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Stimmungsvolles Berggeschrey in Buchholz

Bürgerstolze Ehrung Kurfürst Friedrich des Weisen zu dessen 550. Geburtstages mit viel schöner, alter Musik, Handwerkern, einem lehrreichen und amüsanten Theaterstück, einer verkleideten Oberbürgermeisterin, zwei höheren Amtsträgern, nur drei von fast 30 Stadträten - aber dafür einer übergroßen Menge gut gelaunten Volkes.IMG_0013

Es war am vergangenen Samstag nicht nur schönes Wetter, auch eine Vielzahl von Bürgern aus Annaberg und Buchholz waren noch froh gestimmt von der Féte de la musique am Vortage in Annaberg. Entfaltete doch der sonst im Schlafe liegende Buchholzer Rathausplatz seinen Charme mit alter Musik und dramatischer Stadtgeschichte unter seinen alten Linden.
Zu Füßen des einzigen Denkmals des Kurfürsten Friedrich des Weisen (und nicht „Felix der Weise“, wie fälschlich in der Freien Presse verkündet wurde!) war historisches Handwerkertreiben zu bestaunen oder mit zu tun bei Steinmetzen, Dachdeckern, Buchdruckern, Münzprägern, Schmieden und Schnitzern, Klöpplerinnen und Puppenmachern. Selbstredend war auch bei deftiger Versorgung für Magen und Kehle gesorgt. Umkleidet wurde diese Szene von Musik und Gesang aus dem 16. und 17. Jahrhundert, an der die Kantorei, der Flötenkreis St. Katharinens, der Buchholzer-Kleinrückerswalder Posaunenchor und am späteren Abend dann auch die etwas lautstarke Mittelalter (!)-Gruppe „Nachtwindheim“ mitwirkten. Ein großes Lob und viel Dank geht auch an Kantor Raimar Hartig, der nicht nur die Kantorei wunderbar zum Erklingen brachte, sondern auch durch geschichtskundige und amüsante Moderation die Fäden dieses schönen Festes in der Hand hielt.

Die Oberbürgermeisterin, Barbara Klepsch (Foto), war stilgerecht in einer prächtigen Renaissance-Robe erschienen, um die zahlreich erschienenen Besucher zu begrüßen, das großartige ehrenamtliche Engagement der  Buchholzer (und auch ein paar Annaberger) zu loben sowie eine geschnitzte Skulptur des Buchholzer Stadtgründers für das Berghauptmannszimmer im Annaberger Rathaus entgegen zu nehmen, die vom Holzbildhauer Klaus Feig angefertigt wurde, von dem auch schon die Figur des Georg des Bärtigen stammt.. IMG_0043

Höhepunkt des Tages war jedoch zweifellos die Aufführung des Theaterstücks „550 Jahre Friedriche der Weise“ von Matthias Förster, der in ganz und gar nicht devoter Weise die historischen Verdienste eines der wichtigsten Förderer der Reformation in Szene setzte. Folgerichtig begannen die Spielszenen auf fünf Ebenen mit dem „Berggeschrey“ der Knappen, die reiche Silberfunde in fundierte Lebensbedingungen, städtische Entwicklung, rechtlich gesicherte Wege treiben wollten. Von weit her kamen einst Investoren. Die Bürger schickten zum Landesherren, der klug Eigeninteresse und Entwicklungschance verband mit Schutz seiner Landeskinder vor „Bauernfängerei“ des Ablasspredigers Johann Tetzel und so folgerichtig mutig Schutz dem gefährdeten Reformator Martin Luther bot. So war das durch Friedrich dem Weisen mit umfassenden Stadtrechten ausgerüstete Buchholz auch einer der ersten Horte der Reformation im Erzgebirge seit 1525, während Annaberg erst nach dem Tode Herzog Georgs, einem Papst treuen Verfolger der Bauernkrieger, erst 1539 reformiert wurde.IMG_0071

In aufgeklärtem Selbstbewusstsein agierten an die 30 Laiendarsteller temperamentvoll neben Schauspieler und Regisseur Gerd Schlott (in Co-Regie mit Thomas Kügler), der als Profi wortgewaltig den Kurfürsten gab. Besonders seien hervorzuheben die Buchholzer Bergleute unter ihrem Ersten, Jörg Heinike, einem Buchholzer und Annaberger Perpetuum mobile, der so gar nicht den duldenden, sondern einen fordernden, die Knappschaft organisierenden Bürger gab. Dann unser beiden Nachtwächter: Dieter Frank als handlungstreibender Führer durch Stück und Spielorte, und als richtig guter Sprecher sein Co: Rainer Eckel als Bergmeister Nickel Hacker in der Reihe original und charaktervoll wirkender Patrizier und Hofbeamter. Herausragend ebenfalls der Darsteller des Mönchs Johannes Tetzel, Stefan Scholz, der die Skala von zynisch bis drohend als glaubhafter Funktionär und Bewahrer der katholischen Kirche agierte. Dann Buchholzer und Annaberger Volk, darunter Anne Wolff und Antje Abhalter als Frauen, die sich schon damals klug artikulierend durchsetzten mussten. Und gar nicht langweilig waren Worte und Predigt des Buchholzer Studenten und Reformators Mycenius, dargestellt von Ruben Wagner. In mancher Kirchenpredigt von heute wünschte man sich wieder mehr von solchem protestantischem Geist! IMG_0055
Fanfarenklänge begleiteten die Auftritte (Philipp Dotzauer), Kostüme aus dem Annaberger Theater und Requisiten waren wirkungsvoll ausgewählt (Alexander Müller-Leichsner, Reinhold Uhlig) und rundeten ein Historiengemälde ab, was in etwas mehr als einer Stunde ein verständliches und unterhaltsames Geschichtsbild mit farbiger Personenzeichnung spannend an die zahlreichen interessierten und amüsierte Besucher brachte.
Selten war so eine dichte Atmosphäre zwischen Stadtbild, Historie und Bürgerschaft spürbar. Umso mehr sei gewünscht, diese dramatischen Szenen von Matthias Förster, der bereits für Annaberg, Kleinrückerswalde u.a. sehenswerte Stücke schrieb (also nicht nur Stadtsprecher, sondern auch ein anerkannter “Stadtschreiber” ist), in Zukunft immer mal wieder aufgeführt zu sehen. Immerhin hatte damals hier europäische Geschichte stattgefunden: Buchholz wurde im 16. Jahrhundert die fünft größte Stadt Sachsens, Annaberg die zweitgrößte deutsche Stadt nach Nürnberg.
Diese Zeitläufe fanden ihren nachhaltigen Niederschlag in Politik, Wirtschaft und Kultur und in einem Menschenschlag, der bis heute für seine Rechte eintritt. IMG_0102

Schade nur, dass die Identifikation mit diesem Teil der einst selbständigen Stadt – noch dazu zu solch einem Ereignis – bei den Stadtvätern und -müttern kaum sichtbar wurde. Neben der permanent anwesenden OB wurden lediglich drei weitere Stadträte gesichtet:
Einer gab die Hauptrolle im Stück, der aus Buchholz spielte ebenfalls mit, und einer ward noch gesehen, den man aber stets und überall dort antrifft, wo sich die Bürger treffen. Auch die freundliche Anwesenheit des MdB Baumann aus Berlin oder des Landtags-Fraktionschefs Flath aus Dresden, kann die mehrheitliche Abwesenheit des Rates – der auch für diesen Teil der Stadt Verantwortung trägt - nicht wett machen...

Text: E. Figura

Fotos: Matthias Förster

Mehr über das Leben Friedrich des Weisen - hier.

 

 

 

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