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THEATER ABC

 

 

Dezember 2019


Carpe diem!

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Die neueste Premiere am Annaberger Theater plädiert für Vorurteils freies Miteinander. Das Zwei-Personen-Stück „Sechs Tanzstunden in sechs Wochen“ erzählt die Annäherung von eigentlich sehr unterschiedlichen Individuen, Frau und Mann, die mittels Tänzen mehr Gemeinsamkeiten finden als erwartet. Dass daraus Nähe entstehen könnte, darf gehofft werden.

Die Premiere am 1. Dezember 2019 auf der großen Bühne des Eduard-von-Winterstein-Theaters hatte viel Platz zum Austoben für die beiden Protagonisten Tamara Korber und Maurice Daniel Ernst. Die Ausstattung Annabel von Berlichingens bietet amerikanische Wohnraumdimensionen mit Panoramafenster zum Meer und vertiefter Sitzlonge im Vordergrund. Dort finden den auch die gebuchten „6 Tanzstunden in 6 Wochen“ statt, die sich die pensionierte Lehrerin und Baptistenwitwe Lily gönnen will. Der jüngere, temperamentvolle Tanzlehrer Michael hat seine Showzeiten hinter sich, ist schwul und überzeugter Single. Mehr geht fast nicht im Kopf-Abstand der beiden, - es sei denn schwarz und Radfahrer...

Fotos: Dirk Rückschloß / BUR-Werbung

Der Drehbuchator und Filmproduzent Richard Alfieri wusste um dramaturgische Feinheiten und die Gefahr von Überfrachtung. Seine Tragi-Komödie von 2001 ist ein Renner geworden; trotz allem merkt man ihr die inzwischen verstrichene Zeit doch an. Alle Probleme: Vereinsamung im Alter, Ausgrenzungen und Angriffe auf Homosexuelle, Nachbarschaftsprobleme und Kontaktschwierigkeiten sind in unserer liberaleren Gesellschaft bekannt, manches relativierter geworden  und doch auch wieder nicht. Alles muss immer wieder neu ausdiskutiert, Freiheiten gelebt und verteidigt werden - auch bei uns.

Tamara Korber spielt die Witwe selbstbewusst, scheinbar offen, und doch ist sie vermauert gegenüber der plötzlichen männlichen Ansprache. Das an Wortgefechten reiche Entrée ist gespickt mit gegenseitigen Lügen, Missverständnissen und Verweigerungen. Die Tänze, beginnend mit  Swing, erweisen sich dann als Lockerungsübungen. Die siebzigjährige Lily ist auf der Höhe geforderter Beweglichkeit und Erwartung und durchaus auch der weltanschaulichen Verknöcherung des Gatten entwachsen. Tamara Korbers Lily benötigt eigentlich keine Tanzstunden.

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Von Tanz zu Tanz: Tango, Walzer Foxtrott, Cha-Cha, Twist, entwickelt sich ein Auf-und-Ab der Annäherung und des Kennenlernens. In etwas zu reichlichen Kleidern, aus den jüngeren Jahren von Lily, entstand allerdings kaum das Flair für Nähe. Die Ausstattung wirkt eben sehr aktiv auf die Inhalte ein! Die Tänze sind ja auch nur Alibi, Vorwand für die Suche nach Verständnis. Maurice Daniel Ernst probiert das Aufbrechen der harten Schale der Partnerin mit Frechheit, Provokation, aber auch Verständnis, Nachgeben und Offenheit. Tanzen kann er sowieso. An einigen kleinen Versprechern (-Premieren sind schwierig-) kann es nicht gelegen haben, dass die Umarmungen der zu Freunden gewordenen Individuen etwas kühl blieben.

Vielleicht hat die Regie von Karl Georg Kayser zu sehr auf die Wirkungen der Dialoge gesetzt und zu wenig auf Gesten des Verstehens, des Zusammenrückens auf der großen Bühne. Oder die Tänze (Choreographie: Hanka Kühn) waren zu sehr auf richtige Schritte und Drehungen konzentriert und nicht auf die körperliche und emotionale Hinwendung - besonders im Tango. Dort ganz und gar verzichtbar der unsägliche Hut von Michael.

Redebedarf und Diskussionsstoff jedenfalls genug nach der Vorstellung. Auf jeden Fall wurde erstmals zur Premierenfeier getanzt; das Publikum hat sich anstecken lassen. Wo eigentlich kann man in Annaberg noch so richtig abtanzen wie früher im Erzhammer, zu Live-Musik und mit Freunden und Familie? Die Bedürfnisse sind da, nicht nur bei jungen Leuten zur Anmache, sondern auch bei der reiferen Generation zur reinen Lebensfreude.

Eveline Figura

Weitere Vorstellungen:
4./14.12., 19.30 Uhr; 5.1.2020, 15 Uhr; 12./26.1.,19 Uhr; 18./31.1., 19.30 Uhr.
Kontakt: Tel.:03733 1407-131;
service@winterstein-theater.de