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Gegründet 1807
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Juli 2020
Greifenstein-Memory mit Contenance
Das Theater Annaberg spielt und singt wieder und auch die Zuschauer sind glücklich: Wo sonst umarmt und geküsst wurde, gilt Abstand, was weder der Musik noch der Spiellaune der Darsteller etwas ausmachte, ganz im Gegenteil – Fantasie ist gefragt.
Und die Felsen auf unserer herrlichen Naturbühne „Greifensteine“ mussten nicht verrückt werden; sie sind es und standen genau im richtigen, zeitgemäßen Abstand zueinander. Und dann platzt noch die Nachricht von einem neuen Intendanten dazwischen.
Endlich ist es wieder soweit, dass die ausgeruhten Stimmen des Solistenensembles des Eduard-von-Winterstein-Theaters Annaberg-Buchholz nach der Pandemie bedingten Langpause erklingen dürfen, denn Ausruhen ist gut, aber die Stimmorgane von Sängern sind trainiert wie Leistungssportler und lassen nach, wenn nicht Applaus sie antreibt. So dachte auch Intendant Dr. Ingolf Huhn und hat gleich 40 Vorstellungen mit 6 Inszenierungen auf die Bühne buxiert. Somit ist unser Theater wieder, trotz Corona, die Krone aller Musentempel.
Jason-Nandor Tomory als Escamillo, Fotos: Dirk Rückschloß
Bis 6. September stehen nun das Opern- und Operettenprogramm „Greifenstein-Memory, die „Jukebox“ mit Musicalmelodien des Schauspiels, die Kinderprogramme „Neues vom Räuber Hotzeplotz“ und der zauberhafte „Zauberer von Os“ sowie ab 16.8. die Premiere von „Das weiße Rössl am Wolfgangssee“auf den Steinen, die die Sommerwelt bedeuten. Zum Programm gehört in 9. Saison der „Jedermann am Unteren Kirchplatz in Annaberg und als Bonbon oder Nachtisch Sommer-Open-Air-Konzerte der Erzgebirgischen Philharmoniker Aue. Das soll uns mal ein anderes Theater nachmachen.
Im „Greifenstein-Memory“ am 12.7. p.a. erklangen Soloarien und Duette/Terzette aus bekannten Inszenierungen der vergangenen Jahre, so aus „Carmen“ mit Anna Bineta Diouf in der Titelrolle, Jason Nandor Tomory als Escamillo und er auch als Papageno zusammen mit Madelaine Vogt im Duett aus der „Zauberflöte“. Sehr schön, weil stimmlich gut gestaltet, insbesondere die Frauenstimme angenehm im mittleren Register.
Aus dem „Freischütz“ erklang die Rachearie des Kaspar von den Felsen herab von László Varga, gewohnt kräftig intoniert mit spürbarer Lust an dieser, seiner Rolle und schließlich, nicht im Kostüm, sang Jason Lee die Bildnisarie des Tamino von Mozart sehr kultiviert. Warum aber die Regie in der Schlusssequenz dieser Arie von hinten den Zupan aus dem „Zigeunerbaron“im pompösen ungarischen Fantasiekostüm mit Luft-Schweinchen auftreten ließ, bleibt ein Geheimnis von Ingolf Huhn (Inszenierung).
Mit der Auftrittsarie des Baringkay aus dieser Operette hatte Frank Unger a.G. sein „Heimspiel“ an seiner ehemaligen Wirkungsstätte. Glänzende Tönen brillierten hier wieder und andere auch. Das Publikum liebt ihn für alles und viele Jahre Spiel- und Singerlebnis. Zusammen mit Bettina Grothkopf als Saffi und Anna Bineta Diouf als Mutter.
Zu den Höhepunkten des Nachmittags, die Memory-Vorstellungen beginnen jeweils 15 Uhr, gehörten unbedingt die Räuber-Szenen aus „Das Wirtshaus im Spessart“ mit Matthias Stephan Hildebrandt und Leander de Marel, gespickt mit kabarettistischen Texten zu aktuellen Situationen. Das Publikum erwartet so was und honorierte beider Komik begeistert mit Extraapplaus. Ebenso die Szenen aus dem Musical „Sisi“ von Marischka/Kreißler, was den Wiener Schmäh musikalisch wunderbar erfasst.
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Anna Bineta Diouf und Frank Unger in einer Szene aus dem Zigeunerbaron
In der Szene mit Tomory/Marel „glänzt“ ersterer als Oberst mit einer Reihe von Albernheiten, während Marel den alternden Herzog Max in Bayern mit überzeugenden Charme gibt. Der weiß um die Möglichkeiten seiner Stimme. Einerseits mit vollen Baritontönen umspielt er gekonnt nicht mehr vorhandene Höhe in wienerndem Sprechgesang. Er kann´s. Die jungen Kollegen dürfen das ruhig mal abschauen; auch das ist Gesangskunst.
Die räumlichen Abstände zwischen den Sängern wurden ein wenig wettgemacht durch üppige Kostüme und große Gesten: Wer hat, der kann. Die ca. 200 Zuschauer saßen gut verteilt entspannt im großen Halbrund, und es erinnerte ein wenig an eine Sesselvorstellungen vor besonders ausgewählten Gästen Die schienen denn auch zu sagen wie einst der Kaiser Franz Joseph. „Es war sehr schön, es hat uns sehr gefallen!“
Dem verdienstvollen Intendante Dr. Ingolf Huhn, der mit seiner letzten Spielzeit 2020/2021, seiner 10., besonders publikumswirksame Fußstapfen hinterlässt, sei hiermit weiter Erfolg und Freude mit dem Ensemble gewünscht.
Ja, es kommt einer neuer Intendant, diesmal aus dem österreichischen Graz gebürtig ab August/September 2021 an die Spitze unseres ehrwürdigen Bürgertheaters. Mit Moritz Gogg kommt ein ausgewiesener Musik-Theater-Mann, der langjährig z.B. als Bariton an der Hamburgischen Staatsoper erfolgreich war, an der Semperoper und in Salzburg sang und recht jung noch ins Kulturmanagement ans Bruckner-Konzerthaus in Linz ging und z.Zt . dem Opernensemble in Giessen vorsteht.
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Matthias Stephan Hildebrandt und Leander de Marel
Eine beachtliche Vita, die Hoffnung gibt auf musikalisch Qualität zwischen Orchestergraben und Solisten, auf interessante Regie und neuere Opern, die auch die Beachtung der Opernwelt verstärkt auf unser Haus blicken lässt. Schauspielinszenierungen mit aktueller Brisanz, Klassik mit guten, jungen, neuen Kräften ist der Wunsch des interessierten Publikums. Keine Vorschusslorbeeren, aber viel neuer Wind gehört ins WELTERBE-Gebirge.
Eveline Figura
Fotos: Dirk Rückschloß
Weitere Vorstellungen: Greifenstein-Memory: Sa.,1.8., 18 Uhr; 22.8.,17 Uhr
service@winterstein-theater.de Tel.: 03733-1407-131 https://www.winterstein-theater.de/
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