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Januar 2022




Theaterluft und Märchenzauber: Hänsel und Gretel in Annaberg

Endlich wieder geöffnete Türen, Begegnungen, herrliche Live-Musik und kostümierte Darsteller. Die Theaterleute und das Publikum in guter Stimmung bei der Premiere der Märchenoper für Groß und Klein: „Hänsel und Gretel“ in Annaberg.

hansel 1

Fotos: Dirk Rückschloß, Pixore Photography

Der freudig erregte Intendant, Moritz Gogg, begrüßte überschwänglich „sein Publikum“ zur Premiere, war er doch als neuer Hausherr seit September 2021 noch gar nicht richtig zum Zuge gekommen. Nach den ersten Premieren „auf Abstand“ und Reglement beim Einlass und Sitzordnung im Saal und Distanzen auf der Bühne, kam schon wieder das Corona-Aus. Nun konnte er sich erneut über sein züchtig gefülltes Haus zur Premiere, neuer Theaterrestaurant-Crew und der schon am nächsten Tag anstehende Schauspielpremiere von Orson Welles „Mobby Dick“ freuen.

Die Märchen- und Weihnachtsoper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck, Texte von dessen Schwester!, Adelheid Wette, muss man inhaltlich nicht erklären. Jedes Kind kennt das eigentlich für diese zu grausame Märchen. Gut das kleine Kinder noch nicht alles hinterdenken und -fragen. Humperdinks Musik, von einst bis heute hochgelobt, macht die Handlung hochdramatisch (Der Komponist war Assistent von Richard Wagner und selbst Richard Strauss wollte sich das Erstdirigat nicht nehmen lassen.).

Die Lieblichkeit der Klänge kam durch die Vielzahl bekannter Kinder-, Schlaf- und Traumweisen in die Komposition, die dann zum Mitsingen im Geiste einlädt und die Textverständlichkeit konnotiert, was bei Opernsängern oft zu wünschen übrig lässt. Dadurch und durch den etwas düsteren Einstieg im ersten Bild zieht sich´s, und es wird dem kleinen Publikum reichlich Geduld abverlangt.

Jetzt kommt es auf die Regiekunst (Regie: Petra Müller) und ihrem Einfallsreichtum sowie der Ausstattung (Martin Scherm) an, diese Längen zu gestalten. Die Inszenierung nutzt grafische und malerische Elemente des Ludwig Richter und bietet somit Romantik pur und viel Schönes zu Gucken. Im ersten Bild wird allerdings mit Fachwerk um einen opulenten Kachelofen nicht unbedingt die Armut der Besenbinderfamilie augenscheinlich und auch die Aufgeregtheit um den Milchtopf nicht begründet.

Dazu birgt die Oper dramatischen Anspruch an sängerisches Material der Mutter Gertrud (einer von der Maske vollkommen verwandelten Bettina Grothkopf) und Vater Peter( Jason-Nador Tomory), das beide auch  manchmal fast zu eindrucksvoll zeigen. Dass die Regie daraus aber keine differenziertere Abfolge von Traurigkeit, Ängstlichkeit und Aufbegehren machte, sondern regelrechtè Kampf-`Szenen einer Ehe´, war doch ein wenig zu dick aufgetragen. Die sehr akzentuiert dirigierten Ouvertüre  (GMD Jens Georg Bachmann), die der Komponist als „symphonischen Prolog“ bezeichnete, den er „.....Kinderleben betiteln könnte“, das „von Schutzengeln behütet“ wird, ging es richtig zur Sache. Das Orchester, Corona bedingt bestehend aus nur ca. 12 Musikern - wie immer der Erzgebirgischen Philharmonie Aue-, hatte noch nicht durchgängig verinnerlicht, dass jeder Musiker somit ein Instrumental-Solist sein muss.

Den wunderbaren Klängen war am Beginn noch fadenscheinige Streicherklänge und manch gebrochene Bläserphrasen eigen, aber nach so langer Spielpause verständlich. Und, tatsächlich, entfalteten sich aus dem Orchestergraben nach und nach die spätromantische Zauberwelt mächtig. Die Hauptfiguren, Gretel (Madelaine Vogt) als ältere Schwester und Hänsel (Anna Bineta Diouf) entfalten ihr Waldabenteuer im zweiten Bild selbstbewusst und stimmstark ganz unängstlich. Zwischen den wichtigsten Märchenfiguren inmitten der üppigen Baumriesen Ludwig Richters (Märchebuch von 1842) entwickelte sich das bewegungsreiche Spiel, zusammen mit der schönen Ausstattung der Bühne, Kostüme und Perücken, kam eine Phantasiewelt zustande.

Hübsch gesungene Passagen vom Sandmännchen (Stephanie Ritter) und Liebliches vom Taumännchen (Bridgette Brothers) komplettierten die schönen Bilder. Von Videos wurde das Blätterspiel der Bäume im Winde eingespielt, die sich zu der Musik zu bewegen schienen und die Traumgesänge illustrierten. Höhepunkt der Oper wie des Märchens war und ist natürlich das Knusperhaus mit der Hexe im dritten Bild.

hansel 2 (Andere)Die Hexe (Judit Christ-Küchenmeister) ist nicht als spleenige Zauberin wie in manchen Märchenfilmen angelegt, sondern als wahre Brocken-Hexe im Erzgebirge kreiert. Man nimmt ihr schon die Verkleidung als arme alte Frau am Beginn nicht ab. Die Nase ist zu gruselig lang. Und gleich fliegt sie auch schon mit farbigem Kostüm auf dem Besen  durch den Schornstein über die Bühne. Stimmlich ist sie mit ihrem kräftigen, modulationsfähigem Alt eine Idealbesetzung an kraftvollem Weib. Und wie sie zaubern kann...! Ein Bravo besonders hier der Regie und die Umsetzung durch die Darsteller Hänsel und Gretel. Beide werden scheinbar gelenkt und fremd bewegt wie durch Zauberhand eben, kleben an den Pfefferkuchen fest und tanzen mit ihnen über die Szene; dabei noch singend. Ein leicht aussehender Kraftakt, während die Hexe mehr oder wenig sang-, aber nicht klanglos im Ofen verschwindet.

Die Mitglieder des Chores (Leitung: Jens Olaf Buhrow) werden am Ende aus Pfefferkuchen wieder in Menschlein verwandelt. Trotz gebührendem Abstand ist rege Betriebsamkeit und tänzerische Bewegtheit in den Figuren; schön gesungen wird ebenso wie im zweiten Bild im Walde. Es war eine wunderbarer Familien-Opern-Märchen-Abend, der zeigte, was Theater vermag: Musikalische Wiederspiegelung von Zauber- und Gefühlswelten mit Gemeinschaftserlebnis zu vereinen. Endlich wieder!

Eveline Figura

Weiter Vorstellungen: 23.01.2022,19.30 Uhr; 27.03., 15 Uhr; 16.04., 19.30 Uhr.

https://www.winterstein-theater.de/