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März 2022



Von Hexenjagd bis Kabarett - Kulturfrühling im Erzgebirge

Sparsames Grün, Winterkälte in den Ästen, Sonne satt. Also zieht es die Menschen zueinander zu gutem Essen, einen Oster-Spaziergang davor oder danach. Die fehlende Wärme draußen brauchte eine Fülle von Kulturveranstaltungen: Theater Annaberg, Schloss Schlettau, Kulturhaus Bad Schlema, Alte Braurerei Annaberg.

Es ist ein wahre Freude wiedermal ins heimatliche Gebirge zu fahren. Immerhin schafften es die Osterglocken an die strahlende Sonne, mit der sie farblich wetteifern, aber „an Blumen fehlt´s im Revier“. Das wusste schon unser Dichter aus Weimar, -auch im Gebirge gelegen. „Geputzte Menschen dafür“ sieht man hingegen heuer selten, sind doch die Steppanoraks oder Wolljacken präsent. Und auch ins Theater putzt man sich selten auf. Die Leit sei fei bequem geworden.

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“Hexenjagd” am Annaberger Theater. Foto: Dirk Rückschloß

Auf meinem Spiel-Besuchs-Plan stand zunächst die „Hexenjagd“ (1953) von Arthur Miller auf dem Spielplan des Eduard-von-Winterstein-Theaters Annaberg Buchholz. Das verstörende Stück, dass in Salem/Massachusett spielt, thematisiert ausufernde Hysterie und puritanische Enge in einer Dorfgemeinschaft. Die Regisseurin Jasmin S. Zamani hat Brechts „Episches Theater“ bemüht und die Besucher verstört. Soll so sein, denn auch in unserer, immerhin großen Kreisstadt gibt es Hassreden und Verschwörungstheorien. Die neue Theaterleitung unter Moritz Gogg hat mit diesem Stück schon mal ins Schwarze getroffen. Leider gehen die, die´s brauchen könnten nicht ins Theater.

Am Oster-Sonntagnachmittag war leider Spielplanänderung und es stand das Ein-Personen-Stück „Nipplejesus“ (Nick Hornby) auf der großen Bühne, was sonst in der Manufaktur der Träume (Erzhammer) ein intimeres Ambiente hat. Thematisiert wird Kunstrezeption, moderne Kunst wohl gemerkt. Objekt ist ein großes (imaginäres) Jesusbild, das aus gepixelten Brüsten bestehen würde. Der Darsteller Vladislav Weis diskutiert, beobachtet, erklärt als Dave vom Sicherheitspersonal, wie sich die Besucher dazu stellen. Er machte dass spielerisch bewegt. Leider reichte seine Sprechtechnik nur partiell über die Rampe, so dass viele wichtige Inhalte im Saal unverständlich blieben. Als dann noch ein verspäteter Angetrunkener laut dumme Bemerkungen von sich gab, war der Vortrag gelaufen.

Dabei ist im Foyer gerade eine vielfarbige Ausstellung mit zeitgenössichen Gemälden von Monika Oberberg aus Annaberg zu bewundern, die mit leichter Hand und Freude am schnellen Strich unser Erzgebirge  porträtiert und Persönlichkeiten von Kunst, Musik und Theater gleich mit. Eine Möglichkeit, in der Pause Land und Leute wieder zu erkennen und sich darüber auszutauschen.

Neben der neuen Theaterleitung ist auch ein neuer Chef, sprich Generalmusikdirektor, der Erzgebirgischen Philharmonie Aue in die schwierige Pandemiezeit hinein zu uns gekommen. Die Musiker der Philharmonie sind ja auch unser Theaterorchester. In dieser Zeit waren Opern, Operetten, Musicals, wenn überhaupt gespielt werden konnte, auf Personen-Abstand inszeniert, mit wenigen Darstellern besetzt und von ca .12 Musikern im Graben begleitet. Trotzdem war der neue Ton, die exakten Einsätze und wunderbare Zusammenklänge unter dem Dirigat von Jens Georg Bachmann, so heißt der neue GMD, ganz neu genießbar.

Das Konzertgeschehen, bei dem der Klangkörper auf der Bühne spielt, hat bereits Furore gemacht. Am Ostmontag war nun im ehemaligen WISMUT-Kulturhaus in Bad Schlema in der OSTERMATTINEE ganz wunderbares Frühlingserwachen zu hören. Herr Bachmann führte kurzweilig in die Werke ein. Es erklang der „Frühling“ aus den „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi. Violinsolist war der 1. Konzertmeister des Orchesters, Michael Schmidt, der mit Temperament, Zartheit und Brillanz den Frühling charakterisierte. Johann Strauss` „Frühlingsstimmen-Walzer” zeigte danach die qualitative Nähe zwischen sogenannter U-und E-Musik im 19. Jahrhundert und den Schwung des Orchesterklanges. 

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Kulturhaus “Aktivist” in Bad Schlema. Foto: WikiCommons

Wie passend: zwitscherten die „Vögel“ von Ottorino Respighi über die Bühne und ein Genuss mit welcher Feinheit der Dirigent seine Intensionen den Musiker vermittelte. Wiener Klassik folgte mit Joseph Haydns Sinfonie „La Passione“, der die Traurigkeit in höfischer Grandezza versteckte und die Auferstehung in temperamentvollen Überschwang des Volkes auf dem Lande entfalten ließ. Das Orchester blühte förmlich auf dabei. Am Ende der Höhepunkt mit Kontrast aus Argentinien: Astor Piazzollas Sicht auf den Frühling seiner „Vier Jahrezeiten“. Fast ein Stilbruch, aber welch eine Brücke zur Moderne. Michael Schmidt beherrschte nicht nur seine italienische Geige im Tango und den Taktwechseln, sondern auch die Führung mit den Geigen im Orchester. Jens Georg Bachmann war ein feinsinniger, aber fordernder Stilist am Pult und die Musiker folgten ihm mit beachtlicher Qualität. Bravo! Das Nachsehen hatten all Jene, die das Konzert nicht besuchten in der sehr guten Akkustik des kleinen Saals im Kulturhaus Bad Schlema.

Im Schlettauer Schloss gastierte zur gleichen Zeit das Streichquartett der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz mit Yi-Qiong Pan, 1.Viol. Stella Sykora-Nawri, 2.Viol., Barbara Giepner, Viola, und Rut Bántay am Violoncello. „Schubertiade“ war das Thema mit dem c-moll Quartett und „Der Tod und das Mädchen“. Bewundernswürdige Harmonie des Zusammenspiels der vier jungen Damen. Schauspieler Jörg Simmat gab einen  theatralischen „Osterspaziergang“ von J.W.Goethe und eine feingliedrige Moderation. Rings ums Schloss wirklich tausende blaue Blumen „der Romantik“.

Zwischendurch gab´s in der Erzgebirgsgastronomie wirklich Feines zu essen. In den gefüllten Lokalitäten, z.B. dem Saal und Restaurant Berghotel Pöhlberg, für das Gaston Deckert und Familie, den Pachtvertrag mit der Stadt neu abgeschlossen hat. Oder im Frohnauer Hammer: Stephan Feller ist dort noch mindestens bis 2024 der Herr über Herd und Gaststuben, neben dem Sportlerheim in Sehma/Cranzahl. Und auch im „Weißen Ross“ in Schlettau gab´s deftig schmackhafte Hausmannskost und feines Lamm im Schloss selbst.

Einen Höhepunkt im Theater hatten denn all jene, die 
„Der Reichsten Mann der Welt“ am Ostermontagabend sehen wollten, eine Operette und deutsche Erstaufführung von Ralph Benatzky(1936) . Es gab gegenüber der Premiere ein paar Umbesetzungen. Am dominierndsten die der adligen Großmutter, die nunmehr von Gisa Kümmerling sozusagen repräsentiert wird, heißbejubelt vom Publikum.

Ergänzt werden muss, dass diese Inszenierung und Ausstattung Christian von Götz besorgte als eine
moderne Variante der comedia del arte. Die musikalische Leitung hatte GMD Jens Georg Bachmann. Für diese Gesamtleistung wurde der Inszenierung der März22-FROSCH von Bayern-Klassik zugesprochen. Eine Auszeichnung, die das Originelle bei Inszenierungen im Fach Operetten würdigte, Gratulation!

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Alte Brauerei“ in Annaberg. Foto: Alte Brauerei

Und weil entweder nichts passiert im Lande oder ein Höhepunkt den nächsten jagt, saß das Lust gestimmte Publikum im sozio-kulturellen Zentrum „Alte Brauerei“ am Dienstag schon wieder beieinander. Die heiter Aufgekratztheit des Abends erzeugte die Erwartung auf das seltene Glück,
gleich das hauseigene Kabarett „Komme Die - Weltkulturerbe“ erleben zu dürfen. Eingestimmt durch die Dreimann-Kapelle Sax., Schlagzeug und Bassgitarre, erschien die Olsenbande mit Gags und Klamauk zur aktuellen Situation, Madeleine Tost prillierte mit der verrückten Fernsehansage auf Tschechisch, nur noch übertroffen von ihrem Dialog  mit einem Franzosen, der ihr perfektes Erzgebirgisch in Kittelschürze stets missverstand.

Talkszenen zwischen ihr, einem Literaturprofessor in gestischer Choreographie (Igor Zimmermann), und einem aussichtlosem Dritten (Peter Oehme). Dadaistische Ernst- und Albernheiten irritierten manche Gäste, wurde aber dann von langen Sätzen mit Politikernamen  wieder munter oder von Honeckers genuschelter Ansprache gefesselt. Höhepunkte immer gerne Persiflagen über Annaberger Ereignisse, z.B. die Intendanz des Theaters in Händen eines Österreichers, der auch noch anwesend war! Das komödiantische Talent von Zimmermann dann als Nazi-Interpret von Rilke. Die Zugabe mit Goethes „Osterspaziergang“ in Herz erwärmender Normalität.

Auch weitere Kabarett-Gastspiele hier im Spielplan. Nachdem Gregor Gysi am 6.4.22 bereits hier war, kommt am 29.4., 20 Uhr: Matthias Egersdörfer und am 18.5., 20 Uhr: „Komme Die-Weltkulturerbe“ Infos und Karten über:
www.altebrauerei-annaberg.de ; Tel.: 03733 24801, Geyersdorfer Str.34, Annaberg-Buchholz.

Eveline Figura