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THEATER ABC

 

 

April 2021



„Eingefrorene“ Heimat sehnt sich nach Wärme

Langer Winter und Corona ist gerade im Erzgebirge eine schwer zu ertragende Kombination. Wärmende Lichtblicke und Ausblicke vom Markt, Erzhammer, Annaberger Theater, leere Blicke in der Stadt und surrealer, aber willkommener Humor vom Lebenskünstlers und Holzbildhauer Usov.

usov 2 (Andere)Am meisten fehlen die selbstverständlichen Kontakte in Cafés, beim Bier im Restaurant und die Kultur hier wie überall. Noch im April bei Schneefall, den wirklich keiner mehr will, ist der spärliche Annaberger Wochenmarkt dienstags und donnerstags der soziale Mittelpunkt mit Maske. Doch vorsichtig öffnen Kulturzentren. Es ist wohl die beste aller spärlichen städtischen Ideen, das Corona-Testzentrum der Stadt im Musikzimmer des Kulturhaus Erzhammer einzurichten. Denn es liegt zentral am Markt, Musik findet eh keine statt, ist mit dem Fahrstuhl zu erreichen. Freundliche TesterInnen, darunter bekannte Damen aus dem Theaterservice, erledigen ohne Wartezeiten die Abläufe professionell.

Foto: Werke von Usov in der “Manufaktur der Träume” in Annaberg, Foto: E.F.

Vorsichtige Öffnung in Annaberg-Buchholz

Die Frischgetesteten können mit dem Ergebnis sofort nebenan in die Ausstellungen der „MANUFAKTUR DER TRÄUME“ spazieren, so es negativ ausgefallen ist. Einen Termin muss man sich vorher besorgen, indem man an die Tür zum Einlass klopft. Wann je freuten sich die Menschen so über negative Ergebnisse in ihrem Leben?!

Die Räume der „Manufaktur“ sind jedoch kaum besucht und die Pyramiden, Engel und Männel langweilen sich um die Wette. Nur im Raum für Sonderausstellungen ist eine Schulklasse mit Lehrerin unterwegs und die wurden von Herrn Guhtke vom Erzgebirgs Museum sachkundig geführt. Zu sehen sind Kunstwerke des aus Archangelsk stammenden Holzbildhauers, Theater- und Lebenskünstlers Leonty Andrejewitsch USOV, der nicht nur Mitglied in den bedeutendsten Künstlervereinigungen seiner Heimat und international ist und von dort zahlreiche Würdigungen erfuhr.

Zu uns gelangten seine Werke durch den nimmermüden Dietmar Lang, Vorsitzender des Erzgebirgischen SchnitzVereins und seiner informativen Reisen, natürlich vor der gegenwärtigen Zwangspause oder dem „Dornröschenschlaf“, der bloß nicht hundert Jahre dauern mag.
USOV erweist sich als Zauberer in Holz: Kaum eine Berühmtheit in der Kunst bleibt von Schnitzmesser, Polierscheibe verschont, um in ZEDERN-Holz oder seinen „Wurzel“-Behandlung portraitiert zu werden.

Bach, Beethoven, Da Vinci, zeigen in Perfektion ihre Charakterköpfe und von Salvador Dalí gibt es gar Adaptionen, die selbst wieder surreale Einschnitte haben. Viel Humor hat USOV natürlich, den er mit Überzeichnungen z.B. eines Kusses präsentiert oder Füße - rauf und runter auf einer Leiter spelen lässt, genauso wie leidvolle Gesichter, die Geschichte reflektieren. Man muss sich nicht in allen Kreationen mit unseren eigenen Gedanken wiederfinden. Oft ist auch natürlich der Effekt im Vordergrund wie bei Beethovens Frisur vielleicht. Aber ein Sehender, Denkender, Zeigender ist der 1948 geborene Bildhauer allemal und gut aufgehoben in der Manufaktur der („Holz“)-Träume.

Darüber hinaus hat auch der Frohnauer Hammer im Tal wieder geöffnet, -mit Voranmeldung und Maske, selbstverständlich.

usov 1 (Andere)Die Stadt ist gefragt: Trotzdem fehlt das Glück beim anschließenden Markteinkauf. Der „Kaffee to go“ lässt die Hände trotz Wärme frieren, Begegnungen sind spärlich, doch möglich, wenn man die Leute trotz Mund-Nasen-Schutz erkennt. Annaberg scheint eingefroren. In Gesprächen wird zu oft Skepsis deutlich mit Impfstrategien und dem Tempo. Nun geistert auch noch eine sogenannte Schließung des erzgebirgischen Testzentrums FESTHALLE ab Ende Juni durch die Gassen. Die Hausärzte sind zu langsam mit den zugewiesenen Impfdosen. So machen sich Resignation und manchmal auch Depressionen breit selbst bei aktiven Menschen, bei denen man es nicht erwartet hätte. Als ob die häufigen Krebserkrankungen im Alter nicht schon genug Angst und Trauer erzeugten.

Spaziert man durch die Stadt, sind immerhin das eine oder andere Geschäft geöffnet mit „click and meet“, aber das ist nicht genug. Zu viele Schaufenster sind schon leer, aufgegeben das oft traditionelle Gewerbe. Und auch die bildenden Künstler der Stadt oder des Landkreises sitzen isoliert zu Hause, keine Ausstellungen, kein Verkauf der Werke, weil kaum jemand sie kennt oder die guten Alten langsam vergessen werden. WARUM kann die Stadt nicht den vielen Malern, Holzbildhauern, Klöpplern, Papiergestaltern und den Kunsterziehern leere SCHAUFENSTER mit Namen und Adressen, Telefonnummern, zur Verfügung stellen oder vermitteln helfen, damit Leben in die Stadt und ihnen der eine oder andere Kunde zuwächst?
Die Mitarbeiter der Stadt sitzen im Homeoffice und haben doch dort Zeit zum mailen oder telefonieren!

Das geliebte Theater ist und bleibt ein Lebensmittelpunkt

Und eben erreicht mich noch die Einladung zur Pressekonferenz des Theaters am 11:Mai 2021.
Die neue Spielzeit ab September 2021 mit neuem Intendanten,
neuem Generalmusikdirektor und neuer Oberspielleiterin winken Hoffnung in die Runde: Uraufführung, Erstaufführungen locken und vorher hoffen alle auf eine bunte Greifenstein-Saison.

Wie schade, dass dem alten Intendanten, Dr. Ingolf Huhn, keine würdigere Abschiedssaison beschieden war. Viele bis zur Generalprobe gediehenen Probenprozesse werden nicht ihre Aufführung erleben, aber immerhin haben sich Mimen, Sänger gesehen, von Weitem angespielt und angesungen. Das war wichtig in den so hochspezialisierten Berufen, wo schnell auch Erreichtes blass werden kann, die Kondition, der Klang verschwindet, die Finger ungeübt sind.
Die treuen Zuschauer wissen, was ihnen fehlt: Lebensfreude, Überschwang, Genuss, Reflektion über die Gesellschaft, Diskussionsangebote. Und die Jungen, die Kulturabstinenten brauchen Angebote, um staunen und sich freuen zu lernen an alter und neuer Menschendarstellung!

usov markt (Andere)
Annaberger Wochenmarkt einer der wenigen Begegnungspunkte. Foto: Stadt Annaberg

Welche Pläne gibt es im Haus des Gastes „Erzhammer“ für die neue „Spielzeit“?
Bei meinem Besuch vor einer Woche, Mitte April 21, wurden mir Prospekte aus DDR-Zeiten gezeigt mit einer unglaublichen Vielzahl an Veranstaltungen mit Tanz, Zirkelarbeit, Konzert- und Gastpielen, auch berühmter Mimen, überregionalen Künstlern. Unglaublich! Sicher, es sind andere Zeiten. Lockern sich die Pandemiebeschränkungen, wollen die Menschen wieder reisen, sich besuchen. Trotzdem können das Ältere nicht mehr in gleichem Maße. Deshalb sind Veranstaltungen in der Stadt gefragt, die bei guter Werbung auch angenommen werden. Man darf gespannt sein.

Von der Leitung des Hauses und dem Kulturmanagement ist Herzblut gefragt für die Geschichte der Stadt, der Region und unserem
WELTERBE Montanregion Erzgebirge und die Einbeziehung der Bürger, der Schüler, der Auszubildenden. Vielleicht bringt das Märchenfilm-Festival fabulix wieder Aufwind zu uns... Man darf ja träumen, von der Kät, der fete de la musique, Bauern- und Töpfermärkten!

Eveline Figura