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TORGAU als Hauptstadt der Reformation

Der einstige reiche und würdige Fürstensitz der ernestinischen Sachsenherrscher ist vom 15.5. bis 31.10.2015 faszinierender und authentischer Ort für die erste von vier repräsentativen Ausstellungen „Luther und die Fürsten“ zum 500. Jubiläum der Reformation 1517 und ihrer weitreichenden Auswirkungen in Europa.Torgau Markt 1 (Andere)

Die Stadt Torgau hat schon immer und auch in neuerer deutscher Geschichte wichtige Kapitel mit geschrieben. Bekannt für eines der schönsten, leider seltenen Symbole brüderlicher Handschläge zum Ende des zweiten Weltkrieges an der Elbe bei Torgau zwischen den russischen und amerikanischen Befreiern Europas vom Hitlerfaschismus, ist die ganze Stadt nunmehr im Fokus der fast 500 jährigen Faszination, die Luther mit seinen 95 Thesen von Wittenberg aus anstieß. Hier auf Schloß Hartenfels befindet sich einer der Fürstensitze des damals noch viel größeren Sachsens, von wo aus der Schutz des durch die römisch-katholische Kirche gefährdeten Reformatoren Martin Luther, Philipp Melanchthons u. a. Schutz und Unterstützung zuwuchs. Gleichzeitig wurden die folgenden Bauern- und Religionskriege, wo es wie immer schon um Einflusssphären und Machtgewinn ging, geplant, aber auch Verträge zu den berühmten Religionsfrieden ausgehandelt. Torgau war der Mittelpunkt der Reformationszeit, die alle Lebensbereiche der Menschen beeinflusste und veränderte, die politische Landkarte neu gestaltete, und trotz Luthers Zeit bezogenen Begrenztheiten, Grundlage freien Denkens und Handelns der Menschen in Europa gelegt hat.
Nicht ohne Grund war Kaiser Karl V. 1547 hier zu Gast und konnte sehr standesgemäß mit seinem beachtlichen Tross im Renaissance-Schloss Hartenfels - das größte dieser Art in Deutschland - beherbergt werden. Kein Wunder also, dass die  Kunstsammlungen Dresden, der Landkreis Nordsachsen und die Große Kreisstadt Torgau die Ausstellung „Luther und die Fürsten, Selbstdarstellung und Selbstverständnis des Herrschers im Zeitalter der Reformation“ hier ansiedelten, wo in der Stadt über 500 Einzeldenkmäler zu besichtigen sind, so auch das Sterbehaus und der Epitaph von Katharina Luther, geborene von Bora.

Neben dem Schloss kann die Fürstliche Kanzlei und die Superintendentur mit vielen Dokumenten, Portraits und Siegelringen der Reformatoren sowie „Presserekationen“ auf Flugblättern besichtigt werden (Eintrittskarte für Ausstellung gilt auch hier), auf denen die Gegenseiten den sogenannten „Antichristen“ angriffen und schmähten.Torgau Schloss (Andere)

Zunächst nähern sich Besucher meist über den wunderbar großzügigen Renaissance-Markt mit Rathaus und mehrstöckigem Erker dem Schlossbereich, der in seiner Komplexität der baulichen Vielfalt seines Gleichen sucht. Vor dem Prachtbau Schloss Hartenfels dann ein großer Bärenzwinger mit den Bären, die vor der Entstehung der Residenz bereits dort leben und von der Jagdleidenschaft der Fürsten künden. Das Schloss selbst ist ein vollständiges Geviert, vorn über die Zugbrücke die schönen Renaissance-Giebel im Blick, betritt man durch das mit dem Ernestinischen Wappen geschmücktes Tor den geräumigen Innenhof. Am Eröffnungswochenende der Ausstellung 15.-17.5. 2015 fanden viele Veranstaltungen zum Schloss selbst und rund um die Ausstellung statt, deren Höhepunkt wohl die Einweihung des prunkvollen Wendelstein an der Innenschlossfassade war.

In der Ausstellung werden auf 1.500 Quadratmetern Artefakte vom Jahr des Römischen Generalablasses 1515 bis 1591 sowie dem Torgauer Bündnis gezeigt. Aus Torgau selbst, dann aus den Dresdner Sammlungen, aber auch von weit her, aus dem Kunsthistorischen Museum Wien, dem Louvre Paris, dem Museum of Art New York bis Cleveland, London, Rom und der Schweiz wurden Prachtstücke der Dokumentation und der Prachtausstattung der Fürsten herbei geschafft. So ist von 1515 der Generalablass zum Bau des Peterdomes in Rom, die besonders prachtvolle Mitra des Kardinals Albrecht von Brandenburg, der Zirkel Michelangelos aus der Dombauhütte von St. Peter zu sehen. Im Jahr 1517 stehen die gedruckten 95 Thesen Luthers, deren Anschlag an die Wittenbergische Kirchentür nicht belegt ist, im Zentrum. Viele Bildnisse der Reformatoren aus den Werkstätten der Familien Lukas Cranach, die in vielen Exemplaren gemalt worden sind und an Verehrer und Fürstenhöfe Europas gesandt wurden, machten auch die Künstler reich und bekannt. Darunter auch das Porträt Friedrich des Weisen (Cranach d.Ä.), dem Schutzherren Luthers und Stadtgründers von Buchholz (Foto). Friedrich der Weise (Andere)

Ein besonderer künstlerischer Höhepunkt der Schau ist das Gemälde „Hofjagd auf Hirschen und Bären“ von 1540 mit authentischen Fürstlichkeiten und dem Schloss Hartenfels im Hintergrund. 1521 war der Reichstag in Worms, auch hier belegen grafische Bildnisse von Luther und die Sturmhaube Kaiser Karl V. dieses Jahr. Luther auf der Wartburg 1522 mit dem Bildnis als Junker Jörg  sind zu sehen. Der Siegelring Luthers liegt in den Vitrinen zum Reichstag in Augsburg im Zusammenhang mit dem „Augsburger Bekenntnis“, gefolgt vom Herrschaftsantritt Johann Friedrich des Sanftmütigen als Kurfürst von Sachsen. Die blutigen Schlachten am Mühlberg werden illustriert von Harnischen, Schwertern und Degen, die die hohe Kunst der Waffenschmiedens zeigen wie auch Trinkpokale u.a. aus einer Glashütte aus Marienberg im Erzgebirge, das mit seinen Silberfunden nicht unwesentlich zum fürstlichen Selbstbewusstsein, der Machtfülle und dem Glanz der Sachsen beigetragen hatte. Politische Gegenspieler sind durch seltene und fragile textile Kampf-und Prachtgewänder von Moritz von Sachsen gegen Kaiser Karl V. Charakterisiert, und das Kurfürstenpaar Anna und August von Sachsen aus den Dresdener Kunstsammlungen sowie der Rüstkammer glänzen durch Stil und Eleganz.
Das Dokument des Augsburger Religionsfriedens schließlich ist Beweis, dass Unglaubliches in kriegerischer Zeit möglich ward, das durch den 30jährigen Krieg 100 Jahre später aufgehoben werden sollte, aber einzig in seiner Zeit blieb und wirkte. Ein besonders fein gearbeitetes Metallbildnis des Hl. Bennos von Meißen (Leihgabe der Metropolitankichenstiftung an das Diözesenmuseum Freising) steht für die Zeit des Trienter Konzils, auf denen zwischen 1545 und 1563 die römisch-katholische Kirche nicht um eigene Reformen wegen ihrer Glaubwürdigkeit Willen umhin kam. Schließlich die Zeit 1591 des gescheiterten Torgauer Bündnis, belegt durch einen „Stehenden Löwen“ aus dem Grünen Gewölbe in dem Johann Casimir von der Pfalz mit Kurfürst Christian I. die Zeit der Reformation zurück schrauben wollten.
Die Ausstellung bietet manch Überraschendes: Die so noch nicht gezeigte Vielfalt von Originalen im Torgauer Rahmen (die Besucher sollten sich die wunderbaren Balken- und Kassettendecken nicht entgehen lassen!) erhalten in dieser Ausstellung selten erlebte Wahrhaftigkeit und Bedeutung. Dass auch Portraits der Schweizer Reformatoren Calvin und Zwingli gezeigt werden, wunderbare Holzreliefs aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien hier Glanz verbreiten, untermauert den Wirkungsradius der Reformation.

Leider waren nicht alle Stücke durch den Audioguide beschrieben (daher die zusätzliche Drei-Euro Gebühr zu den 10 Euro Eintrittsgeld nicht gerechtfertigt!) und die textliche Beschilderungen sind oft zu klein und im Dunklen angebracht, manche neue Sicherheits-Vitrine in hellem Kiefer hätte durchaus etwas künstliche Patinierung vertagen können.
In der Einheit von historischem Ort und Artefakten jedoch konnte die Ausstellung nicht bessere Platzierung erhalten.
Möge Torgau davon profitieren!

Eveline Figura

„Luther und die Fürsten“
Ausstellung im Schloss Torgau bis 31.10.2015

Besucherservice: Tel.:0049(0)351-49142000
E-Mail: besucherservice-torgau@skd.museum