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THEATER ABC

 

 

August 2020


Jukebox steht auf den Greifensteinen

Eine Musicalnacht hat das Schauspiel-Ensemble des Winterstein-Theaters auf die Beine gestellt, was zugereiste Gäste in Erstaunen versetzt und die Einheimischen wieder an vergangene schöne Normalität erinnerte. Zudem eine warme Sommernacht mit Soloauftritten von Faltern und Libellen im Scheinwerferlicht und ein wenig Wehmut, ob des Weggehens liebgewordener junger Darsteller in höhere Theatergefilde.

So-, manchmal kann der Kritiker zu einer Premiere nicht und dann gibt’s halt keinen Text. Muss halt die Freie Presse ausreichen! Dann hat der Sommer aber doch gelockt zum Nachsitzen auf den Steinen, denn so fühlt sich das Gestühl trotz Kissen und Decken an; manche nenne das Authentizität. Die Einstimmung gelingt, hat man einen oberen Parkplatz ergattert im Restaurant oder Buffet. Und das gleich doppelt, weil der endlos scheinende Soundcheck der hervorragend aufgelegten Live-Band nicht nur gebremst über den Kassenbereich schallt, sondern der zugeschaltete Außenlautsprecher sein übriges tut, die Unterhaltung am Tisch zu stören

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Fotos: Dirk Rückschloß/Pixore-Photography

Die Dauerbeschallung, diesmal aus der Konserve, wird dann im Zuschauerrund fortgesetzt, damit das Publikum schon mal in Wallung gerät. Und wenn´s dann wirklich losgeht, haben die Tontechniker denn Daumen auf Maximal gestellt, so dass ringsrum einige Zuschauer (die Weicheier!) die Oropax-Kistchen ziehen. Meingott! Die Zuschauer, noch dazu die Jüngeren, sind doch nicht schwerhörig! Ein paar Decibel gespart und am Effekt geht immer noch nichts verloren.

Dann geht’s los. Lucia Reichard und Asia Schreiter (Text und Regie) ist eine angenehm fortschreitende Handlung gelungen, die die Protagonisten in Bewegung und Beziehung setzt mit Gewitzel und Gefrotzel vor der Kulisse des Blues Brother (Tilo Staudte/ Martin Scherm). Auch hier galt wie vielleicht beim Soundchek ? Künftig: Weniger ist mehr. Mit den 90 Minuten ohne Pause muss man sorgsam umgehen. Sabine (Gisa Kümmerling) und Rüdiger (Udo Prucha) sind die singenden und spielenden Gastgeber, quasi Mutti und Vati des Abends, zu denen sich Gäste gesellen. Im Titel „Sommernachtsball“ sind sie mehr Standsäulen gewesen. Unbedingt belebenden Elemente dagegen die Lea der Marie-Luis Kießling und Vivi der Marie-Louise von Gottberg und die STARS, deren Bühnennamen lass ich mal weg, merkt sich eh keiner. Jedenfalls greifen die Ausschnitte aus verschiedenen Produktionen der Greifenstein-Festspiele gut aneinander.

Mit dem „Heißen-Sommer“-Hit “Was erleben“ fasst man das Publikum unter und war oben und unten der gleichen Meinung in dieser verrückten Zeit. Lacher hatten dann die holländischen Akzente von Marvin Thiede und Udo Prucha in „Wann wird es wieder richtig Sommer?“, wo Ossis und Wessis gleichermaßen mitsangen. Die Raketen des Abends knallen dann voll in die Romantik mit Nick Körber und Elisabeth Markstein; Expressivität mit Mark erschütternder Gefühlsgewalt, englisch oder lieber deutsch- im Abendlook oder bei Körber mit Jeans, Korsage und eigenen Nippeln oder auch im undefinierbaren Fledermausumhang. Nicht alle Titel gehen los wie die aus der „Rocky-Horror-Show“. Zum Glück, weil - die Abwechslung machts. Aber Körber kanns: “Wann geht’s mal wieder nur um mich?“, beweglich, nachvollziehbar und stimmig. Hängt der Titel bei ihm vielleicht über´m Schminkspiegel?

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In „Männer, die noch keine sind.“ sehr überzeugend die Solistin mit den Ballettdamen (choreographische Einstudierung: Jana Burkert), die wirklich gut im Rhythmus, in Hüften alles geben. Schön anzusehen. Und auch die Gäste, manche immer wieder bei uns wie Maximilian Nowka passten sich nicht nur gut ein, waren wirklich wieder mal zu Hause im Ensemble. Ihm oblag es, den Charmeur zu geben, figürlich, sängerisch mit Nachdruck  u n d  Emotion, eben: Ausstrahlung, die differenzieren kann. Körber, der Draufgänger, Nowka der Gentleman. Dazwischen Marie-Louise von Gottberg als bewegliche-witziges Perpetuum mobile. Ihr Hüftschwung hat Nuancen und sie singt mit Spaß am Inhalt; Sonderapplaus. Und ihre Doppelvornamen-Kollegin Marie-Luis Kießling, die ´gefühlte 27 Jahre´ auf unserer Bühne stand, wie Intendant Ingolf Huhn bei ihrer Verabschiedung an eine größere Bühne am Ende diese Self-Made-Frau charakterisierte, kann Show und Ausdruck in ihrer „Morgenglanz“-Interpretation.

Auch wer nicht meint, Stimme haben zu müssen wie Nenád Zanic, kann Typ und Neue Deutsche Welle. In „Skandal um Rosi“ gab er alles, sein Letztes?! Auch wirkliche Charakter-Spieler sind klamm-heimlich locker! Höhepunkte schaffte immer auch wieder Philipp Adam, der kann alles in seiner Quer-Version singen, Bewegung, Witz und Nachdenklichkeit. Nun gut, letzteres verlangte der Abend nicht von ihm, aber das neue Engagement vielleicht. Auch hier Verabschiedung mit Applaus. Und dann tauchte auch noch einer auf, der es zum Publikumsliebling geschafft hat in kurzer Zeit: Maurice-Daniel Ernst. Er sang, tanzte, strahlte und nahm Blumen und Wünsche mit nach Kaiserslautern (-wo ist das denn?).

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Alle, die uns verlassen, haben sich hier Federn am Hut verdient oder manchmal auch ein paar lassen müssen. Einen Sprung auf neue Bretter, „die die Welt bedeuten“ haben sie sich hart erarbeitet! Die Verabschiedung vor großem Publikum haben sie redlich verdient. Welch eine Musical-Potenz mitten im WELTERBE ERZGEBIRGE. Einen riesigen Anteil daran hatte die Live-Band unter Markus Teichert, u.a mit Ronny Wiese / Frank Gareis am Gänsehaut-sax, Hubertus Böhm trp, Uwe Steiger pos, Andreas Gemeinhardt / Jürgen Heinrich git., Benjamin Richter / Matthias Kramp b, Sven Lerchenberger dr, und Markus Teichert / Peggy Einfeldt keyb.

Diese Aufzählung der Band soll Würdigung sein für nicht schlechthin Begleitung, sondern für die Gesamtdynamik des Abends, die Beleuchter inklusive.

Eine heiße Sommernacht mit Abstand und Verantwortung!

Eveline Figura