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Annaberg-Buchholz - Hauptstadt des Erzgebirges?

Ein Beitrag zur Diskussion

Annaberg-Buchholz hat diesen Titel aus historischer und aktueller Sicht längst verdient. Dabei bleibt sie dennoch jene Berg-Stadt, in der ein Adam Ries 36 Jahre wirkte, aber auch andere bedeutende, aber oft vergessene Persönlichkeiten geboren wurden und Annaberg auch internationales Ansehen verschafft haben.

12. Jan. 2012.

Schon immer war Annaberg die „heimliche Hauptstadt des Erzgebirges“, insbesondere zu jener Zeit als Berlin die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik und Bonn die des anderen Teiles Deutschlands war. Aber auch davor, zu Kaiser und Königs Zeiten, als man solche Städte wie Dresden und auch Berlin mit den Reichtümern aus der Erde des Erzgebirges und mit den Körper- und Geisteskräfte seiner Menschen zu einer Residenz- bzw. Hauptstadt machte, war sie immer ein regionales Zentrum mit kleinstädtischen Hauptstadt-Charakter, während heutige Hauptstädte damals noch schlammige Provinznester waren.

Auch zu Zeiten, als die Amtshauptmannschaft ihren Sitz in dieser Stadt hatte und das Konsulat der USA auf der Buchholzer Straße sich um die Vermarktung der hiesigen Posamenten kümmerte. Annaberg war nahezu zu allen Zeiten das städtische Zentrum der Montanregion Erzgebirge, was bei der Anerkennung dieser Gegend als UNESCO Kulturerbe keine geringe Rolle spielen dürfte. So entwickelte sich Annaberg, auch später als Doppelstadt mit Buchholz, über einen langen Zeitraum hinweg zum unangefochtenen Herzstück unserer Region mit all den Merkmalen einer richtigen Hauptstadt, - nur eben alles etwas kleiner, ruhiger, charmanter.

Annaberg war nicht nur zu fast allen Zeiten das politisches Zentrum, sondern ist heute auch der Mittelpunkt von Industrie, Wissenschaft, Kunst und Kultur des Erzgebirgs-Kreises mit einer beachtlichen Fläche von 1.828,35 km², auf der in 28 Städten und 40 Gemeinden ca. 368.200 Menschen leben. Diese Region ist der an Einwohnern reichste Landkreis in Ostdeutschland mit der höchsten Industriedichte in ganz Sachsen.

Wer noch immer meint, dass der Bergakademie-Stadt Freiberg wegen ihres Alters, ihrer Größe und ihrer internationalen wissenschaftlichen Ausstrahlung eher der Hauptstadttitel zustünde, der sollte wissen, dass die Universitätstadt Freiberg (wie sie sich selbst vermarktet) seit der Kreisreform nicht zum Erzgebirgskreis gehört, daher auch nicht dessen Hauptstadt sein kann, sondern das Zentrum des Landkreises Mittelsachsens darstellt.

Mit ihren über 22.000 Einwohnern ist die Hauptstadt Annaberg-Buchholz zudem seit der Kreisreform vom 1. August 2008 Verwaltungssitz des Landrates des Erzgebirgskreises. Mit ihrem Status, eine Großen Kreisstadt zu sein, verfügt sie über ein überregionales, erzgebirgsweites Verwaltungs- und Dienstleistungsnetz. Die Agentur für Arbeit hat hier ihren Sitz, der Tourismusverband und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den gesamten erzgebirgischen Landkreis haben sich hier eingenistet. Hier konzentriert sich das gesamte Handels- und Dienstleistungsgewerbe.

Zahlreiche Alleinstellungsmerkmale

Annaberg-Buchholz hat aber nicht nur alle Merkmale einer regionalen Hauptstadt aufzuweisen, sondern sie verfügt auch übe zahlreichen Alleinstellungsmerkmale, wie man heutzutage die  Besonderheiten, Einmaligkeiten einer Stadt bezeichnet zu denen auch die Tatsache gehört, dass der Rechenmeister Adam Ries hier 36 Jahre gewirkt hat. Die Stadt verfügt also über historische, technische, kulturelle und künstlerische Zeichen, wie sie in dieser Konzentration keine andere Stadt im Erzgebirge aufzuweisen hat (in ungeordneter Reihenfolge u.a.): Sie hat die größte Dichte aktiver Kunsthandwerker, die höchste Kulturdichte gemessen an Veranstaltungen pro Einwohner, ist das Zentrum traditioneller und moderner Posamentenindustrie, besitzt eine überdurchschnittliche Konzentration von Versorgungseinrichtungen (z.B. Supermärkte, Bäcker- und Fleischerhandwerk) pro Einwohner, die größte spätgotische Hallenkirche ganz Sachsens, die einzige Bergkirche der Region, die einzige Kirche in ganz Sachsen mit einer Außenkanzel (Trinitatiskirche), die umfangreichste Privatsammlung an erzgebirgischer Volkskultur, das dichteste Netz von Museen, eines der ältesten Hammerwerk der Welt, die meisten Besucherbergwerke (dabei die einzige Stadt mit einem Besucherbergwerk mitten im Zentrum), die einzige Türmerfamilie Europas, die kleinste Stadt Deutschlands mit einem Zwei-Sparten-Theater, die größte Bergparade Europas, das größte und älteste Volksfest Sachsens (KÄT). In ihren Mauern sind solche Persönlichkeiten geboren worden oder haben hier mit internationaler Ausstrahlung gewirkt wie u.a. Erasmus Sacerius, Friedrich Myconius, Adam Ries, Barbara Uthmann, Christian Felix Weiße, Heinrich und Rudolf Köselitz, Emil Heyn, Familie Eisenstuck, Carlfriedrich Claus.

Es ist daher unnötig, Begründungen etwa für eine Berg-Stadt oder eine Adam-Ries-Stadt oder für beides zusammen zu ersinnen: Berge gibt es nicht nur in Annaberg-Buchholz. Und das Privileg sich Berg-Stadt nenne zu dürfen haben dutzende andere deutsche Städte auch. Auf den Rechenmeister hat sowohl seine Geburtsstadt Staffelstein als auch seine langjährige Wirkungsstadt Erfurt Anspruch. Außerdem sind Städte mit Namensattributen meist vergängliche Markenzeichen: Wilhelm-Pieck-Stadt Guben, Martin-Luther-Stadt-Wittenberg, Thomas-Münzer-Stadt-Eisleben oder Karl-Marx-Stadt. Die Namen von Luther, Münzer und selbst Karl Marx könnten sich noch viel mehr Städte anheften, da diese Persönlichkeiten nicht nur an den genannten Orten – an manchen sogar gar nicht – gewirkt haben.

Bonn nennt sich nicht Beethoven-Stadt, Frankfurt nicht Goethe-Stadt, Augsburg nicht Bertolt-Brecht-Stadt und Düsseldorf nicht Heinrich-Heine-Stadt, und unser Hartenstein kam auch noch nicht auf die Idee, sich als Paul-Fleming-Stadt zu bezeichnen. Man weiß oder weiß es eben nicht, wo diese Persönlichkeiten geboren wurden. Und wenn man in Annaberg-Buchholz weder im Erzgebirgsmuseum, noch in der Manufaktur der Träume und auch nicht im Frohnauer Hammer sowie im gesamten Stadtbild auf die Wirkungsspuren eines Adam Ries und auf dessen Museum in der Johannisgasse aus jahrelangem Mangel an einem aussagefähigen Stadtleitsystem hingewiesen wird, nutzt auch der Name als Stadt-Attribut nicht viel weiter.

Hauptstadt-Begriff formuliert Ansprüche und setzt Maßstäbe

Für den Hauptstadt-Begriff bedarf es dann nicht einmal eines neuen Logos, weder eines überteuerten behämmerten noch eines nicht viel preiswerteren verwursteten. Man kann also rund eine halbe Million an Logo-Entwicklungskosten einsparen, wenn man der einfachen Logik folgt und Annaberg-Buchholz ab sofort als die Hauptstadt des Erzgebirgs bezeichnet und davon ausgeht, dass sie noch dazu „Echt Erzgebirge“ ist und sie dabei auch weiterhin – vielleicht als Untertitel - als Adam-Ries-Stadt bezeichnet.

Natürlich beinhaltet der Hauptstadt-Begriff auch mehrere Anspruchs-Motive und setzt damit Maßstäbe. Es ist bekannt, dass in dieser liebenswerten Stadt bei weitem noch nicht alles in Ordnung ist und viele kritische Bemerkungen – leider dabei zu viele anonym formuliert – den Kern der Mängel und die dafür Verantwortlichen treffen. Aber mit dem Anspruch, Hauptstadt sein zu wollen, geht man vielleicht gemeinsam energischer, offener und konstruktiver auf die Mängelbeseitigung zu. Dabei können allerdings weder die Hauptstadt Berlin noch Sachsens Hauptstadt Dresden Vorbild für unsere Regional-Hauptstadt sein. Um unsere Sache müssen wir uns schon selber kümmern, damit Annaberg-Buchholz im Vergleich mit anderen Städten und auch Hauptstädten – ganz im Sinne unseres Stadtgründers Herzog Georg der Bärtige - bald wieder die Liebste unter ihnen werden möge...

Statt eine Adam-Ries- kontra Hauptstadt-Diskussion anzuzetteln wäre es geraten, das Image der Stadt nicht über eine Namens-Diskusssion verbessern zu wollen, sondern über ein aktives, sichtbares und vor allen Dingen kurzfristiges Marketing-Handeln zur Verbesserung des Ansehens der Hauptstadt des Erzgebirges sowie ihrer umfassenden Vermarktung einzuleiten und mit erkennbaren Ergebnissen zu untersetzen. Namen sind schließlich Schall und Rauch. Und der Worte sind nun wirklich genug gewechselt, wann können endlich Taten besichtigt werden, - und sei es nur erst mal in einer neuen oder wenigstens überarbeiteten Homepage für die Stadt??!!

Gotthard B. Schicker
 

 

 

 

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