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Gegründet 1807
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März 2020
Parade im „Welttheater“
Der 1972 in Annaberg geborene Leipziger Graphiker Robert Schmiedel ist ein tiefsinniger Fabulierer, der wohl weiß, dass die meisten seiner Intentionen schwer oder nicht nachvollziehbar sind. Und doch ist das Anliegen seiner Schau im Erzhammer Annaberg-Buchholz: „Kommen-Schauen-Denken“. In 58 Radierungen, Federzeichnungen, Linolschnitten schafft er sich und uns ein Welttheater, dass er paradieren lässt. Die Köpfe liegen schon zu Füßen der Bastille oder vergnügt man sich beim „Herrenfrühstück“, wo hinten schon der Krieg tobt. Die Welt ist aus den Fugen und trotzdem retten sich seine Figuren und Figurinen bis zuletzt in Schönheit und Humor.
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Vor 18 Jahren das erste Mal, dann vor 3 Jahren im Theater und bei anderen Kunstaktionen wie „Leonardo unter Druck“ mit Drucktechniken und deren Ausführungen im Studienraum Carlfriedrich Claus hat sich Robert Schmiedel in seiner Heimatstadt eingebracht. Das Haus des Gastes Erzhammer in Annaberg-Buchholz hat nun vom 29.2. bis 31.5.2020 endlich einmal wieder einen hochkarätigen Künstler, diesmal der renommierten „Leipziger Schule“ zu Gast, der seine Wurzeln tief in unserer Geschichte, der Kultur und mitten unter unseren „Männeln“ hat- wie er selbst schmunzelnd bekennt. Die Leiterin des Hauses, Frau Baden-Walther, fand freundliche Begrüßungsworte und verschonte die Besucher der Vernissage doch von langatmigen Elogen. Sie stellte 10 Fragen und ließ so Robert Schmiedel über Werk und Werdegang aussagen, was am Ende sehr informativ war.
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So ließ er die Anwesenden teilnehmen an Momente seiner Kindheit: Der zeichnenden und Keramik arbeitenden Mutter Heidrun, dem Großvater im Annaberger Theater -Orchester, der Theatralik der Weihnachtsmärchen und des Kostümfundus und schlussendlich der überbordenden Stadtgeschichte mit seinen Bergparaden. Seine künstlerische Entwicklung begann in der Kunstpädagogik in Erfurt, wo ihn die Druckwerkstätten mehr faszinierten als die Hörsäle. Sein späterer Leipziger Graphikdozent Professor Ulrich Hachulla an der Hochschule für Graphik und Buchkunst hatte einen Tiefenblick für Schmiedels „Kritzeleien“ in der Bewerbungsmappe. Ja, Graphiker müssen sich später in manchmal sehr pingeliche Sticheleien vertiefen können...
Und doch ist seine Leipziger Ausbildung geprägt von Welt- und Menschenbild. Seine Werke, die in vielen bemerkten Ausstellungen zu sehen waren, sind meistens Inszenierungen mit Hintersinn: Graphische Romane, Erzählungen oder erzählende Figuren, Tiere, Pflanzen und Reihen von Schweizer Bergen, die er viel erwanderte und mitnahm im Skizzenblock. Seine ganz eigene „Bergparade“ ist vor dem Musikzimmer im Erzhammer aufgereiht. Und Berge sind wie zerfurchte Gesichter auch oft Hintergrund für sein „Welttheater“. Anregungen von Jugend an nahm er u.a. auch von den frechen Zeichnungen eines Wilhelm Busch, der über den momentanen Witz hinaus mit spitzer Feder Gesellschaft karikierte und woher die Vorliebe für die Federzeichnung bei Robert Schmiedel einen Ursprung hatte. Seine für dieses Metier großformatigen, kolorierten Werke sind Unicate und ein Genuss für Detail versessene Betrachter.Viel Anregung kam auch aus alten Büchern, z.B. eines Basedow, der ein Elementarwerk der Welt schuf oder aus historischen Kochbüchern mit überbordenden Zutaten und Zubereitungen. In der Ausstellung sind einige von Robert Schmiedel nachempfundenen Speisekarten zu sehen. Linolschnitte von Urzeitviehchern und Pflanzen üben optischen Phaszination aus, obwohl sie in der hinteren linken Ecke hängen. Die Hauptsache bleiben jedoch sein ironischer Blick auf politische „Platzhirsche“, Darsteller im Weltgetriebe, Jäger, Herrscher, barocke Selbstinszenierer und Sagen und Legenden wie die vom „Gratzug“ (s.a.Ausstellungsplakat und Einladung). Die besagt, dass man Grablegungen entgehen solle, um sich nicht selbst darin zu sehen...
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Informativ waren auch Schmiedels Ausführungen zum Material, von dem er sich am liebsten „einladen“ lasse. Das betrifft sowohl altes, doppelt gedrücktes Kanzlei-Papier, auf dem die Tusche stehen bleibt, ein Eigenleben entwickelt. Ja, die Kleinigkeiten machen manchmal am Ende die Lust! So sind Figurinen historischer Kostümierungen sowohl Vorarbeit für Totentanz ähnliche Abgehobenheit herrschenden Wahnsinns im „Litttle Big Horn“ als auch Selbstzweck in weiblicher und männlicher Selbstverliebtheit. Kein Wunder auch, dass seine verfremdende Weltsicht sich auch in Worten Bahn bricht und Schmiedel sicher nicht nur wegen des Broterwerbs Kabarettprogramme für die „Diestel“ in Berlin und die „Zwickmühle“ in Magdeburg verfasste. Es ist so, dass sich Talent in verschieden Richtung ausleben muss. Seinem Ausleben in der Malerei hat er sich bisher verweigert...! Im Kabarett schließt sich denn auch der Kreis zur Theater-Liebe. Dem Graphiker bleibt immerhin mehr vornehme Distanz zum Welttheater, das gerade jetzt um seine Existenz ringt oder auch im letzten Akt der Tragödie sich seinen Untergang organisiert.
Die Ausstellung ist im 2. Stock des Erzhammer am Markt in Annaberg-Buchholz bis zum 31. März 2020 geöffnet.
Robert Schmiedel in Aktion ist am 15. März zum Tag der Druckkunst /Radierung in Annaberg zu erleben.
Eveline Figura
Website Robert Schmiedel
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