtführung, an eine Persönlichkeit, die Annaberg-Buchholz wirklich zur Hauptstadt des Erzgebirges mit europaweiter Wirkung entwickeln kann, dann ist dazu vermutlich kaum einer der Kandidaten für diese Position geeignet, weil sich jeder irgendwie überschätzt, parallel zur Unterschätzung der bevorstehenden Aufgaben für die Stadt. Möchte man aber, dass die bisherige leicht gebremste Leidenschaft weiter in unserem Rathaus wenig falsch und vieles richtig macht, dann stellt sich die Frage, wozu wir – auch angesichts der hohen Personalkosten von 12,5 Millionen Euro – einen OB brauchen? Wer die Ratssitzungen unter Bürgermeister Proksch in den vergangenen Wochen verfolgt hat, dürfte sich dieser Überlegung – zumindest theoretisch - durchaus anschließen können. Aber auch praktisch würde die Stadt ohne OB, nur mit einem B, durchaus nicht im Hades versinken, sondern vielleicht die so eingesparten OB-Kosten in soziale Bereiche investieren können.
Keine Sorge, das waren nur geflüsterte Hirngespinste am Rande der Veranstaltung, die sicherlich noch nicht zum allgemeinen Gedankengut unter der Bürgerschaft unserer Stadt gehören dürften.
Die hat nun am Frauentag die Wahl unter vier Männern, von denen, nach ihren bisherigen Auftritten, eigentlich nur einer die notwendige Intelligenz, relative Unabhängigkeit, ein gewisses Charisma und die Fähigkeit zur Kontinuität mit Perspektive besitzt. Und selbst der dürfte dafür sein, „dass die Bäume in unserer Stadt immer grün sind...“, - um auch noch die ökologische Publikumsfrage beantwortet zu haben. 
Übrigens: Die Kekse auf dem Kandidatentisch wurden nicht angerührt. Ob das schon ein Symbol für die ausgemachte Sparsamkeit des zukünftigen OB sein kann, oder nur bürgernahe Solidarität mit dem von Keksen und Getränken freiem Publikum demonstrieren sollte, wird sich demnächst zeigen...

red.