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September 2020


Oper als Tagesschau

Auch am Mittelsächsischen Theater in Freiberg und Döbeln wird nun wieder gespielt. Am 18. September 2020 gab es die Premiere einer Operngala mit Tagesschau-Elementen.

Von der grundsätzlichen Idee her hat man am Mittelsächsischen Theater mit „Die Operngala – Eine Zeitreise“ etwas ganz ähnliches versucht, wie das Eduard-von-Winterstein-Theater mit dem Greifenstein-Memory und der Jukebox. Man präsentierte Ausschnitte aus gespielten Werken der letzten Jahre, aber auch völlig neue Sachen. Statt beschwingter Operette und lässigem Musical lag hier der Schwerpunkt auf großer Oper.

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Links im Hintergrund der Nachrichtensprecher Andreas Pannach, vorn Elias Han und rechts Frank Unger. Fotos: Jörg Metzner

Als Reaktion auf die Hygieneauflagen wurde im Parkett des Freiberger Theaters die Bestuhlung entfernt. Stattdessen gab es kleine Tische mit Stuhlgruppen. Das Ganze hat etwas Ungezwungenes von Cafehaus oder Weinbar. Wer wollte, konnte sich denn vorab auch mit einem Wein und Knabbereien ausstatten und so den Opernarien lauschen. Etwa sechzig Zuschauer können so zugegen sein. Alle gleichzeitig im Bühnenbereich agierenden Personen sind aus Platzgründen streng abgezählt. Es gibt denn auch kein Orchester, sondern zwei Klaviere.

Ein Blick vorab ins verteilte Programm offenbarte eine potentiell ernste und nicht ganz leichte Kost: Richard Wagner, Richard Strauss, Verdi und Giordano. Die Ernsthaftigkeit der Vorstellung wurde jedoch merklich abgemildert durch das Rahmenprogramm. Dabei wurde auf das Titelthema Zeit mehrfach Bezug genommen. Das Bühnenbild zeigte eine große Uhr und ein Nachrichtensprecher aus dem Schauspielensemble (überzeugend: Andreas Pannach) verlas am Pult die aktuellen Meldungen: „Guten Abend meine Damen und Herren. Eisenach, den 3. Mai 1206, 10:47 Uhr, Wartburg.“

Nach dieser Aufmunterung und einigen weiteren, erklärenden Worten zum Sängerkrieg ging es dann also mit Tannhäuser los. Die beiden Damen an den Flügeln, Niki Liogka und Hui Won Lee, erfüllten ihre Aufgaben wunderbar. Trotzdem klingt Wagner mit zwei Flügeln – nun, sehen wir es positiv und schreiben: neue Klangeindrücke. An anderer Stelle wiederum war diese musikalische Untermalung von Vorteil. Die Solisten kamen stimmlich gut zur Geltung und wurden nicht überdeckt.

Besonders für ihre Leistungen zu loben waren an diesem Abend Elias Han und Lindsay Funchal. Ersterer sang die Arie des Gérard „Nemico della patria!?“ aus Andrea Chénier kraftvoll und so ausdrucksstark, dass es ihm großen Beifall und Jubelrufe des Publikums einbrachte. Weiter war Herr Han zusammen mit Frank Unger in dem Duett Posa und Carlos aus Don Carlo von Verdi zu hören. Beide Solisten sangen hier klangschön und exzellent aufeinander abgestimmt.

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Lindsay Funchal (links) und Dimitra Kalaitzi-Tilikidou, hier im Abendsegen aus Hänsel und Gretel von Humperdinck

Frau Funchal glänzte in ihren Auftritten mit natürlicher Anmut und Lieblichkeit. Insbesondere das Duett „Pur ti miro“ aus L´incoronazione di Poppea von Monteverdi, zusammen gesungen mit der gleichfalls sehr überzeugenden Dimitra Kalaitzi-Tilikidou, war ganz bezaubernd.

Eine Überraschung hielt der Chor des Hauses parat. Unter der Leitung von Peter Kubisch wurde „Aurora borealis“ von Henning Sommerro präsentiert. Durch die Platzierung eines Teiles des Chores auf dem obersten Rang konnten einerseits mehr Chorsänger mitwirken, als es nur auf der Bühne möglich gewesen wäre. Andererseits wurde so ein gut ausgetüftelter Raumklang erreicht. Begleitet wurde das Stück von einem Saxophon. Es ist schon verblüffend, wozu ein einzelnes Saxophon in der Lage ist, insbesondere wenn es von Anja Bachmann gespielt wird. Der Gesamteindruck dieses modernen Werkes war sehr effektvoll.

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Sergio Raonic Lukovic, Lindsay Funchal und Frank Unger interpretieren das Finale aus Faust von Charles Gounod

An diesem ungewöhnlichen Opernabend wirkten als weitere Solisten mit: Johannes Pietzonka, Sergio Raonic Lukovic, Susanne Engelhardt, Rea Alaburić und als Gast Patricia Bänsch.

Zusammenfassend kann man den Abend als ungewöhnlich und doch geglückt beschreiben. Das kleine Publikum war erstaunlich konzentriert, das übliche Geraschel und Gehüstel entfiel aus Mangel an Leuten. An die im Theater üblichen Hygieneauflagen gewöhnt man sich schnell. Und mitunter bringen Einschränkungen auch neue, durchaus bedenkenswerte Aspekte hervor.  
Reiner Nebel

Weitere Aufführungen

http://www.mittelsaechsisches-theater.de/