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Gegründet 1807
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Juni 2020
Ludwig van Beethoven und seine „Unsterbliche Geliebte“
Zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven ein Ausflug in dessen ungarisches Abenteuer
„Zusammengefasster, energischer, inniger...Künstler“ - Ja, unser Goethe hatte mal wieder seinen Finger drauf und eine passende Formulierung für den Jubilar des Jahres 2020, die aus eigenem Eindruck erwuchs.
Schloss Martonvásár in Ungarn. Foto: WikiCommons
Große Konzertsäle und kleine Theater sind indes noch im Corona-Schlaf; alle hoffen, dass er nicht so lange dauern mag wie der von Dornröschen. Es ist also eine Zeit angebrochen, wo es Sinn macht, sich wieder auf die eigene Platten- oder CD-Sammlung guter Musik zurück zu ziehen. Ich tat das mit interessanten Beethoven-Einspielungen unter Furtwängler, Böhm, von Karajan, Rögner, Kegel und Lennie Bernstein, die ich gefühlte Jahrzehnte nicht angehört hatte. Und zu Hause muss man ja auch nicht ganze Werke still sitzend anhören, sondern kann sich einzelne Sätze oder Stücke einverleiben.
Ein Abstand zu Beethoven ist auch eingetreten, weil nach jugendlicher Erstbegeisterung erst mal andere live-Erlebnisse anstanden, andere Musikgenres der hormonellen Entwicklung näher rückten und Beethoven aus dem eigenen Gesichts- und Ohrenkreis in gelegentliche Konzerte entschwand. Und nun hat der Urgewaltige und Höhepunkt der Wiener Klassik 2020 seinen 250. Geburtstag. Ein ganz genaues Geburtsdatum findet sich nicht; es ist hier mit dem Tauffest angegeben: 17. Dezember 1770 in Bonn, denn erst mit diesem Weiheakt galt ein Kind als Mensch in der christlichen Gemeinde und der Weg in den Himmel stand ihm offen.
Beethovens Musik eröffnet das Deutsche Theater Ungarn
Eigentlich näher kam ich diesem Ausnahmekünstler mit der grimmigen Mimik auf seinen Bildern, ungezählten Denkmalen und Büsten aber erst Ungarn, hatte er doch einstmals zur Eröffnung des Deutschen Theaters (1812- mit 3500 Plätzen) am zentralen Vörösmarty Platz in Pest Eröffnungsmusiken komponiert: Die „Festouvertüre für den ersten christlichen König Ungarns Sankt Stephan“, op 117; „Die Erhebung von Pest zur königlichen Freystadt“ und schließlich „Die Ruinen von Athen“, op 113, ein Schauspiel des einst häufiger als Goethe gespielten August Kotzebues. Pest war noch nicht mit Buda (Ofen) vereinigt und Ungarn noch nicht gleichberechtigt neben Österreich. Die Amtssprache Deutsch und die ungarische Kultur noch lange hintenan.
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Das musste erst der in Europa weit bewunderte Freiheitskampf unter Kossuth 1848/49 leisten und die langsame Anerkennung Ungarns gelang im Ansatz endlich mit dem österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867. Die europäischen Musiker trugen dieser Entwicklung immerhin aktiv Rechnung; viele komponierten Stücke a la hongarese, Tänze wie die Werbertänze (Verbunkos) und der Palotás und Csárdás wurden gern in große Werke hinein komponiert. Schon 1792 zog es Beethoven von Bonn, aus der deutschen Kleinstaaterei in die „große Welt“ nach Wien, galt doch der Habsburger Hof mit seinen viele Adelige anziehendem Gepränge als potenter Auftraggeber.
Beethoven in Wien
Das Habsburger Reich so groß, dass „in ihm die Sonne niemals unterging“, war unter feudalem Herrschaftsanspruch so etwas wie eine erste Europäische Union. Künstler suchten ihr Brot in verschiedenen Ländern bei reichen Adligen, wo sie wie unser Ausnahmekünstler Ludwig van Beethoven oft längere Zeit weilten, komponierten, die Werke den Gönnern widmeten und Klavierlehrer der Söhne und Töchter wurden. Neben Kollegen oder berühmten Vorbildern prägten die Künstler in Wien auch ihren Stil aus. So soll Beethoven auf einer ersten Wien-Reise Mozart vorgespielt haben.
Seit November 1792 lebte er dort fest als 22jähriger zunächst recht dürftig und nahm 1793/94 Unterricht bei Joseph Haydn, dem verehrten Genius, der vor seiner „Befreiung nach England“ selbst 30 Jahre am Hofe der Fürsten Eszterházy als Kapellmeister und Komponist gewirkt hatte. So viel in der Welt herumgekommen wie einst Mozart mit seinem umtriebigen Vater Leopold, ist Beethoven nicht. Dafür wurde er reichlich eingeladen, war als Pianist mit seinen noch kleineren, aber qualitativen Werke bereits geschätzt.
Neue Töne konnte man da hören, auch im Umgang; war doch der junge Meister sehr selbstbewusst und oft brüsk wie wir ihn grimmig von seinen Denkmalen kennen, ein Charakterkopf. Aber natürlich hatte der Musiker mit den feinfühligen Kompositionen, v.a. im Kammermusikton, eine weitaus empfindsamere Seele. Wie sollte es auch anders sein....,- ein junger Mann.
Die Brunswick-Schwestern.
Viele Künstler wie er konzertierten in Kleinen und erweiterten Kreisen zusammen mit den Adligen, so im Palais Lichnowsky mit Ignaz Schupanzigh (Violine), oder dem Cellisten Nikolaus Zmeskall von Domanovecz. Violinsonaten, Klaviertrios, Streichquartette oder Kompositionen für Soloinstrumente wie auch das Klavier, die berühmte Pathetiuque, op. 13.
Der Klavierlehrer wird zum Liebhaber
Fürst Lobkowitz, Fürst Kinsky, Erzherzog Rudolf, Carl Amenda und Beethovens „Beicht“freundin Gräfin Erdödy. schätzten Beethoven; er wurde weiter empfohlen und lernte nun im Hitzinger Anwesen der ungarischen Grafen-Familie Brunswick zunächst die hübschen jungen Schwestern Therese, Josephine und Charlotte kennen, gab ihnen Klavierunterricht auf wohl hohem Niveau. Immer pünktlich soll er schließlich gekommen sein und länger geblieben. Möglich, hatte er recht schnell Josephine (Peppi) favorisiert, was wohl auf Gegenliebe stieß.
Schnell wurde diese von ihrer Mutter an den viele älteren Graf Deym von Stritzetz verheiratet, nicht die schlechteste Wahl, wurde es doch eine angenehme Ehe mit Kindersegen und offenem Hause. Dort musizierte Beethoven auch mit dem Bruder Franz Brunswick, der gerne Cello spielte und sein Duzfreund wurde! 1800 weilte er in Buda/Ofen und spielte vor der Großfürstin Aleksandra Pawlowna, Gattin des Palatins von Ungarn, die Sonate für Klavier und Horn, op.17, zusammen mit Johann Wenzel Stich.
Wer waren die Brunswicks?
Seit dieser Zeit hielt er sich auch oft und gern im Schloss Martonvásár/Martinsmarkt der Brunswicks de Koromba auf, das eine knappe Stunde zwischen Budapest und dem Balaton in einem wunderbaren Park prangt. Seit 1989 ist eine außerordentlich liebevolle Beethovengedenkstätte mit aussagefähigen Objekten zu besuchen. Im Park selbst ist eine Spielstätte auf einer Insel, auf der die Ungarische Nationalphilharmonie unter Zoltán Kocsis oder Ádám und Iván Fischer viele Jahrzehnte ihre Beethoven-Sommer zelebriert. Beethoven weilte hier über länger Zeiträume von Wien aus, seinem Lebensmittelpunkt, sehr häufig und länger.
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Josephine Brunswick
Für ihn und die Töchter der Familie komponierte er viele Werke, die entweder direkt zugeeignet wurden oder in mühseliger Kleinarbeit von Musikwissenschaftlern durch Inhalte enttarnt, zugeordnet wurden. Die ungarischen Brunswicks waren wie viele adelige Familien in der k.u.k Monarchie des Habsburgreiches multinational orientiert, durch Besitz und dessen Erwerb in Böhmen und Mähren wie in der Nähe des Kaiserhofe mit einem Palais und Sommerhäusern präsent und mehrsprachlich kommunikativ.
Beethoven, der als einer der ersten als freischaffender Künstler von seinen Einkünften leben konnte, war reisend bei Mäzenen zu Gast. Sein Radius war entgegen dem von Mozart und dessen umtriebigen Vater jedoch begrenzt zwischen Wien, Prag, den Böhmischen Bädern und Budapest sowie Martonvásár. Kein Wunder also, dass der junge Mann um die Dreißig sich in die eine oder andere Klavierschülerin verguckte und sich in schließlich in die bezaubernde Josephine Brunswick verliebte; seine Hoffnungen wurden insbesondere genährt und erwidert als der um vieles ältere 1. Ehemann, Graf Deym verstarb.
Die Familie war begütert und aufgeklärt; es herrschte ein freier Umgangston, der sich jedoch schlagartig änderte, war ein Heiratskandidat nicht Standes gemäß, d.h. bürgerlich. Da spielte es auch keine Rolle, dass sich Beethoven zu einem international anerkannten Genie entwickelte und mit einer hohen Leibrente (4.000 Gulden) auskömmlich leben konnte. Josephine zog sich unter dem Druck der Familie schweren Herzens von Beethoven zurück, ließ sich verleugnen, da sie sonst die Erziehungshoheit über ihre vier Kinder verloren hätte. Die 17jährige Contessa Giulietta Guiccardi, eine Cousine der Familie, war ihm ein einjährige Affaire, kein Ersatz.
Ihr widmete er die 1801 entstandene Sonate op.21/1 und 2 „quasi una fantasia“, die von Ludwill Rellstab als „Mondscheinsonate“ tituliert wurde und von Beethoven nicht für seine beste gehalten wurde. Aus diesen Gründen galt lange diese junge Frau für die Adressatin des dreiseitigen Briefes „an die „Unsterbliche Geliebte“.
Beethovens Gehör verschlechterte sich indes; ein weiterer Grund, um von großen Reisen Abstand zu nehmen. Stimmungsschwankungen waren die Folge, nur die Arbeit schützte ihn. Lange Unterbrechungen der Kontakte, nicht der engen Verbundenheit.
Josephine verheiratete sich schließlich erneut, ihre Kinder und deren teurer Erziehung wegen, mit dem aus Estland stammenden Freiherrn von Stackelberg, der mit ihr ein großes Gut in Mähren kauft und sie dort, juristisch nicht abgesichert, fast ihr ganzes Vermögen investiert. Weitere zwei Kinder werden geboren. Die Beziehung ist unglücklich und die Kinder werden zum Faust- und Entzugspfand für Stackelberg. Josephines Gesundheit leidet immer wieder. Seine pedantische Erziehungsmethoden und seine Herrschsucht führten 1812 zu erster Trennungen. Er verließ die Familie und kümmerte sich nicht um deren Unterhalt.
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Im Garten von Schloss Martonvásár, Aquarell von Eveline Schicker-Figura
Beethoven hatte inzwischen große Werke veröffentlicht: 1809 sein 5. Klavierkonzert in Es, eine Klavierfantasie für Franz Brunswick, op.77, und eine Klaviersonate in Fis, op.78, für Therese, die treue Freundin bis über seinen Tod hinaus. Eine Reihe von Liedern zeigen die Verbundenheit mit seiner Liebe Josephine: „An den fernen Geliebten“ (Goethe) u.a.
1810 hegte Beethoven dann Hoffnungen auf Therese Malfatti, der er die berühmte Bagatelle „An Elis“ widmet und er von der 17Jährigen einen Korb erhält. Undank ist der Welten Lohn. 1812 nun die o.g.Werke zur Eröffnung des Deutschen Theaters in Pest. Mann kann eigentlich von einer permanenten Beziehung zu den ungarischen Freunden sprechen. Heute sind es zwei Autostunden zwischen Wien und Budapest und damals immerhin eine absehbare Entfernung mit der Post. In seiner 6. Sinfonie, der Pastorale, sind wunderbare Naturschilderungen auf dem Lande verarbeitet und in der 7. Sinfonie im Finale wieder ein ungarischer Werbertanz.
Richard Wagner nannte sie eine „Apotheose des Tanzes“. Soviel zum „grimmigen“ Ludwig van. In seinem berühmten Brief -ohne Adressatin: „Ach Gott blick in die schöne Natur und beruhige dein Gemüth über das müssende – die Liebe fordert alles und ganz mit Recht, so ist es mir mit dir, dir mit mir – nur vergisst du so leicht, dass ich für mich und für dich leben muss....dein treuer ludwig.“ Der Brief wurde nach seinem Tode in seinem Schreibtisch gefunden durch mehrere Händen gereicht, 1840 veröffentlicht.
Ein Bild von Therese von Brunswick lag daneben, die Bescheid wusste von der Liebe ihrer Schwester und die übrigens nach engen Kontakten zu dem Erziehungsreformer Pestalozzi in Ungarn die ersten Kindergärten gründete noch zu Lebzeiten 116. Vermutlich auf einer Reise nach Prag zu den Verwandten von Josephines ersten Mann soll es zu Wiederbegegnungen mit Beethoven gekommen sein. Die Musikwissenschaftlerin Marie-Elisabeth Tellenbach hat das mit vielen zwingenden Indizien nachgewiesen.
Beweise gibt es nicht, musste doch alles im Geheimen ablaufen. Beethoven weilte zu der Zeit in den Böhmischen Bädern, u.a. in Teplitz, wo er auch zwischen Juli und September 1812 J.W.von Goethe traf, -nicht nur einmal und dieser schrieb darüber an Karl Friedrich Zelter: „Beethoven habe ich in Teplitz kennengelernt, sein Talent hat mich in Erstaunen versetzt, allein er ist eine ganz ungebändigte Persönlichkeit, die zwar gar nicht unrecht hat, wenn sie die Welt detestabel (abscheulich) findet, aber sie freilich dadurch weder für sich noch für andere genussreicher macht.“ Goethe musste es ja wissen, war er doch selbst lange im umgekehrten Verhältnis zu einer unstandesgemäßen Partnerin aus dem Volke, Christiane Vulpius, bereit, die er erst 18 Jahre später heiratete und mit ihr einen zunächst uneheliches Kind hatte.
Josephine wurde schwanger und bekam am 8. April 1813 ein Mädchen, was sie auf den Namen MINONA (rückwärts:Anonim) taufte. Der Name bezieht sich auf Goethes „Werther“, indem es auch um eine Liebe zur Braut des Freundes geht. Therese war eingeweiht. Das Kind war nicht unehelich, aber Josephines Mann wusste, dass er nicht der Vater sein konnte. Demütigungen, Rache und dem Wiener Polizeiapparat war sie ausgesetzt sogar und hat Angst, die Erziehungsberechtigung für ihre Kinder zu verlieren. Ihres Vermögens verlustig, die nun drei Kinder in Händen des Ehemanns, der sie mit nach Estland genommen hat.
Wie sich herausstellte, hat er sie in die Hände fremder Leute in Polen gegeben. Josephines Sohn aus erster Ehe hatte zudem Geldprobleme. Ein Wiedersehen mit Beethoven fand noch einige Male in Baden bei Wien statt (-dort hat er u.a. an der IX. Sinfonie gearbeitet.) Josephine Brunswick, verw. Deym, verh. Stackelberg, stirbt am 31.3. 1821, mit gerade 42 Jahren. Sie wird in Wien auf dem Währinger Friedhof beigesetzt, ohne Gedenkstein. Auch Beethoven findet sechs Jahre nach ihr dort seine erste Ruhestätte, begleitet von 20.000 Trauernden!
Die gemeinsame Tochter Minona soll 1897 mit 87 Jahren gestorben sein, unverheiratet, nicht sehr schön ,-aber eine durchsetzungsfähige Person, die alle Schwestern und Cousinen überlebte. Nach Estland hat sie in Siebenbürgen bei ihrem Onkel Graf Teleki im Schloss Hosszúfalu /Großdorf gelebt, dann bei ihrem Halbbruder Fritz in Nemischl und zuletzt in Wien. Ob sie von Therese oder den Verwandten um ihren Genius-Vater wusste, ist unbekannt. In den Analen und Brunswick-Stammbaum taucht ihr Name nicht auf.
In den Werken Beethovens ist sein große Liebe tief verwurzelt. Neben vielen Liedern, dem ursprünglich der „Waldstein -Sonate angehörendem „Andante“, gilt die Hoffnungs-Arie der Leonore („Fidelio“), wenn nicht die ganze Figur Josephine. Noch im Jahre 1814/15 komponierte er das Lied „An die Hoffnung“ (Tiedge), op.95, um -mit der nun ersten Strophe: „Ob ein Gott sei? Ob er einst erfülle, was die Sehnsucht weinend sich verspricht? Ob vor irgendeinem Weltgericht, sich dies rätselhafte Sein erfülle? Hoffen soll der Mensch! Er frage nicht!“.1816 dann noch der Liederzyklus „An die ferne Geliebte“. Josephines und Ludwigs Verbindung endet vor ihrem Tode und mit seiner Taubheit in der Zeit als er die Missa solemnis komponierte.
Als beide Großwerke, diese und die IX.Sinfonie 1824 uraufgeführt wurden, sollen Nikolaus Zmeskall und Franz Brunswick anwesend gewesen sein. Und wo auch immer Beethoven-Ehrungen 2020 stattfinden, Ungarn darf sich mit verbürgter Geschichte und der „Unsterblich Geliebten“ würdig einreihen.
Eveline Schicker-Figura
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