LESERPOST
ÜBER UNS
IMPRESSUM
WERBEN

Gegründet 1807

www.annaberger.info

Wiedergegründet 2011

    POLITIK   WIRTSCHAFT   KULTUR   LOKALES   HISTORISCHES   STADTFÜHRER    WEIHNACHTEN    GASTRO

 

THEATER ABC

 

 

September 2021



Die Flucht zueinander - "Leonce und Lena" Premiere am Theater Annaberg

Die neue Opernproduktion am Eduard-von-Winterstein-Theater nach langer Pandemiepause war für Publikum und Künstler zur Premiere wie ein Befreiungsschlag. Dieser Beginn - unter neuer Intendanz und neuer musikalischer Leitung zugleich - brachte große Erwartungen mit sich.

leo 1 (Andere)
Fotos: Dirk Rückschloß/Pixore Photography

Erwartungen, die dieses zauberische Singspiel eigentlich nicht alle auf einmal erfüllen konnte. Und doch wurde es ein Abend mit einem bestaufgelegten Ensemble, poetischen Inhalten und wundervoller Musikvielfalt. Es knisterte förmlich beim Eintritt in das Theaterfoyer am Premierenabend, dem 18.September 2021. Vorfreude auf endlich wieder leibhaftiges Spiel der Erzgebirgischen Philharmonie aus dem Orchestergraben, den Stimmen des Gesangsensembles und hoffentlich bewegtem Musiktheater machte die Check-ins fast vergessen und das Maskentragen bis zum Tisch im Restaurant und an den Platz im Zuschauerraum fast vergessen.

Zum Theaterbesuch gehören zudem unverzichtbar die sozialen Rituale der Wiedererkennung im Stammpublikum und der Begrüßung durch die Theaterleitung. Alles war da und auch noch eine herzliche Begrüßung des neuen Intendanten Moritz Gogg im Erzgebirge durch den Landrat Frank Vogel vor dem Vorhang.

Auf dem Spielplan nun das vergessenes Oper-Lustspiel nach Georg Büchners „Leonce und Lena“ mit Texten von Hugo von Königsgarten (-ein Nachkomme war extra aus London angereist-) und der die Spätromantik komprimierenden Musik des Wieners Erich Zeisel. Es ist eine deutsche  Erstaufführung in unserem Theater und mit der Wiederentdeckung des Werks auch eine Wiedergutmachung an ehemals jüdisch Verfolgte in unserer politisch wieder aufgeladenen Zeit.

Kurz nach der Entstehung der Oper  1937 und noch gerade vor Hitlers Einmarsch in Wien 1938 mussten Komponist und Autor in letzter Minute ihre Heimat verlassen; übrigens ebenso wie der berühmte Berliner Theaterkritiker Alfred Kerr über Prag nach London. Zeisel konnte in Amerika wieder Fuß fassen als Komponist von Filmmusiken, was Männern des Wortes nicht immer gleichermaßen gelang. Eine unglaubliche Verarmung des deutschen musischen Lebens ging mit dieser Verfolgung und Vernichtung des jüdischen Volkes einher.

Renate Publig nun hatte aus den englischen Texten der Uraufführung Hans Kafkas und Georg Büchners Stück die deutschen Dialoge rekonstruiert. Das Ergebnis ist nicht schlechthin nur die Story des Suchens und Findens eines Liebespaares, sondern eine Fülle poetischer Dialoge, von Liebes- und Lebensphilosophie. Es lohnt also auch den Texten zu hören und nicht nur der Musik zu lauschen.  Die hat es in sich! Der Komponist Zeisel war ein fulminanter Kenner der Musikliteratur, eine Fülle von Anlehnungen an große Vorgänger verschmelzen zu seiner zauberischen Interpretation seiner Verehrung von Richard Strauß, Humperdinck, Mendelssohn Bartholdys, Stravisky, ja Brecht-Songs u.a. Keine Plagiate, aber eine neue Wunderwelt. Und das mit, Corona bedingt, 14 Musikern im Orchestergraben.

leo 2 (Andere)


Der neue Generalmusikdirektor Jens Georg Bachmann hatte genug zu tun; mit viel Schwung, Exaktheit und großer Aufmerksamkeit für die Sänger. Die Philharmoniker ließen nichts an Streicherklang, Schlagwerken und Bläserklang vermissen. Die Handlung ist einfach: Prinzessin Lena (Bettina Grothkopf) und Prinz Leonce (Neu-Tenor Richard Glöckner) sollen nach Willen des Königs (László Varga) heiraten, ohne sich zu kennen (Felix Habsburg lässt grüßen.). Sie wandern aus und begegnen sich auf ihrer Suche nach dem idealen Partner natürlich zufällig in einem Dschungel a la Rousseau (Ausstattung:Martin Scherm). Beide gelangweilt und verspielt

Leonce gerade seiner üppigen Gespielin Rosetta (Bridgette Brothers) müde, überlässt sich der Führung des Hofmeisters, des Staatsrates, Valerios (alle Jason-Nandor Tomory), um sich schließlich mit Lena - als Marionetten- dem König zu präsentieren als Brautleute. Tomory ist immer der Spielmacher des Abends. Er führte mit seinem fülligen Bariton und seiner gewohnten Spielfreude, ja mit einer frei gewordenen Höhe überzeugend Leonce und die Figuren an der Nase durch die Handlung. Die Regie (Jasmin Sarah Zamani, auch die neue Oberspielleiterin Schauspiel) hatte sicher Freude mit ihm, der selbst viel anbietet in der Arbeit.

Glöckners Leonce ist ein noch verspielter Junge, der den Müßiggang pflegt und mit klaren, reinen tenoralem Timbre denselben huldigt. In den hohen Passagen gibt es noch Entwicklungspotential, dass ihm Annaberg in seinem ersten, festen Engagement bieten kann. Die Regie hätte ihm dennoch schon mal einige zupackendere Bewegungen mitgeben dürfen. So sei ihm die hübsche Lena gegönnt, die ihm endlich die ehelichen Flötentöne beibringen wird.

Bettina Grothkopf singt die Partie mit wundervoller Leichtigkeit und glockenreinen Tönen. Immer wieder erstaunlich ihre Anpassung an die jeweiligen Erfordernisse der Rolle. Man nimmt ihr die jugendliche Lena in Gestus und den lyrisch gehaltenen Tönen voll ab. Umso mehr wäre von der Regie etwas mehr Einfallsreichtum in der Bewegung des Paares in den Ensembles möglich gewesen, trotz „Abstand-Halten-Müssen“ zueinander. Die Gouvernante der Prinzessin (Judith Christ) war mit ihrer Alt-Stimme und dem Spiel in den Kulissen der stimmige Kontrast zu Lena.

Der vierte Hauptakteur des Abends, der König des László Varga! Der gibt ihn recht lässig, denkt für sein Volk, das folgt, und steht wie eine kommentierende selbstverliebte Säule, in einem etwas  albernen Kostüm und der Baukasten-Bühne. Dabei lässt er seinen Bass strömen und überzeugt einmal mehr  als Komödiant.

Besondere Erwähnung erzwingt die Rosetta der Brigette Brothers, die bereits öfters aus dem Chor hervor trat. Mit einem weichen Gespinst an Koleraturen und fülliger Beweglichkeit gestaltet sie   die abservierte Prinzengeliebte überzeugend. Es hätte nicht noch des rosa Tülls bedurft, um Weiblichkeit zu suggerieren. Überhaupt war der reduzierte Chor -zufünft- als Volk, Staatsrat und Polizisten, eine Überraschung des Abends. Die Masse macht´s also nicht immer. Mit stimmlicher Prägnanz, Exaktheit glänzte selbst eine schwierige Fuge durch die Spätromantik. (Chöre: Jens Olaf Burow mit  Stephanie Ritter, Nadine Dobbriner, Jens Langhans und den Neuzugängen Yuta Kimura und Jinsei Park). Die beiden Letzteren als die „ganze Armee“ brachten Töne zum Aufhorchen!

leo 3 (Andere)


Das Publikum im gut gefüllten Theaterraum war mit großer Aufmerksamkeit anwesend und dankte mit lang anhaltendem Applaus für die durchweg glänzenden Leistungen.

Auch nach der Vorstellung wurde noch im Restaurant verweilt, weil erstmals die Premiere zur Freude des Publikums am Samstag, statt am Sonntag stattfand.

Vorschau: Schlag auf Schlag fand am Sonntag, wie gewohnt 11 Uhr, im Foyer, das Premierenschaufenster statt. Vorgestellt wurde die kommende Premiere  des Musicals „Sarg niemals nie“ am Samstag, dem 25. September 2021. Gezeigt werden wird mit Anna Bineta Diouf, Nick Körber und Tim Taucher eine schwarzhumorige Revue zum Tabu-Thema Tod und dessen Vermarktung. Die Musik benutzt hier viele Genres wie Jazz, Rock, Ballade. Die Kleinkunst verschafft sich damit immer mehr Einlass in die Theaterszene und lockert diese wohltuend auf.
Die Vorstellung ist nicht im Premierenanrecht  enthalten, wird aber umso mehr empfohlen.

Eveline Figura

Nächste Vorstellungen „Leonce und Lena“:
22./26.09.2021, 19.30 Uhr;
03.10., 15 Uhr
17./23.10.;
06.11.; 28.12.2021, 19.30 Uhr
21.01.2022, 19.30 Uhr

ACHTUNG: neue Email-Adresse:
service@erzgebirgische.theater
Servicebüro-Tel.: 03733 1407-131
Webseite:
https://erzgebirgische.theater/