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Sinn und Form

Verfehlte Marketing-Ziele in Annaberg-Buchholz

Die Stadt Annaberg-Buchholz braucht zuerst mehr Besucher, ein aussagestarkes Leitsystem, eine informative und ansprechende Homepage, kompetentes Vermarktungs-Personal, stärkere Kontrolle der Volksvertreter über die Administration - und dann auch mal ein einheitliches Erscheinungsbild...

Annaberg-Buchholz hat zwar eine Homepage, aber kleine erzgebirgische Dörfer haben oft bessere. Noch dazu eine modernere, ansprechendere, übersichtlichere und von ihren Funktionen her leichter zu bedienende. Keiner der Dorf-Räte oder Bürgermeister dieser kleinen Gemeinden wäre je auf die Idee gekommen, für die Erstellung einer solchen Homepage ca. 40.000 EUR einzuplanen, geschweige denn nur ein Viertel davon dafür auszugeben. In Annaberg schleppt man das Problem mit der noch immer nicht überarbeiteten bzw. neu gestalteten Homepage mit allen möglichen Unmöglichkeiten noch weiter in die Länge.
Hammerlinde (Andere)

Die alte Ratslinde in Annaberg/Frohnau.
Hier trafen die Stadtoberen mitunter weise Entscheidungen.
Im 16. Jahrhundert.

Noch über ein Jahr soll es nun nach neuesten Aussagen der Marketing-Chefin - und offenbar auch mit dem Segen der gewählten Volksvertreter - gehen, bis die Hauptstadt des Erzgebirges, die Stadt eines Adam Ries (!), über ein solch zeitgemäßes Informationssystem im Internet verfügt. Ein Medium übrigens, mit dem sich die meisten Besucher – und darunter nicht nur junge Leute – über unsere Stadt informieren, bzw. Buchungen der unterschiedlichsten Art vornehmen. Um so größer ist oft die Enttäuschung über dieses hinterwäldlerische Medienangebot sowohl inhaltlich als auch in seiner Erscheinungsform.

Internetpräsenz: Preiswert und schnell

Dabei dürfte es heutzutage auch für eine Stadtverwaltung in Annaberg-Buchholz überhaupt kein Problem mehr sein, innerhalb von etwa 30 Tagen (also nicht von zwei Jahren!) über eine attraktive und funktionale Homepage zu verfügen. Dazu bedarf es auch keiner 40.000 EUR und vermutlich auch keines langamtigen Ausschreibungsverfahrens. Wenn man schon nicht selbst in der Lage ist, sich über zahllose seriöse Angebote im Internet selbst eine solche HP zusammenzubasteln, so gibt es kleine Firmen, die sich auf die Einrichtung einer entsprechenden Internetpräsenz spezialisiert haben und dies für einen Preis um die 5.000 EUR als funktionierende Ausgangs-Homepage zuverlässig erledigen.

Eine Erweiterung (Seitenaufstockung, Verlinkungen, Formularbereiche u.ä.) kann nach jeweiliger Stadt-Kassenlage im folgenden Jahr ins Auge gefasst werden. Natürlich kann man auch Unternehmen finden, die Homepages für 40.000 EUR und mehr erstellt und sich über solche Ausschreibungen riesig freuen, da sie mitunter mit der Unwissenheit oder Naivität der Auftraggeber rechnen. Die Frage ist nur: Braucht so etwas unsere Stadt wirklich?

Das Ziel eines effektiven Marketings ist also nicht in erster Linie „ein einheitliches Erscheinungsbild“, wie kürzlich in einem Interview die Überschrift lautete.

Unterbelichtete Sehenswürdigkeiten

Das Ziel muss vielmehr endlich darin bestehen, mehr Besucher auf unsere Stadt, seine Sehenswürdigkeiten und ihr Umfeld mit modernen Mitteln aufmerksam und neugierig zu machen, dieses Annaberg-Buchholz besuchen zu wollen und hier ein paar erlebnisreiche Tage zu verbringen. Dazu ist das Medium Internet unabdingbar. Allerdings: Sollte es kurzfristig geschafft werden, mit einer modernen Homepage ein paar mehr Gäste in die Stadt zu locken, dann fehlt es hier noch immer an einem Stadtleitsystem, das im besten Wortsinne, die Gäste durch die Stadt leitet, führt, begleitet und sie in anschaulicher und informativer Weise zu den sehens- und besuchenswerten Stätten hin verführt. Das trifft ebenso für auf möglicherweise kostspieligen Messen akquirierte Besucher ebenso zu.

Wenn heute ein Fremder auf unserem Marktplatz oder an der Annen-Kirche eintrifft, wird er so gut wie nichts darüber erfahren, dass diese Stadt z.B. ein wunderbares Theater besitzt, mit einem erlebnisreichen Spielplan. Man müsste nur irgendwo gesagt bekommen, dass man sich dazu ein paar Schritte durch die Buchholzer Straße bewegen muss, um dieses Kleinod im sächsischen Raum genießen zu können. Ähnlich verhält es sich mit den seit Jahren fehlenden Hinweisen an zentralen Plätzen auf eine der Perlen unserer Stadt und ihrer Wiege: Den Frohnauer Hammer.

Nicht einmal in der Tourismus-Information findet sich eine markante Aufforderung zum Besuch dieses alten Hammerwerkes (das kürzlich dort unbeschriftet aufgestellte Modell ist wieder verschwunden). Aber wenn man – z.B. auf dem Markt oder an der Annen-Kirche stehend – nicht einmal den Weg zur Tourismus-Information gewiesen bekommt, wie sollen die Frauen dort hinterm Tresen dann Touristen über unsere Sehenswürdigkeiten informieren können... Aber hat man sie erst einmal ausfindig gemacht, erhält man meist sehr kompetente und freundliche Auskünfte sowie weiterführende Anregungen. Diese Leistungen, wie sie hier im kleinen und individuellen Rahmen vollbracht werden, gilt es endlich auf die gesamte Stadt zu übertragen – sowohl im direkten (z.B. Litfaßsäulen) als auch im virtuellen Sinne (z.B. HP).

Marketing-Ziele nach Prioritäten definieren

Dazu sind nicht nur andere Formulierungen sowie eine andere Prioritätensetzung der Marketing-Ziele erforderlich, sondern auch eine mit aufopfernden Wollen und kompetenten Können ausgerüstete Leitung dieses Bereiches. Das einheitliche Erscheinungsbild der Stadt ist sicherlich ein löbliches, aber letztlich ein sekundäres Unterfangen, solang es uns nicht gelingt, mehr Besucher mit attraktiven Angeboten in die Stadt zu bekommen, die dann auch das einheitliche Erscheinungsbild wahrnehmen. Aber auch das nützt nicht all zu viel, wenn der politische Wille von den Verantwortlichen im Rat der Stadt zwar vorhanden ist, aber nicht erkenn- und spürbar die Bürger und ihre Gäste erreicht.

Es nützt nichts, weiterhin auf Empfängen und bei anderen Gelegenheiten nur die Lichtblicke der Stadt noch zusätzlich zu beleuchten. Es kommt darauf an, die Bürger auch in die Beseitigung der Schandflecken mit einzubeziehen. Sehr viele wären dazu bereit, wenn man die Probleme beim Namen nennen und Vorschläge zu ihrer Beseitigung (und sei es nur die zunächst angedachten) benennen würde, sie mit in die demokratische Willensbildung und deren konkrete Umsetzung einbezöge.

Dass die Erstellung einer entsprechenden Homepage für die Stadt erneut auf den St. Nimmerleinstag verschoben wird, und dass als wichtige Aktivitäten im Rahmen des Weihnachtsmarktes für kommendes Jahr die Registrierung der anlandenden Busse und die Ausschilderung der drei öffentlichen Toiletten benannt werden dürfen, spricht eine berede Sprache, die Einiges vom Denken dahinter verrät. Es zeugt aber auch von der mangelnden Kontrolle der gewählten Volksvertreter über die sich offenbar verselbständigende Administration.

Es wird höchste Zeit, dass endlich konzeptionelle und auch personelle Schlussfolgerungen aus dieser Situation gezogen werden, um rechtzeitig potentielle Schäden von unserer liebens- und lebenswerten Stadt abwenden zu können.

red.

 

 

 

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